Die Nachfrage nach Nachwuchs ist im Bau- und Ausbausektor so ungebrochen groß, dass der Bedarf an Fachkräften und Lehrlingen das begrenzte Angebot an freien Mitarbeitern regelmäßig übersteigt. So rangiert gerade das SHK-Handwerk bereits seit Jahren konstant unter den Top Ten der Berufszweige mit dem größten Fachkräftemangel in Deutschland.
Die Gründe hierfür sind so vielschichtig, dass einfache Antworten und Lösungsvorschläge nicht möglich sind. Fakt ist jedoch, dass es ohne steigende Ausbildungszahlen und eine dauerhafte Weiterbeschäftigung der ausgebildeten Mitarbeiter zukünftig nur schwer möglich sein wird, die benötigten Fachkräfte vorzuhalten.
Gleichzeitig weisen nicht wenige Betriebe zunehmend auf Probleme im Hinblick auf die Gewinnung geeigneter Lehrlinge hin. Hierbei werden neben rein quantitativen Kriterien häufig auch qualitative Defizite ins Feld geführt. Immer wieder wird dabei die Frage nach der tatsächlichen Ausbildungsfähigkeit der jungen Generation gestellt. Diese Frage mag in Einzelfällen durchaus berechtigt sein, allerdings könnten die Gründe für das „Nichterreichen“ der jungen Generation auch tiefer liegen.
Speziell vor dem Hintergrund des akuten Nachwuchs- und Fachkräfteproblems in der SHK-Branche lohnt es sich daher, einen Blick hinter die Fassaden der jungen Generation zu werfen, die wahren Wertvorstellungen und Motive zu erkennen und daraus strategische Schlüsse für die Ansprache und Führung der jungen Menschen zu ziehen.
Immer wieder trifft man auf frustrierte Inhaber und Ausbilder, die sich über den scheinbaren Werte- und Motivationsverfall ihrer jungen Mitarbeiter beklagen. Dass dieses Phänomen nicht neu, sondern bereits seit Tausenden von Jahren aktuell ist und sich von Generation zu Generation wiederholt, zeigen beispielsweise folgende Zitate:
„Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“ (ca. 3000 v. Chr., Tontafel der Sumerer).
„Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten“ (ca. 1000 v. Chr., babylonische Tontafel).
„Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer“ (469 bis 399 v. Chr., Sokrates).
Auch aktuell sind die Meinungen der älteren Generationen über die Jugendlichen von heute gespickt mit Vorurteilen. Die jungen Leute …
- hängen den ganzen Tag nur am Smartphone
- sind lieber Weltenbummler als zielstrebig
- sind chronisch unentschlossen und wissen nur, was sie nicht wollen
- sind eigentlich ausbildungsunfähig
- sind nicht mehr belastbar.
Aber, und das ist das Entscheidende, alles Jammern und Klagen bringt nichts, denn wir haben nur diese eine Jugend zur Verfügung! Deshalb gilt es, weniger auf die scheinbaren Defizite zu schauen, als vielmehr die vorhandenen (neuen) Potenziale der jungen Generation zu entdecken, für die betriebliche Praxis zu nutzen und so das Optimum für Mitarbeiter und Betrieb zu erreichen.
Unabhängig von den sich hartnäckig haltenden Vorurteilen über die Jugend von heute lohnt sich deshalb ein Blick auf folgende Fragen:
Wie ticken die aktuellen Generationen Y und Z wirklich?
Wer sind die Leute, die den Arbeitsmarkt zunehmend umgestalten?
Welche Potenziale für das Handwerk bringen sie mit?
Wie kann eine Einbindung dieser Generationen in die Betriebe erfolgreich gelingen?
Welche (neuen) Wege müssen die Unternehmen dafür gehen?
Um die Generation Z richtig einordnen und verstehen zu können, lohnt sich zunächst ein Blick auf deren unmittelbare Vorgänger-Generation Y.
Die Generation Y
Als Generation Y (kurz Gen Y) wird die Generation verstanden, die im Zeitraum von etwa 1980 bis 1999 geboren wurde.
In manchen Quellen wird diese Generation auch als Millennials (deutsch etwa „die Jahrtausender“) bezeichnet und kann als die erste Generation der „Digital Natives“ betrachtet werden. Die Generation Y wurde unter anderem auch als „Abwarter“ und „Unentschlossene“ charakterisiert sowie als „Zögerer und Zauderer“. Sie war mit der schieren Unendlichkeit an privaten und beruflichen Möglichkeiten nicht selten überfordert. Diese Generation wurde in eine Epoche politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten hineingeboren und wuchs in einer Zeit auf, als Arbeits- und Ausbildungsplätze sehr knapp waren und die digitale Revolution begann. Die Jugendlichen der Generation Y waren nicht selten unsicher, ängstlich, unglücklich und hinterfragten so gut wie alles, worauf auch der Buchstabe Y (englisch why: warum) verweisen soll.
Generell gilt die Generation Y als gut ausgebildet. Sie zeichnet sich durch einen technologieaffinen Lebensstil aus. Insbesondere handelt es sich um die erste Generation, die größtenteils in einem Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen ist.
Tendenziell arbeiten die Vertreter dieser Generation lieber in (virtuellen) Teams als in tiefen Hierarchien. Ebenso rücken anstelle von Status und Prestige vermehrt die Freude an der Arbeit sowie die Sinnsuche ins Zentrum der Prioritätenskala.
Mehr Freiräume, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sowie mehr Zeit für Familie und Freizeit sind zentrale Forderungen der Generation Y. Sie will dem Beruf nicht mehr alles unterordnen, sondern fordert eine Balance zwischen Beruf und Freizeit. Dies bedeutet, dass der Spaß für die Generation Y nicht erst nach der Arbeit beginnt, sondern sie möchte schon während der Arbeit glücklich sein – durch einen Job, der ihr einen Sinn bietet.
Die Generation Z
Davon unterscheidet sich die Generation Z als jüngste Generation ungefähr ab der Jahrtausendwende (2000 bis heute). Personen der Generation Z sind wegen des selbstverständlichen Gebrauchs von digitalen Technologien, wie Internet, MP3-Player, SMS, Smartphones und Messenger-Diensten, Angehörige der Digital Natives und damit deren zweite Generation.
Die vorhergehende Generation Y wurde im frühen jugendlichen Alter digital sozialisiert und war deren Pioniergeneration. Da Kleinkinder heute schon im frühen Alter mit Smartphones, Tablet-PCs, Konsolen und anderem in Kontakt kommen, durchlaufen sie aktuell eine andere Entwicklung als Kinder der Generation Y zuvor, die derartige Geräte erst später kennenlernten.
Im Gegensatz zur Generation Y ist die Generation Z auffällig selbstbewusst, hat hohe Ansprüche an die Arbeitgeber und legt ebenfalls großen Wert auf Freizeit. Eine Vereinbarkeit von Arbeit und Leben wird in hohem Maße angestrebt.
Die weltweiten Krisen und Spannungen sowie die Dominanz der Digitalisierung sind nach wie vor beherrschend. Dennoch ist „Ängstlichkeit“ für die Generation Z ein Fremdwort geworden. Die Jugendlichen lassen sich nicht sehr viel gefallen und bekommen auch häufig, was sie fordern. Sie sind in einer eher stabilen wirtschaftlichen Lage groß geworden und haben keine größeren Sorgen mehr, einen Ausbildungsplatz bzw. Beruf zu bekommen.
Sicherheit im Beruf gewünscht
Die Vertreter der Generation Z sind nicht nur selbstsicher, sondern erwarten auch Sicherheit, vor allem im Beruf. So ist ein sicherer Arbeitsplatz nach wie vor ein Hauptargument für die Wahl des Arbeitsplatzes. Ebenso sind dieser Generation das Einbringen eigener Ideen sowie Sinnhaftigkeit und Erfüllung in der Arbeit wichtig. Vielen Vertretern dieser Generation genügt jedoch eine gewisse Absicherung, ohne sich zugleich vom Beruf „auffressen“ zu lassen.
Die gute konjunkturelle und demografische Entwicklung spielt ihnen in die Hände und das wissen sie ganz genau. Die Angst, auf der Strecke zu bleiben oder nicht gut genug für den Arbeitsmarkt zu sein, ist weg. Kurz: Wer einigermaßen clever ist, wird mit großer Sicherheit Arbeit finden und gebraucht.
Dennoch ist vielen die persönliche Karriere zweitrangig, was nicht bedeutet, dass die Jugend von heute faul wäre. Man will sich einfach nicht mehr vom Beruf vereinnahmen lassen, wie dies in den Vorgängergenerationen vielfach der Fall war.
Neben der grundsätzlichen Absicherung ist vielen die Möglichkeit, nicht immer und überall erreichbar zu sein, zunehmend wichtig, da sie digital aufgewachsen sind und den damit verbundenen Stress kennen.
Durch die von der Wiege auf vorhandene Berührung mit der Digitalisierung fühlen sich die Vertreter der Generation Z den anderen Generationen in diesem Punkt überlegen. Dies ist zugleich eines der größten Potenziale dieser Generation.
Digitalen Themen eher zugeneigt
Diese Jugendlichen haben zwar nicht automatisch eine digitale Fachkompetenz entwickelt, aber es liegt dennoch eine intuitive Fähigkeit für das Thema vor. Dementsprechend haben sie keine Angst vor der Digitalisierung, sondern sehen sie als Chance und nicht in erster Linie als Gefahr. Die Bereitschaft, sich auf neue digitale Entwicklungen einzulassen, ist wesentlich größer als bei den vorhergehenden Generationen.
Die Jugendlichen werden zugleich in Sachen Datenschutz oder Fake News immer kritischer, wobei sich diese kritische Haltung fast zwangsläufig auch auf andere Lebensbereiche überträgt. Es werden daher in Zukunft immer kritischere Töne von den „Jungen“ kommen, darauf müssen sich die Unternehmen einstellen. Die Generation Z muss sich nicht verbiegen, um ihre Ziele zu erreichen, und das merkt man gerade auch im betrieblichen Zusammenleben zunehmend.
Glaubt man darüber hinaus den Ergebnissen der im Jahr 2015 durchgeführten 17. Shell-Jugendstudie, sieht es in Sachen Werteorientierung bei den Vertretern der Generation Z gar nicht so schlecht aus, wie vielfach behauptet oder vermutet wird.
So ist für 90 % der Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren das Führen eines guten Familienlebens uneingeschränkt wichtig. Ebenso erachten es 84 % als wichtig, Gesetz und Ordnung zu respektieren, und immerhin 82 % sehen es als wichtig an, ehrgeizig und fleißig zu sein. Hohe Wichtigkeitswerte in Sachen „umweltbewusstes Verhalten“ (66 %) sowie „Hilfsbereitschaft gegenüber sozial benachteiligten Randgruppen“ (60 %) runden das positive Gesamtbild ab.
Gleichzeitig bestehen vor allem Ängste im Hinblick auf mögliche Terroranschläge (73 %) sowie vor einem Krieg in Europa (62 %), während die Angst vor einer möglichen Arbeitslosigkeit mit lediglich 48 % vergleichsweise gering ausfällt.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die Jugend hat eine positive Grundhaltung und blickt insgesamt optimistisch in die Zukunft. Lediglich die Zuversicht der Jugendlichen aus sozial schwachen Schichten stagniert. Die Jugendlichen haben hohe Berufserwartungen und Ansprüche an ihre Arbeitgeber, wobei ein sicherer Arbeitsplatz nach wie vor wichtig ist.
Die Jugendlichen haben darüber hinaus ein insgesamt stabiles Wertesystem: Freundschaft, Partnerschaft und Familie stehen dabei an erster Stelle. Von dem vielfach heraufbeschworenen „kollektiven Werteverfall“ kann keineswegs die Rede sein. In der nächsten Ausgabe der SBZ (14. Dezember) stellen wir vor, wie diese Erkenntnisse zur Mitarbeiterführung genutzt werden.
Autor
Dipl.-Betriebswirt (FH) Albrecht Oesterle ist Referatsleiter Betriebswirtschaft beim Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden-Württemberg. info@fvshkbw.de www.fvshkbw.de