Zunächst ist nochmals festzuhalten, dass nach der gesetzlichen Übergangsregelung alle nachfolgend beschriebenen Neuregelungen erst für alle ab dem 1. Januar 2018 abgeschlossenen Kauf- , Werk- oder Bauverträge, die auch erst ab dem 1. Januar 2018 ausgeführt werden, gelten. Für alle vorher abgeschlossenen Werk- und Bauverträge gilt daher – auch bei Ausführung ab 2018 – weiterhin das „alte“ Recht 2017.
1. Werkvertragsrecht gilt auch für Bauverträge
Wie bereits im ersten Teil der Artikelserie im SBZ-Heft 1/2-2018 dargelegt, stellt der Bauvertrag gegenüber dem Werkvertrag nur die speziellere Form hinsichtlich der noch komplexeren Montagevorgänge mit noch höherwertigem Baumaterial dar. Infolgedessen sind also auch alle Vorschriften des Werkvertragsrechtes, sofern das gesetzliche Bauvertragsrecht zu identischen Regelungsbereichen keine abweichenden Sondervorschriften enthält, auch auf das Bauvertragsrecht anwendbar. Hierunter fallen daher insbesondere die folgenden Neuregelungen, die auch im BGB-Bauvertragsrecht Anwendung finden:
Erleichterte Abschlagsrechnung (§ 632a BGB) erfolgt nunmehr nach vereinbartem bzw. ausgewiesenem Werkleistungsinhalt und nicht mehr nur nach dem Wertzuwachs beim Kunden. Dies bringt insbesondere Vorteile für Sachverständige, die bei mehreren Ortsterminen ein Gesamtgutachten erstellen, und für die unmittelbare Abrechnung von vereinbarten bzw. ausgewiesenen Baustelleneinrichtungskosten.
Fiktive Abnahme (§ 640 Abs. 2 BGB): Problem bleibt hierbei, dass die Vorschrift leider dann nicht angewandt werden kann, wenn der Kunde innerhalb der vom Handwerker benannten Frist mindestens einen konkreten Mangel benennt (unabhängig davon, ob dieser in der Realität tatsächlich besteht oder nicht). Dies ist letztlich weiterhin nur durch Gutachten eines Sachverständigen zu klären.
Fristloses Kündigungsrecht (§ 648a BGB) beider Werkvertragsparteien war bisher nur in Extremfällen von der Rechtsprechung gewohnheitsrechtlich anerkannt. Nunmehr wird es darauf ankommen, dass durch sorgfältige, mangelfreie sowie rechtzeitige Vertragserfüllung des Handwerkers etwaige Schadensersatzpflichten oder „negative“ Kündigungsfolgen zulasten des Handwerkers möglichst vermieden werden.
Schriftorm bei Kündigungen von Bauverträgen (§ 650h BGB)
Bei der außerordentlichen Kündigung (§ 648a BGB) und der ordentlichen Kündigung (§ 648 BGB) eines Bauvertrages ist allerdings darauf zu achten, dass hierbei eine Kündigung nur in Schriftform vorgenommen werden kann (§ 650h BGB). Insoweit wird ein Gleichlauf mit den Regelungen der VOB/B bewirkt, bei denen die Kündigungen nach § 8 Abs. 5 VOB/B und § 9 Abs. 2 Satz 1 VOB/B ebenfalls dem Schriftformerfordernis unterliegen. Dies dient einerseits der Rechtssicherheit und Beweissicherung, andererseits aber auch dem Schutz vor Übereilung bei Gestaltungserklärungen.
Bei Kündigungen von Bauverträgen ist also insbesondere darauf zu achten, dass nur eine Erklärung, die mindestens eigenhändig durch Namensunterschrift der Vertragspartei ausgestaltet ist (§ 126 BGB), gültig ist. Insbesondere die allein durch E-Mail, SMS, WhatsApp oder mündlich ausgesprochene Kündigung ist daher unwirksam. Eine fristwahrende Vorabübersendung durch Fax ist möglich, sofern das unterschriebene Original per Brief noch hinterhergesandt wird und der Briefzugang nachgewiesen werden kann.
2. Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Bauvertrag
Die gesetzliche Definition des Bauvertrages in Abgrenzung zum Werkvertrag ist in § 650a BGB leider nicht sehr klar und deutlich ausgefallen, weil in den Gesetzesformulierungen an Terminologien der HOAI angeknüpft wird, die bisher im Werkvertragsrecht des BGB weder gebräuchlich waren noch von der Rechtsprechung in Musterurteilen hinreichend klar ausgestaltet worden sind.
Ein Bauvertrag liegt nach der gesetzlichen Definition vor, wenn eine Herstellung oder Neuherstellung oder Wiederherstellung eines Bauwerkes oder einer Außenanlage oder eines Teils davon vorliegt oder die Beseitigung bzw. der Umbau eines Bauwerkes oder einer Außenanlage oder eines Teils davon oder die Instandhaltung eines Bauwerkes, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist. Da diese Kriterien durch die Rechtsprechung nicht konkretisiert sind, ergeben sich Unsicherheiten bzw. Neuerungen in der Auslegung der Abgrenzungskriterien wie folgt:
Abgrenzung nach Verjährungskriterien: zwei Jahre oder fünf Jahre ?
Zahlreiche Stimmen in der Rechtsliteratur sowie der ZDH, ZVSHK sowie andere Bauausbauverbände stellen deshalb für die Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Bauvertrag auf die von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zur Verjährungsbestimmung der zweijährigen Frist in Abgrenzung zur fünfjährigen Frist bei der Verjährung von Mängelansprüchen im Werkvertragsrecht (§ 634a BGB) ab. Hierzu liegen einige Urteile der Rechtsprechung vor, die die Definition des Bauvertrages mit konkreten Fallbeispielen ermöglicht. Ob die Gerichte diese Abgrenzungskriterien übernehmen werden, bleibt jedoch im Einzelfall abzuwarten.
Verjährung von fünf Jahren im Werkvertrag „ergibt“ Bauvertrag
Die Rechtsprechung hat unter anderem in den nachfolgenden Fällen eine werkvertragliche Verjährungsfrist von fünf Jahren bejaht, woraus – folgt man der vorstehenden Definition – die Annahme eines Bauvertrages abgeleitet werden kann:
- Dachisolierung mit fehlerhaften Unterschäumen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 1990 – 23 U 14/89)
- Dachreparatur: Erneuerung des Schieferbelags auf der Dachfläche (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1955 – VI ZR 246/54, BGHZ 19, 319-326)
- Gasrohrnetz bis zum Hausanschluss (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – VII ZR 45/92, BGHZ 121, 94)
- Heizöltank (unterirdisch): Leckschutzverkleidung in einem Öltank des Hauses, die über die bloße Instandsetzung hinausgeht, wobei der Öltank angeschlossen sein muss (OLG Hamm, Urteil vom 22. März 1995 – 12 U 97/94, NJW-RR 96,919)
- Heizungsanlage: umfassende Sanierung, die sich auf die wesentlichen Teile der Heizungsanlage erstreckt und dabei insbesondere auch in die Bauwerkssubstanz eingreift (umfassende Sanierung soll 20 bis 30 Jahre Ruhe in Sachen Heizung verschaffen) (vgl. OLG Köln, Urteil vom 20. März 2003 – 7 U 117/02)
- Heizungsanlage: Einbau einer kompletten Heizungsanlage (LG Frankfurt, Urteil vom 6. Mai 2011 – 2/09 S 52/10)
- Kachelofen: Einbau eines Kachelofens, falls es sich um eine fest eingebaute und zur Beheizung notwendige Einrichtung handelt (OLG Koblenz, Urteil vom 24. Februar 1994 – 5 U 1436/93, BauR 95, 395)
- Kaminanlage: Planung und Herstellung einer Kaminanlage (KL-Ofen) im Einfamilienhaus-Neubau (OLG Düsseldorf, 22 U 127/98, NJW-RR 99, 814)
- Klimaanlage: Einbau einer Klimaanlage in einer Druckerei (BGH, Urteil vom 22. November 1973 – VII ZR 217/71, NJW 74, 136)
- Ofen: Bauwerkvertrag über die Lieferung und den Einbau eines Specksteinofens (OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juli 2012 – 5 U 492/12)
- Rohrbrunnen: Bau eines tiefen Rohrbrunnens (BGHZ 57, 60)
- Technische Anlage: Einbau technischer Anlagen in ein Gebäude dann, wenn sie der Errichtung des Gebäudes dienen (BGH NJW 87, 837, BGH 4. Dezember 1986, VII ZR 354/85)
- Wintergarten auf Flachdach eines Wohnhauses (OLG Hamm 12 U 202/90)
- Belüftungsanlage und Entlüftungsanlage als wesentlicher Bestandteil (OLG Hamm, Urteil vom 26. November 1985 – 27 U 144/84)
- Elektroherde und Warmwasserbereiter: Es handelt sich bei den Warmwasserspeichern und Elektroherden um zur Herstellung eines Gebäudes eingefügte Sachen (BGH, Urteil vom 31. Oktober 1963 – VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272-282)
- Heizöltank (unterirdisch): Leckschutzverkleidung in einem Öltank des Hauses, die über die bloße Instandsetzung hinausgeht, wobei der Öltank angeschlossen sein muss (OLG Hamm, Urteil vom 22. März 1995 – 12 U 97/94, NJW-RR 96, 919)
- Ölheizungsanlage als wesentlicher Bestandteil eines Wohngebäudes (BGH, Urteil vom 13. März 1970 – V ZR 71/67, BGHZ 53, 324-327)
- Warmwasserbereiter/-speicher: siehe oben unter „Elektroherde“
- Zentralheizung: Einbau einer Zentralheizungsanlage (BGH NJW-RR 90, 158)
3. Einseitige Anordnungsrechte des Bestellers im Bauvertrag
In Abweichung zum bisherigen Konsensualprinzip, bei dem die Bauvertragsparteien die konkret vereinbarten Bauleistungsinhalte anhand eines vertraglich festgeschriebenen Angebotes bzw. Leistungsverzeichnisses nur einvernehmlich ändern und ergänzen konnten, werden nunmehr nach § 650b BGB einseitige Anordnungsrechte des Bestellers – allerdings nur im Bauvertrag, nicht im Werkvertrag allgemein – eingeführt. Bisher galt nur ausnahmsweise im geltenden Recht ein Anordnungsrecht des Bestellers, wenn anderweitig die Funktionalität der Bauleistung nicht hergestellt werden kann und die Änderungen der Bauleistungen für den Unternehmer zumutbar waren. Dies wird nun für alle ab 1. Januar 2018 abgeschlossenen Bauverträge zum Regelfall.
Bei den Anordnungsrechten des Bestellers nach § 650b BGB unterscheidet das Gesetz zwischen der „einfachen“ Bauleistungsänderung, die nicht notwendig ist, um Funktionalität und Mangelfreiheit des Werks zu gewährleisten (§ 650b Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der „notwendigen“ Bauleistungsänderung, die gerade notwendig ist, um Funktionalität und Mangelfreiheit des Werks zu gewährleisten (§ 650b Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Das neue gesetzliche Nachtragssystem geht weiterhin davon aus, dass vor Ausübung der Anordnungsänderungsrechte durch den Besteller der ausführende Unternehmer zeitnah im Regelfall ein konkretes Angebot mit Leistungsinhalten und Nachtragspreisen erstellt, der Besteller dies einsieht und sich die Parteien dann einvernehmlich, spätestens innerhalb von 30 Tagen, auf eine geänderte Bauleistung mit konkreten Preisen einigen. Kommt über die Art und Weise der Änderung oder den hierfür zu entrichtenden Werklohn keine Einigung zustande, können Besteller und/oder Unternehmer die Baukammern der Landgerichte durch einstweilige Verfügung in einem besonders beschleunigten Rechtsschutzverfahren anrufen.
Kosten- und zeitintensives Nachtragssystem im BGB-Bauvertragsrecht
Nachfolgend werden – zur Veranschaulichung des neuen Rechts 2018 – komplette Ablaufschemata für die Ausübung der Anordnungsrechte durch den Besteller in den beiden Fallgruppen dargestellt. Die beste Möglichkeit wird – wie auch bisher schon – darin bestehen, dass sich Besteller und Handwerker bei Auftreten von Nachtragssituationen unter Vorlage eines konkreten Nachtragsangebotes hinsichtlich der geänderten Bauleistung und der hierfür anfallenden Preise auf einen konkreten Nachtragsinhalt während der Bauphase einvernehmlich einigen.
Zu Beweiszwecken sollte diese Einigung auch schriftlich erfolgen. Derartige Einigungen sind – abweichend vom nachfolgenden schwerfälligen gesetzlichen Nachtragssystem – weiterhin anzustreben und mit den Kunden umzusetzen. Für diese Einigungen gelten insbesondere dann auch die nachfolgend genannten Fristen gerade nicht, sofern sich die Bauvertragsparteien einig sind und deshalb einvernehmlich geänderte Bauleistungen und die hierfür maßgeblichen Preise festlegen. Dies ist und bleibt der sinnvollste Weg.
Einfache und notwendige Anordnungsrechte des Bestellers
Die Anordnungsrechte des Bestellers bei „einfachen“ Bauleistungsänderungen ergeben sich unter Umständen einfach daraus, dass sich die Vorstellungen und Absichten des Bestellers zur Nutzung oder Ausgestaltung der Bauleistung geändert haben („Lifestyle“-Erwägungen).
Die Anordnungsrechte des Bestellers bei „notwendigen“ Bauleistungsänderungen ergeben sich zum Beispiel durch Änderungen der Rechtslage oder von Inhalten behördlicher Genehmigungen. Betroffen sind von den „notwendigen“ Bauleistungsänderungen auch Fälle, in denen die ursprüngliche Leistungsbeschreibung bzw. das zugrunde liegende Angebot lücken- oder fehlerhaft ist und ihre unveränderte Umsetzung daher in technischer Hinsicht nicht zu einem funktionstauglichen Bauwerk führen würde. Viele Abgrenzungsfragen im neuen Nachtragsrecht werden sich daher ohne technisches Know-how – möglicherweise auch ohne technische Sachverständigengutachten – allein mit rechtlichen Maßstäben nicht hinreichend rechtssicher lösen lassen.
Anordnung des Bestellers bei „einfachen“ Bauleistungsänderungen („Lifestyle“)
- Besteller äußert formfrei Änderungswunsch über „einfache“( technisch, funktional oder vollständigkeitshalber nicht „notwendige“) Bauleistungsänderungen („Lifestyle-Wünsche“ des Bestellers)
- Unternehmer prüft Zumutbarkeit des Änderungswunsches
- Ist der Unternehmer wegen der Unzumutbarkeit „sicher“: formfrei geäußerter Änderungswunsch des Bestellers muss nicht ausgeführt werden
- Bejaht der Unternehmer die Zumutbarkeit: Unternehmer erstellt ein Angebot über die Mehrkosten (Nachtragsvergütung). Wenn der Besteller die Planung übernommen hat, hat der Besteller auch eine ggf. notwendige Ergänzungsplanung vorab zu „liefern“.
- Liegt keine Unzumutbarkeit vor oder kann der Unternehmer die Unzumutbarkeit nicht hinreichend nachweisen: Einigungsversuch über Angebot binnen 30 Tagen
- Im Falle des Scheiterns: 30 Tage nach Zugang des formfreien Änderungswunsches: Änderungsanordnung des Bestellers, die in Textform (§ 126b BGB) auszuüben ist
- Nach formgerechter Ausübung der Änderungsanordnung: Unternehmer führt die geänderte Bauleistung aus oder Landgericht entscheidet durch einstweilige Verfügung über Preise oder Art und Umfang der Änderung oder beide Parteien einigen sich freiwillig früher auf eine konkrete geänderte Bauleistung und die geänderten Preise (ohne Änderungsanordnung des Bestellers)
Zumutbarkeitskriterien für „einfache“ Bauleistungsänderungen („Lifestyle“) nur schwer zu bestimmen
Das Zumutbarkeitskriterium aufseiten des Unternehmers kann beispielsweise die technischen Möglichkeiten, die Ausstattung des Betriebes und die Qualifikation der Mitarbeiter des Unternehmers betreffen. Bei der Abwägung, welche Leistungen für den Unternehmer zumutbar sind, sind die Interessen beider Parteien zu berücksichtigen und müssen in einem ausgewogenen Verhältnis in die Bewertung einfließen. Zu berücksichtigen ist einerseits, dass der Unternehmer durch die Anordnungen zu Leistungen verpflichtet wird, die nicht zur ursprünglichen Vereinbarung der Parteien gehören.
Die Schwelle für die Unzumutbarkeit einer Anordnung ist daher sachlogsisch unterhalb der des allgemeinen Leistungsverweigerungsrechtes wegen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2 und 3 BGB) zu sehen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass beide Vertragsparteien in dem Stadium der Abwicklung des Bauvertrages bereits aneinander gebunden sind und ein Wechsel des Vertragspartners für den Besteller daher nur schwer möglich und mit hohen Kosten verbunden ist.
Anordnung des Bestellers bei technisch oder funktional „notwendigen“ Bauleistungsänderungen
- Besteller äußert formfrei Änderungswunsch über „notwendige“ Bauleistungsänderung, deren Notwendigkeit sich aus Technik, Vollständigkeit oder Funktionalität ergeben kann
- Unternehmer prüft die Notwendigkeit der Bauleistungsänderung hinsichtlich Technik, Vollständigkeit oder Funktionalität
- Bejaht der Unternehmer die Notwendigkeit der Bauleistungsänderung, erstellt der Unternehmer ein Angebot über die Mehrkosten (Nachtragsvergütung). Dabei gilt: Wenn der Besteller die Planung übernommen hat, bleiben die Kosten des Nachtrags immer beim Besteller und er hat eine ggf. notwendige Ergänzungsplanung zu „liefern“. Wenn aber der Unternehmer die Planung durch detaillierte Angebotserstellung selbst übernommen hat, wird von der Rechtsliteratur die vollständige Kostenübernahme für die Nachträge durch den Besteller infrage gestellt. In der Fallgruppe des Globalpauschalpreisvertrages ist es sehr wahrscheinlich, dass sich diese Literaturmeinung auch in der Rechtsprechung durchsetzen wird. Es ist daher in Zukunft noch wichtiger, Angebote sachgerecht und auskömmlich zu kalkulieren, um derartige Kostenrisiken auszuschließen
- Einigungsversuch über Angebot binnen 30 Tagen
- Im Falle des Scheiterns: 30 Tage nach Zugang des formfreien Änderungswunsches: Änderungsanordnung des Bestellers, die in Textform (§ 126b BGB) auszuüben ist
- Nach formgerechter Ausübung der Änderungsanordnung: Unternehmer führt die geänderte Bauleistung aus oder Landgericht entscheidet durch einstweilige Verfügung über Preise oder Art und Umfang der Änderung oder beide Parteien einigen sich freiwillig früher auf eine konkrete geänderte Bauleistung und die geänderten Preise (ohne Änderungsanordnung des Bestellers)
Formvorschrift für die Ausübung des Anordnungsrechtes: Textform (§ 126b BGB)
Bei der Anordnung des Änderungsrechtes geht der Gesetzgeber – nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung – davon aus, dass sich bei Missachtung der Textform nach § 126b BGB der Besteller auch nach Einbringung der geänderten Leistung auf Nichteinhaltung der Formvorschrift berufen kann, also auf die Nichtigkeit seiner eigenen Änderungsanordnung des Bestellers nach § 125 BGB. Analog der bisherigen Rechtsprechung zur Formnichtigkeit von Rechtsgeschäften wird es aber hierbei in Zukunft Fälle geben, in denen so weit kein Schutzbedürfnis oder sogar Rechtsmissbrauch besteht.
4. Berechnung der Nachtragsvergütung
Die Grundsätze der Nachtragsvergütung bekommen durch § 650c BGB eine ganz neue Struktur. Die Anspruchsgrundlage des § 650c BGB eröffnet dem Unternehmer für alle einzelnen Vergütungsanpassungen jeweils einzelner Änderungsanordnungen des Bestellers folgende Wahlmöglichkeiten zur Berechnung seiner Vergütung in jedem Einzelfall einer Änderung:
100% der betriebswirtschaftlich angemessenen Kosten (§ 650c Abs. 1 BGB)
Diese Abrechnung erfolgt nach den betriebswirtschaftlich tatsächlich erforderlichen Kosten. Die Mehrkosten werden als Differenz der tatsächlich erforderlichen Kosten für die ausgeführte Leistungsänderung und der tatsächlich erforderlichen Kosten für die ursprünglich vorgesehene Leistung berechnet. In den Kostenvergleich dürften auch die Baustellengemeinkosten fallen, weil sie Kosten der Herstellung sind. Hiernach dürfte es also nicht ausreichen, dass die für die entfallene Leistung kalkulierten Kosten abgezogen und sodann die tatsächlich erforderlichen Kosten ermittelt werden. Vielmehr müssen gerade hypothetisch diejenigen Kosten ermittelt und im Streitfall bewiesen werden, die tatsächlich bei unveränderter Leistung entstanden wären. Die Ermittlung der fiktiven ursprünglichen Kosten wird im Einzelfall nicht nur sehr aufwendig, sondern auch sehr streitanfällig sein.
Weiterhin unklar und sehr streitanfällig ist, nach welchen Kriterien die angemessene Höhe des Zuschlags für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn bestimmt wird. Der ursprünglich kalkulierte Zuschlag darf – wegen des Vermischungsverbotes – nicht ohne Weiteres einfach fortgeschrieben werden. Die maßgeblichen Kriterien werden allein betriebswirtschaftlich bestimmt und daher letztlich oft auch nur durch Sachverständigengutachten gelöst werden können.
100 % der Kosten bei hinterlegter aussagekräftiger Kalkulation (§ 650c Abs. 2 BGB)
Ist vom Unternehmer vor Ausführung des Bauvertrages eine aussagekräftige Urkalkulation beim Besteller hinterlegt worden und wurde dies im Bauvertrag vereinbart, kann er nach dieser Kalkulationsfortschreibung abrechnen.
Es wird hierbei vermutet, dass die so ermittelte Mehrvergütung derjenigen Mehrvergütung entspricht, die sich aus einer Abrechnung nach tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich der Zuschläge ergibt. Den Besteller trifft die Darlegungslast nach § 292 ZPO, diese Vermutung substanziert zu widerlegen, weil sie im Bauvertrag vereinbart worden ist.
80 % der Nachtragskosten als Abschlagsrechnung (§ 650c Abs. 3 BGB)
Der Unternehmer darf 80 % des von ihm erstellten Nachtragsangebotes für eine Änderung der Bauleistung als Abschlagszahlung in Ansatz bringen. Es spielt keine Rolle, dass eine Einigung über die Mehrvergütungsansprüche nicht zustande gekommen ist, zum Beispiel auch deshalb, weil der Besteller das Angebot gerade deshalb zurückgewiesen hat, weil es angeblich überhöht gewesen sei. Welche inhaltlichen Kriterien das Nachtragsangebot aufweisen muss, dass diese Berechnungsformel angewandt werden kann, ist nicht eindeutig im Gesetzeswortlaut geregelt. Jedenfalls müssen die Kosten mindestens aus dem Angebot nachvollziehbar entnehmbar sein und es muss eine Berechnung der Kosten nach den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entweder nach § 650c Abs. 1 BGB oder nach § 650c Abs. 2 BGB erfolgt sein.
Bezahlt der Besteller eine auf der Basis von 80 % des Nachtragsangebotes des Unternehmers erstellten Abschlagsrechnung, trägt der Unternehmer das Risiko dafür, dass sich bei der Überprüfung in der Schlussrechnung dann auch tatsächlich mindestens dieser Kostenanteil ergibt. War der vom Unternehmer in der Abschlagsrechnung angeforderte Zahlbetrag zu hoch, werden diese „überhöhten“ Zahlungen ab Zahlungseingang beim Unternehmer mit „Strafzinsen“ nach §§ 288, 289 BGB belegt. Eine gesetzliche Absicherung dieses Überzahlungsanspruches des Bestellers ist nicht vorgesehen.
5. Einstweilige Verfügung bei Baukammern der Landgerichte
Besteht infolge von Änderungsanordnungen des Bestellers weiterhin Streit zwischen Unternehmer und Besteller über die Höhe der Preise der Nachtragsvergütung oder die Art und den Umfang der durchzuführenden Änderung können beide Parteien – unabhängig vom Streitwert des jeweiligen Nachtrages – die ab 1. Januar 2018 eingerichteten Baukammern bei den Landgerichten (Spezialspruchkammern) mit einem einstweiligen Verfügungsverfahren befassen.
Da diese streitentscheidenden Fragen (Höhe der Preise sowie Art und Umfang der geänderten Bauleistung) in erster Linie von betriebswirtschaftlichen Grundsätzen oder technischen Einschätzungen hinsichtlich der Funktionalität und Fehlerfreiheit des zu errichtenden Baus abhängig sind, wird die jeweils antragstellende Partei einer einstweiligen Verfügung ihre Behauptungen mit präsenten Beweismitteln zur Überzeugung des Gerichtes vortragen. Hierfür dürften daher in erster Linie schriftliche Stellungnahmen von Betriebswirten und Technikern (sachverständigen Zeugen) oder von vereidigten Sachverständigen zu den streitentscheidenden Fragen in Betracht kommen.
6. Weitere wichtige Änderungen im Bauvertragsrecht
Die „neue“ Zustandsfeststellung für Bauleistungen (§ 650g BGB) gibt es für gekündigte Bauverträge oder solche, bei denen die Abnahme faktisch nicht durchgeführt werden kann, in zwei Varianten: als beidseitige Zustandsfeststelslung unter Teilnahme beider Bauvertragsparteien und als einseitige Zustandsfeststellung nur unter Teilnahme des Handwerkers. Dies stellt ein probates Mittel bei gekündigten Bauverträgen dar. Allerdings verbleiben die Probleme weiterhin, wenn Kunden die gesetzliche Zustandsfeststellung bewusst vereiteln.
Prüffähigkeit der BGB-Schlussrechnung im Bauvertrag (§ 650g Abs. 4 BGB): Ähnlich wie in der VOB/B schon immer, wird nun auch für die Schlussrechnung im Bauvertragsrecht das Kriterium der Prüffähigkeit der Rechnung eingeführt. Inwieweit hierbei an die teilweise „strenge“ Rechtsprechung zur Prüffähigkeit nach der VOB/B angeknüpft werden wird, bleibt abzuwarten. Eine nachvollziehbare Gegenüberstellung von Angebots- und Schlussrechnungspositionen sollte jedoch immer mindestens gewährleistet sein.
Die Bauhandwerkersicherungsbürgschaft (§ 650f BGB): Die bisherige Einschränkung der Bauhandwerkersicherung in § 648a BGB bei Privatkunden (Verbrauchern) auf Bauvorhaben, die „größer“ als Einfamilienhäuser mit oder ohne Einliegerwohnung waren, wird aufgehoben und der Sicherungsanspruch des Handwerkers auf alle Ansprüche aus Bauverträgen ausgeweitet.
Verschärfte Informationspflichten und Widerrufsrechte beim Verbraucherbauvertrag gelten nur im Schlüsselfertigbau (Alles-aus-einer-Hand-Leistungen eines Unternehmers nach § 650i BGB). Nach Auffassung des ZDH, des ZVSHK und der Bauausbauverbände betrifft der Regelungsbereich dieses Gesetzesabschnitts nach § 650i BGB nur diejenigen Bauverträge, bei denen eine Rechtsperson gegenüber Privatkunden in einem Gesamtvertrag einen schlüsselfertigen Hausbau auf dem bereits im Eigentum des Privatkunden stehenden Grundstück vornimmt. Bauleistungen von SHK-Betrieben sind im Regelfall nicht betroffen.
Info
Recht in zwei Teilen
Das umfassende neue Gesetzespaket zu Neuregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) betrifft im Kaufrecht sowie im Werkvertrags- und Baurecht die tägliche Praxis der SHK-Betriebe. Die SBZ geht auf Details und Hintergründe in einem zweiteiligen Beitrag ein.
- Teil 1: SBZ 1/2-2018: Das ändert sich 2018 bei Kunden- und Lieferantenverträgen
- Teil 2 lesen Sie gerade: Neues im BGB-Bauvertragsrecht
TIPP
So geht’s in der Praxis: Das neue Nachtragssystem für BGB-Bauverträge 2018
Ein vereinfachtes Schema zum neuen BGB-Nachtragssystem stellt die Handhabung dar.
Einseitige Änderungsanordnungsrechte des Bestellers im Bauvertrag
In Abweichung zum bisherigen Konsensualprinzip, bei dem die Bauvertragsparteien die konkret vereinbarten Bauleistungsinhalte anhand eines vertraglich festgeschriebenen Angebotes bzw. Leistungsverzeichnisses nur einvernehmlich ändern und ergänzen konnten, werden nunmehr nach § 650b BGB einseitige Anordnungsrechte des Bestellers – allerdings nur im Bauvertrag, nicht im Werkvertrag allgemein – eingeführt. Bisher galt nur ausnahmsweise im geltenden Recht ein Anordnungsrecht des Bestellers, wenn anderweitig die Funktionalität der Bauleistung nicht hergestellt werden kann und die Änderungen der Bauleistungen für den Unternehmer zumutbar waren. Dies wird nun für alle ab 1. Januar 2018 abgeschlossenen Bauverträge zum Regelfall.
Kosten- und zeitintensives Nachtragssystem im BGB-Bauvertragsrecht 2018
Nachfolgend werden die neuen gesetzlichen Voraussetzungen zur Ausübung der Anordnungsrechte durch den Besteller dargestellt. Vorausgeschickt sei jedoch: Die beste Möglichkeit wird – wie auch bisher schon – darin bestehen, dass sich Besteller und Handwerker bei Auftreten von Nachtragssituationen unter Vorlage eines konkreten Nachtragsangebotes hinsichtlich der geänderten Bauleistung und der hierfür anfallenden Preise auf einen konkreten Nachtragsinhalt während der Bauphase einvernehmlich einigen. Zu Beweiszwecken sollte diese Einigung auch schriftlich erfolgen. Derartige Einigungen sind – abweichend vom nachfolgenden schwerfälligen gesetzlichen Nachtragssystem – weiterhin anzustreben und mit den Kunden umzusetzen. Für diese Einigungen gelten insbesondere dann auch die nachfolgend genannten Fristen gerade nicht, sofern sich die Bauvertragsparteien einig sind und deshalb einvernehmlich geänderte Bauleistungen und die hierfür maßgeblichen Preise festlegen. Dies ist und bleibt der sinnvollste Weg.
Einfache und notwendige Anordnungsrechte des Bestellers
Bei den Anordnungsrechten des Bestellers nach § 650b BGB unterscheidet das Gesetz zwischen der „einfachen“ Bauleistungsänderung, die nicht notwendig ist, um Funktionalität und Mangelfreiheit des Werks zu gewährleisten (§ 650b Abs. 1 Nr. 1 BGB), und der „notwendigen“ Bauleistungsänderung, die gerade notwendig ist, um Funktionalität und Mangelfreiheit des Werks zu gewährleisten (§ 650b Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Verhandlungsphase zwischen den Parteien von höchstens 30 Tagen
Das neue gesetzliche Nachtragssystem geht weiterhin davon aus, dass vor Ausübung der Anordnungsänderungsrechte durch den Besteller der ausführende Unternehmer zeitnah ein konkretes Angebot mit Leistungsinhalten und Nachtragspreisen erstellt, der Besteller dies einsieht und sich die Parteien dann einvernehmlich, spätestens innerhalb von 30 Tagen, auf eine geänderte Bauleistung mit konkreten Preisen einigen. Kommt über die Art und Weise der Änderung oder den hierfür zu entrichtenden Werklohn keine Einigung zustande, können Besteller und/oder Unternehmer die Baukammern der Landgerichte durch einstweilige Verfügung in einem besonders beschleunigten Rechtsschutzverfahren anrufen.
Bei Nichteinigung der Parteien: einstweilige Verfügungen vor Baukammern der Landgerichte
Besteht infolge von Änderungsanordnungen des Bestellers weiterhin Streit zwischen Unternehmer und Besteller über die Höhe der Nachtragsvergütung oder die Art und den Umfang der durchzuführenden Änderung können beide Parteien – unabhängig vom Streitwert des jeweiligen Nachtrages – die ab 1. Januar 2018 eingerichteten Baukammern bei den Landgerichten (Spezialspruchkammern) mit einem einstweiligen Verfügungsverfahren befassen.
Autor
Assessor Matthias Bergmann ist Referent des Fachverbandes Sanitär Heizung Klima Baden-Württemberg in Stuttgart. Telefon (07 11) 48 30 91 E-Mail info@fvshkbw.de