Mit einem Lernaufenthalt für Ausbilder gibt die Handwerkskammer Kassel Einblick in die Erdwärmenutzung auf Island – Austauschprojekte für Azubis sind in Planung. Autor: Manfred Kasper im Auftrag der Nationalen Agentur in Bonn
Ein bundesweit bislang einzigartiger Ansatz der Handwerkskammer Kassel (HWK Kassel) vermittelt Betrieben und Ausbildern aus Nordhessen Praxiswissen zum Thema Geothermie (Erdwärme) in Island. Ziel ist es, über das Erasmus+-Projekt „Ich bin Handwerker, ich bin dabei. Europa ich komme!“ einen Austausch von jungen Anlagenmechanikern für Sanitär- Heizungs- und Klimatechnik und einen Dialog zwischen dem heimischen Handwerk und isländischen Unternehmen zu initiieren. So soll zugleich die Attraktivität der Ausbildung in den Handwerksberufen gesteigert werden.
„Mobilität und der Blick über den Tellerrand sind auch im Handwerk heute selbstverständlich“, unterstreicht Matthias Werner, Mobilitätsberater bei der HWK Kassel, die die Idee mit Unterstützung lokaler Unternehmen auf den Weg gebracht hat. Mitte April 2018 fuhren erstmals zehn Ausbilder, Fachlehrer und Betriebsinhaber für eine Woche in die isländische Hauptstadt Reykjavik. Hier besichtigten sie das ldan Educational Centre (IDAN), ein Ausbildungszentrum für Berufe im Handwerk sowie ausgewählte Betriebe im Umland.
Der inhaltliche Fokus des Lernaufenthalts lag auf der Nutzung von Erdwärme, die zu nahezu 100 Prozent für die Energieversorgung der Region Reykjavik und des gesamten Landes verantwortlich ist. Doch Island ist in diesem Bereich nicht nur technologisch führend, die Geothermie ist hier bereits in der Ausbildung verankert. Wie dies in der Praxis aussieht, konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im IDAN, einem für isländische Verhältnisse relativ großen Zentrum, das in 28 von 32 gesetzlich geregelten Ausbildungsberufen auf Island ausbildet, selbst erleben. Beeindruckend war, wie umfassend die Azubis hier geschult werden. Das befähigt sie, sich nach der Ausbildung europaweit zu orientieren und in allen Ländern zurechtzufinden.
Auch die Besichtigung eines kommunalen Energieversorgers und eines Kraftwerks, das Energie aus Erdwärme erzeugt, standen auf dem Programm. Dabei kam es zur zufälligen Begegnung mit dem isländischen Staatspräsidenten, der gerade einen Termin in dem Kraftwerk wahrnahm. Dazu Matthias Werner: „Wir haben ein wenig miteinander geplaudert und ein Gruppenfoto mit ihm gemacht. Das lief völlig entspannt ab. Für uns war es ein absoluter Höhepunkt.“
Nachhaltigkeit als Stärke
Werner sieht den Beitrag zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit als eine Stärke des Handwerks. Um diese in Zukunft weiter auszubauen, sei es wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen und vom Wissen und den Erfahrungen anderer zu profitieren. So sei letztlich auch die Idee zum Dialog mit Island entstanden, der auf eine Initiative der Veltum GmbH aus Waldeck zurückgeht. Diese hat in der Vergangenheit immer wieder Auszubildende ins europäische Ausland entsandt, Island und das Thema Geothermie jedoch sind auch für Lena Schmidt, Personalreferentin bei Veltum, Neuland.
Ihr Unternehmen entwickelt innovative Systeme rund um Wohnen und Energie. Dabei geht es vor allem darum, eine möglichst hohe Energieeffizienz zu erreichen. „Das ist das, was der Kunde von uns erwartet“, betont Schmidt, und ergänzt: „Nicht zuletzt deshalb ist es uns wichtig, dass auch unsere Azubis über ein Grundwissen in Sachen regenerative Energien verfügen.“
Erdwärme kommt in Deutschland bislang vor allem als umweltfreundliche und kostengünstige Heizform in Kombination mit Wärmepumpen zur Versorgung von Einfamilienhäusern oder kleineren Wohnvierteln zum Einsatz. Die Dimension sei zwar mit der in Island nicht vergleichbar, dennoch glaubt Schmidt, dass die Nutzung der Erdwärme in Zukunft auch hierzulande an Bedeutung gewinnen wird. Sie würde es prinzipiell begrüßen, wenn regenerative Energien im Bereich Anlagentechnik eine größere Rolle spielten als bislang, gerade auch in der Ausbildung. In Island hat sie Kontakt mit einem Anlagetechniker geknüpft, dem die Wartung der „Blauen Lagune“, eines geothermisch gespeisten Thermalfreibades vor den Toren Reykjaviks, obliegt. Bald schon könnten hier Auszubildende aus Nordhessen hospitieren.
Angebote für deutsche Azubis
Auch Jürgen Weste, Inhaber eines Fachbetriebs für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik in Bad Wildungen, und Mitglied des Vorstands der HWK Kassel sowie zahlreicher anderer Handwerksinstitutionen, ist überzeugt, dass die deutschen Auszubildenden Möglichkeiten zur Nutzung von Erdwärme kennenlernen sollten. Wenn ein Azubi aus Island zurückkomme, bringe dieser „ein ganz anderes Gespür für das Thema Energie und insbesondere für regenerative Energien“ mit. Der Lernaufenthalt und die Kontakte zu Bildungseinrichtungen, Handwerksorganisationen und Betriebsinhabern seien eine gute Basis für künftige Aktivitäten im Rahmen der Ausbildung. Weste sieht darin einen Beitrag zur Idee eines „gelebten Europa“, der aufzeige, wie vielfältig das Berufsfeld sei und in Zukunft sein werde.
Das Interesse am Austausch von Azubis ist auf beiden Seiten groß. So sollen bereits 2019 konkrete Projekte an den Start gehen, perspektivisch soll auch der fachliche Dialog unter den Ausbildern gefördert werden. Schmidt und Weste würden ihren Azubis sofort die Möglichkeit zur Island-Erfahrung bieten. Sie glauben, dass dies sowohl fachlich als auch persönlich den Horizont der Azubis erweitern würde. Gleichermaßen könne ein derartiges Angebot erheblich zur Imagewerbung für die Berufsbildung im Handwerk beitragen.