Etwas mehr als 1 % der deutschen Haushalte verfügt derzeit über ein Dusch-WC. Aber es hat sich herumgesprochen und immer mehr haben es auch ausprobiert – das sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren, die man auch aus anderen Weltgegenden kennt.
Zum Vergleich: In Japan sind es fast 80 % und in der Schweiz immerhin noch etwa rund 10 % der Haushalte, die ihren Po mit Wasser aus solchen Geräten reinigen. Fakt ist: Das Dusch-WC ist das Produkt, mit dem die Branche wirklich neuen Markt machen und für echte Begeisterung beim Kunden sorgen kann. Sie darf es angesichts langer Anlaufkurven nicht vermasseln, denn auch Vertriebswegfremde interessieren sich für das Geschäft.
Das Dusch-WC kommt bei Kunden gut an
Was das Kundeninteresse betrifft, ermittelte 2018 eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag von Geberit, dass sich 41 % der Befragten ein Dusch-WC wünschen. Laut Kennzahlen der Querschiesser Unternehmensberatung wurden 2019 rund 81 000 Dusch-WCs verkauft. Die fünf Marken mit den größten Marktanteilen sind laut Querschiesser: Geberit (56 %), Toto (15 %), Duravit (8 %), Tece (6 %) und Grohe (3 %) – der Markt hat demzufolge eine leicht steigende Tendenz und einen eindeutigen Marktführer.
Aber warum diese Verzagtheit angesichts eines Bad-Renovierungsbooms? Ist der Verbraucher in Deutschland schlicht zu konservativ und mag sich nur schwer an eine Umstellung von Papier auf Wasser gewöhnen – allen Werbekampagnen und Marketingaktionen zum Trotz?
Fakt ist: Während in Asien Dusch-WCs „Brot-und-Butter-Produkte“ sind und zu günstigen Preisen verkauft werden, versuchten sich bisher die meisten europäischen Hersteller an eher hochpreisigen Lösungen und Premiumprodukten.
Bremsten Vorurteile gegenüber dem Dusch-WC die Verkäufe?
Viele Hersteller sind mit einem Produktverständnis in den Markt eingestiegen, das sich eher an asiatischen als an deutschen oder europäischen Vorstellungen in Sachen Dusch-WC-Hygiene orientierte. Auf die Verbraucher wurden zu den Anfangszeiten des Dusch-WCs hierzulande komplexe Technik, viel Elektronik, zahlreiche Spielereien und ein Design losgelassen, das eher an einen Raketensitz als an ein elegantes Design-WC erinnert – überspitzt formuliert.
Die Gründe dafür mögen in der Erfindung des Ur-Dusch-WCs des Schweizers Hans Maurer 1957 begründet sein: Er benötigte warmes Wasser auf den Punkt vor Ort, und zwar zu einer Zeit, als Zirkulationsleitungen noch unüblich waren. Wasser wurde seither elektrisch in einem Tank erwärmt und Richtung Gesäß gepumpt. Und da der Strom nun schon mal lag, wurden elektrische Trockner, automatisch öffnende WC-Sitze, Geruchsabsaugung bzw. Filterung, Fernbedienung und mehr angeflanscht. Maurers Erfindung wurde in Japan geklont und perfektioniert: Aus Japan wurde dann die Sitzheizung importiert, die dort in ungeheizten Toilettenräumen mit dünnen Wänden gute Dienste leistet. Hierzulande sind körperwarme WC-Brillen nicht unbedingt jedermanns Sache.
Mögen Kunden es lieber einfach?
Aber was wünscht eigentlich der Verbraucher, vor allem der heftig umworbene Badrenovierer aus der Alterskohorte 55+? Seine Motive sind Lebensqualität, gesundheitliche Vorsorge und die Bewahrung der Selbstständigkeit bis ins Alter. Er weiß, wenn er seine Körperhygiene aufgrund von Bewegungseinschränkungen nicht mehr selbst wahrnehmen kann, ist er ein Kandidat für die häusliche oder externe Pflege.
Aus seiner Lebenserfahrung bringt er hohe Erwartungen an Ästhetik, Komfort und Funktionalität mit. Zudem legt er Wert darauf, dass sich alles einfach sauber halten lässt, da jedes Bücken und Beugen mit zunehmendem Alter gern vermieden wird.
Die speziellen Lady-Düsen vieler Dusch-WCs für die erweiterte Reinigung des Intimbereichs werden übrigens von Frauen häufig eher kritisch gesehen: Wo kommt das Wasser her? Und war hier vorher ein stehpinkelnder Spritzer zu Gange? Kurz gesagt: Hygiene muss für diesen Nutzertypus in jeder Hinsicht einfach, sicher und intuitiv sein, sonst wird sie nicht praktiziert – und auch nicht gekauft.
Kauffaktor Gesundheit und Hygiene?
Aber auch wenn man die Zielgruppe verjüngt und sich auf den typischen Badrenovierer konzentriert, spielt sich das Gros des Marktes in der Altersklasse 45+ ab. Das sind die, die sich auf das Älterwerden vorbereiten und die erste Erfahrungen beim Proktologen gesammelt haben. Denn Hämorrhoiden sind in dieser Altersklasse eine Volkskrankheit und das Dusch-WC bringt hier echte Erleichterung. Auch wenn keiner (gern) darüber redet.
Für jeden Bedarf das passende Produkt
Die Branche hat es nach den geschilderten Anfängen mit komplizierter Technik und im Luxussegment aber heute geschafft, auf allen Komfort-, Ausstattungs- und Preisebenen jeweils ein – im Wortsinne – preis-wertes Angebot an Dusch-WCs zu unterbreiten. Und die Produkte sehen heute viel attraktiver aus als noch vor ein paar Jahren. Die Endkunden wollen Dusch-WCs, die weder nach Weltraum- noch nach Asia-Lösung aussehen – und diese Nachfrage können nahezu alle Markenhersteller über den Fachvertriebsweg „Handwerk“ heute bedienen.
Marktbeobachtungen zeigen allerdings auch: Wer sich in Handwerk und Ausstellung jahrelang mit dem alten, weiter oben zitierten Produktsortiment abgemüht hat, den beeinflussen alte Frusterfahrungen noch heute. Jetzt, wo der Markt reif scheint, könnte es zum Hindernis werden, wenn Vorurteile wie „Das verkauft sich bei uns nicht“ oder „Die Leute sind bei uns konservativer, das ist alles zu teuer“ gepflegt werden
würden.
Keine Badberatung ohne Dusch-WC
Es könnte passieren, dass das Dusch-WC in vielen Anwendungsfällen künftig zum Standard-WC wird – wie in Asien. Das bedeutet im Umkehrschluss: Das Dusch-WC müsste konsequent bei jeder Badberatung ins Spiel gebracht werden, jenseits von Fördermarken und Lieblingsherstellern. Schließlich ist jedes Dusch-WC die beste Werbung für dieses Produktsegment und zieht weitere Nachfrage nach sich. Vom Fachvertriebsweg erwartet der Kunde eine umfassende Beratung – auch zu Trends und auch in die Zukunft. Und in der Planung erwartet er, dass Stromkabel und Warmwasser immer am Spülkasten liegen – und sei es für eine Nachrüstlösung.
Die Branche muss über das Dusch-WC reden, denn es fokussiert nach heutigem Erkenntnisstand mehr Emotionen und Aufmerksamkeit als jedes andere Produkt in Bad und WC. Und jedes einzelne neu installierte Dusch-WC im Markt sorgt für Gesprächsstoff und für Begeisterung.
INFO
Unterschiede in Preis und Ausstattung
Gewaltig ist das Angebot gewachsen: Manche Modelle gleichen, viele ähneln sich. Aber Dusch-WC ist nicht gleich Dusch-WC. Neben dem Marktführer Geberit gibt es manche Produkte mit Alleinstellungsmerkmalen, die beim Endkunden verfangen können. Drei Beispiele von Markenherstellern aus dem Fach-Vertriebsweg.
Luxus aus Japan
Toto hat in Japan das Dusch-WC zum Standard gemacht. In Deutschland wollen die Japaner den Markt über das Premiumsegment erobern. Zum Beispiel mit dem Neorest Washlet AC 2.0. Zu einem Preis von rund 11 000 Euro demonstriert das Unternehmen, was die hochentwickelte japanische Badkultur heute in puncto Komfort, Funktion und Hygiene zu bieten hat: Selbstreinigende Eigenschaften, automatisierte Funktionen und sparsamer Umgang mit Wasser und Energie – für Endkunden ist dieses Dusch-WC ein Statussymbol.
Gehobenes Preissegment aus der Schweiz
Von der Schweizer Badmarke Laufen ist das Dusch-WC Cleanet Riva für rund 4000 Euro erhältlich. Es legt einen Schwerpunkt auf umfängliche Hygiene und Sauberkeit sowie intuitive Bedienung. Denn die Schweizer sagen: Hygiene ist ganzheitlich zu betrachten und beginnt nicht erst beim Sauberspülen des Hinterteils – das hier mit viel Wasser erfolgt, um gründliche Ergebnisse zu erzielen. Von außen betrachtet unterscheidet sich das Cleanet Riva nicht von einem klassischen Design-WC, lediglich ein Edelstahl-Drehknopf am WC-Sitz zeigt die zusätzliche Funktionalität an und bietet eine einfache Bedienung, mit der auch ältere Menschen gut zurechtkommen.
Design-WC mit Bidetfunktion
Der Hersteller Tece positioniert das Dusch-WC Tece-One als preisliche Alternative bzw. als Funktions-Upgrade zu herkömmlichen Design-WCs. Es beinhaltet eine Frischwasser-Duschfunktion, die rein hydraulisch funktioniert und ohne Strom auskommt – also ein echtes WC mit Bidetfunktion. Das Wasser kommt frisch und warm aus der Leitung, wird durch ein konventionelles Thermostat temperiert und der Duschstab fährt allein durch den Wasserdruck heraus. Seitliche Drehregler an der spülrandlosen Keramik steuern Temperatur und Wassermenge.
Dieser Beitrag ist eine Überarbeitung des Artikels „Wunsch und Wirklichkeit“ aus SBZ 12-2020.
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