Ein nicht ungewöhnlicher Fall aus der Planungspraxis: Eine vierköpfige Familie lebt mit ihren erwachsenen Kindern in einem kleinen Einfamilienhaus am Stadtrand. Ein Schicksalsschlag hat die Familie ereilt – der Sohn des Hauses verunglückte und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Nun ist eine schnelle und gute Raumplanung notwendig, denn neben anderen Umbauarbeiten muss auch das Badezimmer neu gestaltet werden, da das bisherige nicht mit einem Rollstuhl zu erreichen ist. Ein Schlafraum im 1. OG soll deswegen zu einem neuen Familienbad umgebaut werden – ein Treppenlift wird ohnehin montiert.
Der Leitgedanke in der Planungsphase ist von dem Wunsch bestimmt, dass im Ergebnis ein für alle Bewohner schönes und angenehm zu nutzendes Badezimmer vorhanden ist, das hohen ästhetischen Ansprüchen genügt, aber auch den Bedürfnissen des Rollstuhlnutzers gerecht wird.
An den Fähigkeiten des Rollstuhlnutzers orientiert
Die großzügigen Raummaße lassen eine behindertengerechte Raumplanung zu, für den Duschplatz wurden beispielsweise 1,20 m x 1,20 m veranschlagt. Die Positionierung der Toilette richtet sich nach den Fähigkeiten des Rollstuhlnutzers. Da die rechte Körperseite seine starke ist, soll das WC von links anfahrbar sein, damit er sich mit der rechten Seite auf dem Stützklappgriff abstützen kann – über das WC hinweg. Die technischen Gegebenheiten des Hauses lassen eine Platzierung des WCs in der rechten unteren Ecke des Raumes zu. Von dort kann das WC direkt entwässert werden.
In einer Vorwandinstallation verbirgt sich der Unterputz-Spülkasten mit einer seitlichen Verstärkung für den Haltegriff. Mit einer Sitzhöhe von 45 cm sitzen alle Nutzer komfortabel und der Sohn kommt durch den höhenverstellbaren Sitz des Rollstuhls auch damit zurecht. Der rechts neben dem WC installierte Stützklappgriff dient zugleich als Halter für das Toilettenpapier.
Vorwandinstallation optisch als Gestaltungselement
Die Vorwandinstallationen an den Seitenwänden des Raumes – im WC- und Dusch/Waschtischbereich – sind bis auf eine Höhe von 215 cm aufgekoffert und mit einem LEDBand versehen, durch das indirektes Licht über die Decke in den Raum reflektiert. Über dem WC ist zudem eine beleuchtete Nische eingebaut, deren Hintergrund mit einer Dekorfliese belegt ist. Die Vorwandschale hinter dem WC ist hingegen mit der Bodenfliese, im Fugenschnitt verlegt, verkleidet. Dadurch wirkt die Vorwandinstallation optisch als Gestaltungselement. Das automatisch gesteuerte Nachtlicht neben dem WC beleuchtet die Bodenfläche mit einem zarten Lichtschein.
Schwellenloser Zugang mit Hebe-Senk-Mechanismus
Auf der gegenüberliegenden Seite sind eine großzügige Dusche, ein Waschtisch und ein schlichter Hochschrank platziert. Die Gestaltungsidee mit der Vorwandinstallation und dem indirekten Licht wird hier aufgegriffen und wiederholt sich. Die Duschfläche wird bodengleich ausgearbeitet. Mit einem senkrechten Punktablauf wählten die Handwerker den geeignetsten Bereich aus, um die Entwässerung über die sich unter dem Bad befindende Küche zu ermöglichen. Dafür musste während der Bauphase ein Teil der Küchenschränke demontiert werden, aber der Aufwand lohnte sich: Auf einer Fläche von 120 cm × 120 cm ist eine großzügige und rollstuhlgerechte Duschzone gestaltet. Das über Eck verlaufende Relingsystem bietet für alle Nutzer Halte und Stützmöglichkeit sowie eine Sitzgelegenheit. In glänzendem Chrom passt es sich den Armaturen optisch an.
Als Spritzschutz zum Raum hin dient eine komfortable Schiebeduschabtrennung aus Glas, die über einen schwellenlosen Zugang und einen Hebe-Senk-Mechanismus zum leichteren Öffnen der Schiebetüren verfügt. Bei Nichtgebrauch können die Türen zur Seite geschoben werden. Das öffnet den Raum, ist aber auch notwendig, um einen Wenderadius von 120 cm für den Rollstuhl zu gewährleisten. Das heißt, ein Teil der Duschfläche gehört mit zu den erforderlichen Bewegungsflächen, die sich hier überschneiden.
Gefällelinien nicht sichtbar
In die Vorwandschale ist eine 90 cm breite, beleuchtete Shampoo-Nische installiert. Die Nische selbst und die gesamte Wand sind in dieser Breite mit den Dekorfliesen vollflächig belegt. Palladianas – getrommelte Marmorbruchstückchen – in unterschiedlichen Naturfarben vermitteln das gewünschte mediterrane Flair in dem Raum. Mit diesen Fliesen ist auch der Boden der Dusche verlegt. Unsymmetrische, aber technisch erforderliche Gefällelinien sind durch das gewählte Material nicht sichtbar.
Tipp
Konzepte zwischen Standard und Luxus
„Bäder neu gestalten“ ist Inspiration und Ideensammlung von der Badexpertin Andrea Stark für Badplaner, Architekten, Fachunternehmer mit Planungsaufgaben und Bauherren. Mit einer umfangreichen Kollektion an Beispielen aus der Praxis bietet das Buch viele Anregungen für den Umbau und die Modernisierung von Badezimmern im mittleren Preissegment. Die Neuerscheinung der Verlagsgesellschaft Rudolf Müller (Köln) liefert Gestaltungskonzepte für unterschiedliche Raumsituationen und zeigt die Umsetzung verschiedenster Bauherrenwünsche an konkret realisierten Badezimmern aus der Praxis. Alle Beispiele sind Komplettlösungen, die das Zusammenwirken von Raumaufteilung, Wand- und Bodengestaltung, Möblierung, Farbe und Beleuchtung zeigen.
Jedem Bad-Beispiel gehen die Wünsche der jeweiligen Bauherren, die Anforderung der jeweiligen Raumsituation sowie ein Grundriss, an dem sich die beschriebenen Umbauten gut nachvollziehen lassen, voraus. Zahlreiche Skizzen und Fotos veranschaulichen die neugestalteten Bäder. Theoretische Grundlagen zur Raum-, Fliesen-, Farb- und Lichtplanung ergänzen die Beispiel-Sammlung. Einen Schwerpunkt bilden die besonderen Anforderungen altersgerechter und barrierefreier Bäder. Der vorliegende Beitrag ist dem Buch entnommen.
„Bäder neu gestalten“ verfügt über 248 Seiten mit 428 farbigen Abbildungen. Als Buch kostet es 59 €, die E-Book-PDF gibt es für 47,20 €. Die ISBN lautet 978-3-481-03464-1.
Autor
Die Innenarchitektin Andrea Stark ist seit mehr als 25 Jahren im Bäderbau tätig. Für den sanitären Fachgroßhandel setzt sie ihr Know-how ebenso ein wie seit 2008 im eigenen Unternehmen mit dem Namen „starkberaten“. Sie gibt Seminare und hält Vorträge zur Ausstattung von Badezimmern und ist als Autorin tätig.info@starkberaten.dewww.starkberaten.de