Das Obergeschoss im Haupthaus eines Vierseithofes von etwa 1870 wurde nach und nach ausgebaut. Zu Beginn gab es in der Etage neben einem einzelnen einfachen Gästezimmer nur Bodenkammern, welche jahrzehntelang als Werkstatt, Getreide- und Düngerlager sowie Abstellräume genutzt worden waren.
Einer dieser Räume sollte das neue Familienbad beherbergen. Boden und Decke waren aufgrund der vorherigen Nutzung bereits massiv in Beton ausgeführt, sodass für die Badinstallationen und Fliesenarbeiten die Herausforderungen einer Holzbalkendecke wegfielen. Dafür war mit einer geringen Deckenhöhe zu planen, dabei aber der Wunsch nach Fußbodenheizung und bodengleicher Dusche zu berücksichtigen. Für die wasserführende Fußbodenheizung wurde daher ein System mit geringer Aufbauhöhe verwendet; die Abläufe von Dusche und Wanne konnten durch die Verlegung von Fallrohr und Leitungen innerhalb des angrenzenden Stallgebäudes realisiert werden.
Die Proportionen im Raum wurden durch eine geringe Höhe der Vorwandschale optisch verbessert: Fliesenabsatz, Trennwand zur Dusche und bestimmte Linien der Einbaumöbel liegen einheitlich auf 1,10 m.
Das Farb- und Materialkonzept kombiniert historisch bewährte Baustoffe mit klaren, zeitgemäßen Formen. Die Decke wurde mit Kalkputz versehen, alle ungefliesten Wandbereiche mit Lehm. Der warme Ton vermittelt Natürlichkeit und stellt eine Verbindung zu den Lehmgefachen im aufgearbeiteten Innenfachwerk in den restlichen Bereichen der Etage her. Weiße Wandfliesen im Format 30 x 60 cm reflektieren einen Teil des Lichts, das durch das einzige, bodentief vergrößerte Fenster in den Raum fällt.
Ein gestalterisch mutiges Statement sind die schwarzen Flächen der Einbaumöbel. Sie sind aus lackiertem, schwarzem MDF gefertigt und korrespondieren mit dem matten Anthrazit der Bodenfliesen, während die weißen Möbelteile im oberen Bereich die Wirkung der weißen Fliesenflächen unterstützen. Der Kontrast zwischen Weiß und Schwarz wird erneut im dekorativen Fliesenteppich der gemusterten Fliesen aufgegriffen. Sie sind in der Region gefertigt; Viele Häuser in der Umgebung, so auch das der Baufamilie, weisen in Fluren, Küchen und Bädern noch alte Bestände von dieser Manufaktur auf. So war die Entscheidung dafür eine bewusste Hommage an die historische Bausubstanz.
Übrigens: Für die Fliesenverlegung wurde das Fugenraster akribisch aufeinander abgestimmt. So treffen trotz der unterschiedlichen Formate an der Wand und am Boden die Linien passgenau aufeinander.
Der Waschtisch ist eine komplette Tischleranfertigung. Das familientauglich breite Waschbecken ist aus weißem Mineralwerkstoff hergestellt; die Ablagen darüber sind ebenfalls aus diesem Material und somit wasserresistent und pflegeleicht zu reinigen. Sie bieten einen optisch gerahmten Platz für Zubehör und erzeugen so eine aufgeräumte Atmosphäre. In vier Auszügen im Unterschrank gibt es reichlich Stauraum, im Spiegelschrank einzelne individuelle Fächer für den täglichen schnellen Zugriff zu Kosmetik und Rasierzubehör.
Der Schrank am WC ist „minutiös“ geplant: In ihm verstecken sich der Abfallbehälter, die WC-Bürste sowie Stauraum für Toilettenpapier und Hygieneartikel. In den offenen Fächern wurden passgenau ein Rollenhalter sowie ein Radio eingeplant.
Beide Schränke stehen auf gefliesten Sockeln, die aus Wedi-Platten konstruiert sind. Diese nehmen nicht nur die Zu- und Abflussleitungen auf, sondern dienen auch als wasserresistente Möbelsockel. So können die Möbel bei der Bodenpflege keinen Schaden nehmen. Der Absatz am Fenster wurde bewusst in Kauf genommen und ist ein beliebter Sitzplatz der Kinder.
Die Einbauwanne wurde individuell mit tischlergefertigten, lackierten MDF-Platten passend zu den Schränken verkleidet. Trotz Abweichen vom Prinzip der Fliesensockel hält der Zweikomponentenlack dem Wischen ohne Abstriche stand. Die Verkleidung ist reversibel mit starken Magneten montiert und kann im Bedarfsfall mittels professionellen Plattenträgern mit Saugnapf geöffnet werden. Der begehbare Duschbereich bietet mit ca. 1,20 x 1,80 m komfortabel Platz – zusammen mit dem Freiraum neben dem WC ist hier bereits ein barrierearmes Umfeld vorgedacht.
Die Wandleuchten erzeugen eine warme, entspannende Lichtstimmung. Durch Klappen der quadratischen Schirme lässt sich die Beleuchtung variieren. Die Spiegelleuchten am Waschtisch beleuchten das Gesicht vorteilhaft von der Seite. Sie lassen sich für eine besonders heimelige Atmosphäre separat ausschalten. Für ganz praktisches helles Licht sorgt die Deckenleuchte. Schalter und Steckdosen sind als einziges historisierend-nostalgisches Element in Bakelit gewählt worden.
Die liebevoll aufgearbeitete historische Kassettentür mit dem Kastenschloss stellt den Bezug zur Bausubstanz her. Dabei ist das wieder angebrachte Bediensteten-Schild ein ganz besonderer persönlicher Hinweis auf die frühere Nutzung, eine Reminiszenz an die im Gebäude unsichtbar enthaltenen individuellen Geschichten. Beim Bauen im Bestand wird dies auch gern als „Goldene Energie“ bezeichnet.
Verwendete Produkte
Bodenfliesen: Zahna
Wandfliesen: Kerateam
Armaturen Waschtisch: Steinberg
Spiegel- und Wandleuchten: Mawa
Wanne: Villeroy & Boch
Randloses WC: Keramag/Geberit
Fußbodenheizung: Roth Werke
Schalter und Steckdosen: THPG
Möbel, Wandschrank und Wannenumhausung: Tischleranfertigung
Das Projekt gewann in der Kategorie „Special Award Bathroom” den Finest Interior Award 2015 und erzielte eine „Special Mention” beim „Deutsche Fliese-Preis 2014“.
Lehm und Feuchte
Lehm im Bad kann besonders gut die Raumfeuchte regulieren. Es ist jedoch auch hier auf fachgerechte Verarbeitung, genügend Materialstärke, gute Trocknung nach dem Bau und passendes Lüftungsverhalten zu achten. Sehr kalte Wandecken oder nur dünn verputzte, ungedämmte Fensterlaibungen schimmeln sonst leicht, da Lehm oft auch organische Bestandteile enthält. Ebenso kann naturbelassener Lehm im Spritzbereich, z. B. am Waschtisch, mit der Zeit durch Wasserspritzer und Kalkränder ästhetisch beeinträchtigt werden. Einer Renovierung mit Lehmfarbenanstrich steht aber nichts entgegen. Für den direkten Duschbereich ist Lehmputz nicht geeignet.