Bis zur Jahresmitte werden neue Fassungen der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) sowie der Arbeitsstättenordnung (ArbStättV) in Kraft treten. Ziel ist, Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten und die Umsetzung in der Praxis einfacher zu machen. Was die neue Betriebssicherheitsverordnung konkret für die Branche bedeutet, wird in diesem Beitrag anhand typischer Tätigkeiten aufgezeigt: Nach einer kurzen Beschreibung folgen die Forderungen des neuen Regelwerks und die Bedeutung für die Praxis. Auch besondere Unfallschwerpunkte sollen zukünftig stärker berücksichtigt werden.
Was ist neu?
Die Betriebssicherheitsverordnung regelt den Umgang mit Arbeitsmitteln. Von der Bohrmaschine bis zum Kran sollen Arbeitsmittel sicher bedient, regelmäßig überprüft und instandgehalten werden. Die Neufassung wird voraussichtlich am 1. Juni 2015 in Kraft treten. Ursprünglich geplant war der 1. Januar 2015. Der Termin konnte jedoch wegen umfangreicher Änderungen nicht eingehalten werden. Wesentliche Änderungen sind:
- Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung (§ 3 Abs. 2) müssen nun auch folgende Aspekte beurteilt werden:
- <b>ergonomische, alters- und alternsgerechte Gestaltung der Arbeitsmittel:</b> Vor dem Hintergrund zunehmend älterer Belegschaften und dem erwarteten Fachkräftemangel stehen Unternehmen vor der Aufgabe, die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit unter anderem älterer Mitarbeiter möglichst lange zu erhalten.
- <b>physische und psychische Belastung bei der Verwendung:</b> Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Zwangshaltungen sind für die Branche typisch; psychische Erkrankungen haben bei allen Branchen stark zugenommen, sie verursachen aktuell fast 17 % der Arbeitsunfähigkeitstage (Quelle: DAK). Ziel muss also sein, für gesunde Arbeitsbedingungen zu sorgen und auch hier den demografischen Wandel zu berücksichtigen.
- <b>besondere Unfallschwerpunkte</b>: Die Unfallgefahr auf Baustellen ist hoch; 2011 ereigneten sich ca. 117 000 Arbeitsunfälle, davon waren 99 tödlich (Quelle: BG Bau). Unfallursachen zu kennen und geeignete Maßnahmen festzulegen ist daher eine wichtige Aufgabe des Unternehmers.
- Um die Sicherheit auf Baustellen zu verbessern, wird nun ausdrücklich die <b>Zusammenarbeit verschiedener Arbeitgeber</b> (§ 13) gefordert. In der Praxis gewährleistet ein Koordinator, dass Absprachen u.a. über den zeitlichen Ablauf der Arbeiten getroffen und eingehalten werden.
- <b>Die Prüfung von Arbeitsmitteln</b> (§ 14) ist für den sicheren Betrieb notwendig und wurde aufgewertet, für besonders gefährliche Arbeitsmittel, wie Krane gelten die Vorschriften gemäß Anhang 3.
Typische Tätigkeiten und verwendete Arbeitsmittel
Heben von Lasten: Heizkörper werden beim Ein- bzw. Ausbau je nach Unternehmen noch bis zu ca. 80 % manuell bewegt, seltener steht ein Kran zur Verfügung oder wird ein Fahrzeugkran bereitgestellt. Muskel-Skelett-Erkrankungen können die Folge sein, sie sind Ursache für mehr als ein Viertel der betrieblichen Ausfallzeiten (Quelle: BAuA) und für fast 20 % der Frühberentungen. Das Transportieren schwerer, unhandlicher Arbeitsmittel wie Heizkessel, erfordert die Koordination mehrerer Personen, die Unfallgefahr ist hoch. Für das Heben von Lasten mit Hebehilfen legt die neue BetrSichV u. a. fest (Anhang 1 Abschn. 2):
- Standsicherheit und Festigkeit muss sichergestellt sein, auch Witterung, Transport, Auf- und Abbau, mögliche Ausfälle sowie Prüfungen müssen berücksichtigt werden.
- Besonders eingewiesene Beschäftigte müssen überprüfen, ob festgelegte Maßnahmen korrekt durchgeführt werden.
- Der Hinweis auf die zulässige Tragfähigkeit muss deutlich sichtbar sein.
- Lastaufnahme- und Anschlagmittel müssen so aufbewahrt werden, dass sie nicht beschädigt werden und ihre Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird.
Krane dürfen nur von unterwiesenen Personen bedient werden. Bestimmte Krane sind – wegen des hohen Gefährdungspotenzials – nach BetrSichV besonders prüfpflichtige Arbeitsmittel (siehe Anhang 3 Abschnitt 1). Vor Benutzen eines Krans muss der Bediener daher sicherstellen, dass erforderliche Prüfungen durchgeführt wurden: Für kraftbetriebene sowie handkraftbetriebene oder teilkraftbetriebene Krane gilt grundsätzlich eine jährliche Prüffrist, bestimmte fahrbare Turmdrehkrane müssen mindestens halbjährlich geprüft werden. Den Nachweis über durchgeführte Prüfungen liefert das Prüfbuch (siehe auch DGUV-V 52).
Die neue Forderung, physische Belastungen zu ermitteln und wirksame Maßnahmen umzusetzen, soll dazu führen, dass z. B. schwere Lasten zunehmend mit Hebehilfen wie Fahrzeugkran oder Kran bewegt werden. Dies berücksichtigt auch ältere Arbeitnehmer, die mit Erfahrungswissen punkten, deren körperliche Leistungsfähigkeit aber reduziert sein kann. Alle Beschäftigten, egal welchen Alters, sollen länger gesund und arbeitsfähig bleiben, dies wiederum senkt die Zahl der erwerbsgeminderten bzw. frühverrenteten Personen. Persönliches Leid kann verringert werden, Kosten für Unternehmer und Versicherte sinken. Mit der Leitmerkmalmethode der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zur Beurteilung von Heben, Halten, Tragen kann schnell ermittelt werden, ob technische oder organisatorische Maßnahmen erforderlich sind.
Arbeiten mit handgeführten Arbeitsmitteln
Handgeführte elektrische Arbeitsmittel wie Bohrmaschine oder Elektroschrauber wurden inzwischen überwiegend auf Akkuleistung umgestellt, Gefahren wie Stromschlag beim Beschädigen bzw. Durchtrennen von Kabeln oder Stolpern über umherliegende Kabel wurden dadurch deutlich verringert. Belastungen für Hand- und Armmuskulatur, auch durch Vibrationen, bleiben mögliche Gefährdungen.
Mit der Forderung nach der ergonomischen sowie alters- und alternsgerechten Gestaltung, werden zukünftig zunehmend Geräte zum Einsatz kommen, die handlicher, leichter bzw. einfacher zu bedienen sind und damit einer älter werdenden Belegschaft gerecht werden. Prüfungen wurden aufgewertet: Ortsveränderliche elektrische Betriebsmittel ebenso wie Verlängerungs- und Geräteanschlußleitungen mit Steckvorrichtungen, Anschlußleitungen mit Stecker und bewegliche Leitungen mit Stecker und Festanschluss müssen nun grundsätzlich halbjährlich, auf Baustellen alle drei Monate – statt wie bisher jährlich – auf ordnungsgemäßen Zustand geprüft werden. Die Prüfung führt eine Elektrofachkraft oder unter bestimmten Bedingungen eine elektrotechnisch unterwiesene Person durch (siehe auch DGUV-V 3).
Es gibt keinen Bestandsschutz mehr: Alle verwendeten Arbeitsmittel müssen den geltenden Vorschriften für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit entsprechen; dies gilt auch für Arbeitsmittel, die der Arbeitgeber für eigene Zwecke selbst hergestellt hat.
Arbeiten auf hochgelegenen Arbeitsplätzen
Zu den typischen Tätigkeiten gehört auch, Halterungen für Rohraufhängungen an der Decke zu befestigen. Um Zeit zu sparen, werden häufig Schienen mit einzelnen Halterungen statt Einzelhalterungen angebracht. Beschäftigte benutzen dazu Leitern, Gerüste oder Arbeitsbühnen und arbeiten mit Handgeräten oder handgeführten elektrischen Arbeitsmitteln – häufig über Kopf. Dabei besteht Absturzgefahr, durch Zwangshaltungen kann die Gesundheit beeinträchtigt werden.
Leitern und Gerüste: Für das Arbeiten auf Leitern und Gerüsten gelten die Forderungen gemäß Anhang 1 Abschnitt 3. Wichtig sind Standsicherheit und gegebenenfalls Absturzsicherungen wie Auffangnetze. Leitern müssen für die auszuführende Tätigkeit geeignet, standsicher und sicher begehbar sowie gegen Umstürzen gesichert sein. Standsicherheit wird gewährleistet, wenn Leitern auf tragfähigem, unbeweglichem und ausreichend großem Untergrund stehen. Fahrbare Leitern müssen arretiert werden (siehe auch DGUV-I 208-016).
Für Gerüste gelten zusätzliche Vorschriften, die der Ersteller erfüllen muss. Unter anderem müssen Gerüste unter fachkundiger Aufsicht von unterwiesenen, fachlich geeigneten Beschäftigten auf-, ab- oder umgebaut werden. Nach Fertigstellen und Prüfen muss das Gerüst an gut sichtbarer Stelle gekennzeichnet werden, und zwar mit Angaben zu Ersteller, Bauart des Gerüsts, Last- und Breitenklasse sowie allgemeinen Sicherheitshinweisen (siehe DGUV-I 201-011). Der Benutzer kann so erkennen, ob das Gerüst sicher benutzt werden kann. Sind bestimmte Teile eines Gerüsts nicht benutzbar, so müssen sie mit dem Verbotszeichen „Zutritt verboten“ gekennzeichnet und durch Absperrungen abgegrenzt sein.
Arbeitsbühnen: Neben Leitern und Gerüsten kommen auch Arbeitsbühnen wie Hebebühnen (sie können ausschließlich in vertikaler Richtung bewegt werden) oder Hubarbeitsbühnen zum Einsatz. Nach jedem Aufstellen muss eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden, Standfestigkeit ist auch hier ein wesentliches Kriterium. Arbeitsbühnen dürfen nur durch unterwiesene Personen bedient werden, für Hubarbeitsbühnen ist ein Bedienerausweis erforderlich. Der Arbeitgeber darf nur geeignete Personen mit dem Bedienen beauftragen. Hebebühnen müssen jährlich durch eine sachkundige Person geprüft werden, die Prüfung wird im Prüfbuch dokumentiert (Hebebühnen siehe DGUV-R 100-500, Kap. 2.10).
Die Neufassung der BetrSichV fordert, dass physische Belastungen ermittelt werden. Geeignete Maßnahmen bei Zwangshaltungen können unter anderem sein, kurze Pausen einzulegen und wechselnde Tätigkeiten auszuführen. Neben körperlicher Belastung muss auch die psychische Belastung bei der Verwendung von Arbeitsmitteln betrachtet werden: Arbeiten unter Zeitdruck, Lärm auf der Baustelle sowie Hitze bzw. Kälte können die psychische Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigen. Wirksame Maßnahmen können unter anderem eine angemessene Zeitplanung, Einsatz lärmarmer Geräte sowie geeignete Arbeitskleidung sein.
Unfälle und Unfallanalyse
Unfälle ereignen sich in der Branche vielfach auch:
- beim Benutzen von Leitern und Gerüsten
- bei Arbeiten am heißen Brenner
- beim Schweißen
Typische Verletzungen sind daher Quetschungen, Verstauchungen, Brüche und Verbrennungen. Die neue BetrSichV fordert, dass beim Umgang mit Arbeitsmitteln zusätzlich besondere Unfallschwerpunkte berücksichtigt werden:
- vorhersehbare Betriebsstörungen und Maßnahmen zum Beseitigen der Störung
- besondere Betriebszustände
- Ingangsetzen oder Stillsetzen von Arbeitsmitteln
- Instandhaltung und Ändern von Arbeitsmitteln
Beinahe-Unfälle liefern wichtige Hinweise auf Unfallgefahren. Nach einem Unfall ist die Unfallanalyse das geeignete Werkzeug, um Gefährdungen zu ermitteln und damit Unfallschwerpunkte, auch besondere, im Unternehmen zu erkennen. Vorlagen zur Unfallanalyse können selbst erstellt oder heruntergeladen werden (Berufsverband, Berufsgenossenschaft).
Fazit
Mit der neuen Betriebssicherheitsverordnung soll Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit verbessert werden. Der demografische Wandel fordert Unternehmer, denn zunehmend ältere Belegschaften müssen den wirtschaftlichen Erfolg sichern. Wesentliche Elemente dafür sind:
- Physische und psychische Belastungen erkennen und vermeiden bzw. verringern.
- Arbeitsmittel und Arbeitsplätze alters- und alternsgerecht gestalten.
- Unfallgefahren, einschließlich besondere Unfallschwerpunkte ermitteln und wirksame Maßnahmen umsetzen.
- Prüfungen regelmäßig durch geeignete Personen durchführen.
In Verbindung mit Arbeitsschutzgesetz und Arbeitsstättenverordnung liefert die neue BetrSichV dazu wichtige Hinweise.
Extras
Den direkten Link zu Umsetzungshilfen und Formblättern zur Gefährdungsbeurteilung für nichtstationäre Arbeitsplätze (z. B. Baustellen), finden Sie unter:
Checkliste
Unfallanalyse in sechs Schritten
1. Unfalluntersuchung
a. So schnell wie möglich durchführen,
damit andere geschützt werden können,
das Geschehen am Besten erinnert wird und
ggf. Beweismittel noch vorhanden sind.
b. An der Untersuchung beteiligte Personen sind i.A.: verunfallte Person (wenn möglich), direkter Vorgesetzter, Unfallzeugen, Sicherheitsbeauftagte/r, Fachkraft für Arbeitssicherheit, evtl. Experten, Ersteller der Fehlerbaum-Analyse (Teambildung)
c. Informationen sammeln: Fotos, Unfallskizzen, Messungen, Beschreibungen des Unfallverlaufs, Auswertungen, Nachweise
2. Liste aller bekannten Fakten erstellen: objektiv und genau
3. Ursachen ermitteln, z. B. Fehler(ursachen)baum-Analyse oder Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (FMEA) durchführen:
a. Ausgangspunkt ermitteln und
b. Verbindung zwischen den Fakten prüfen,
c. dabei das Gesamtsystem betrachten und systematische Fehler berücksichtigen
4. Lösungen suchen, damit die Gefährdung zukünftig verhindert wird:
a. dauerhaft
b. keine anderen Gefährdungen verursachen
c. möglichst Ursache der Gefahr beseitigen
d. Top-Prinzip beachten
5. Maßnahmeplan erstellen und Prioritäten festlegen: wer, was, bis wann, womit
6. Kontrollieren, ob Maßnahmen umgesetzt und wirksam sind
Info
Das bringt die neue Arbeitsstättenverordnung
Seit 1. März 2015 ist die neue Arbeitsstättenverordnung in Kraft. Wesentliche Änderungen sind u. a.:
- Inhalte der Bildschirmarbeitsverordnung wurden integriert, damit werden Doppelregelungen aufgelöst. Eine Technische Regel zur Bildschirmarbeit wird folgen.
- Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung (§ 3) müssen neben physischen nun auch psychische Belastungen berücksichtigt werden: So können z. B. auch Lärm, räumliche Enge oder schlechte Beleuchtung zu psychischen Erkrankungen beitragen.
- Konkrete Regelungen zu Absturz sowie Anforderungen an erforderliche Schutzeinrichtungen wurden neu aufgenommen. Eine Gefährdung besteht ab einer Absturzhöhe von 1 m.
- Für Arbeitsplätze wird nun grundsätzlich eine Sichtverbindung nach außen gefordert. Ausnahmen sind eindeutig geregelt und gelten u.a. für Kaufhäuser, Einkaufszentren, Schank- und Speisegaststätten.
- Ein neuer Paragraph zur Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten wurde aufgenommen.
SBZ Tipp
Sechs-Punkte-Plan für sicheres Arbeiten
1. Vor Arbeitsbeginn alle Arbeitsmittel auf offensichtliche Mängel hin kontrollieren und zwar durch Inaugenscheinnahme oder falls erforderlich durch eine Funktionskontrolle.
2. Stolperfallen im Arbeitsbereich beseitigen.
3. Lasten bis 15 kg mit leicht gebeugten Knien aufnehmen, für schwere Lasten ab 15 kg möglichst Hebehilfen benutzen.
4. Krane nur durch unterwiesene Person bedienen.
5. Beim Aufstellen von Leitern, Gerüsten und Arbeitsbühnen für sicheren Stand sorgen.
6. Bei Arbeiten über Kopf, verdrehter oder gebeugter Haltung (Zwangshaltungen) öfter kurze Pausen einlegen oder Tätigkeiten wechseln.
Autoren
Dr. Josef Sauer ist Fachkraft für Arbeitssicherheit, geschäftsführender Gesellschafter der Qumsult GbR und Mitherausgeber Haufe-Verlag, Redaktion Arbeitsschutz, 79098 Freiburg, Telefon (07 61) 2 92 86 10, E-Mail: info@qumsult.de
Dipl.-Biol. Bettina Huck ist Autorin für Qumsult sowie für Arbeitsschutzprodukte Haufe-Verlag, 79098 Freiburg, Telefon (07 61) 2 92 86 10, E-Mail: info@qumsult.de