Licht zum Ansehen berücksichtigt die Tatsache, dass Licht nicht nur Objekte beleuchtet, sondern selbst zum Objekt der Betrachtung werden kann – auch im Bad. In dieser Funktion trägt das Licht selbst zur ästhetischen Wirkung einer Umgebung bei. Hierbei ist der englische Fachausdruck „play of brilliants“ deutlich aussagekräftiger. Das großformatige Bild am Artikelanfang zeigt das Beispiel eines Badezimmers mit einem Kronleuchter. Er dient kaum zur Raumausleuchtung, er ist vielmehr ein ästhetisches Lichtobjekt.
Wichtig beim „Licht zum Ansehen“ ist, dass das Licht wenn möglich aus punktförmigen Lichtquellen austritt und es mehrere oder sogar viele Lichtpunkte gibt, die auch gerne etwas blenden dürfen. Nur dann tritt der Effekt der Brillanz bzw. das Spiel mit der Brillanz auf.
Kronleuchter und Sternenhimmel
Nicht immer passt ein Kronleuchter – oder moderne Varianten davon – in ein Badezimmer. Sei es wegen der oft nicht vorhandenen notwendigen Deckenhöhe oder einfach, weil die Anmut eines herkömmlichen Kronleuchters nicht zur Planung passt. Aus diesem Grund kann man auch moderne Kronleuchter verwenden, die z. B. aus mehreren Deckenleuchten mit besonderer Ästhetik bestehen (Bild 1).
Auch der Sternenhimmel ist ein typisches Beispiel für ein Licht nach dem Prinzip „play of brilliants“, er trifft aber nicht immer jedermanns Geschmack. Ein gelungenes Beispiel für eine moderne Variante des Sternenhimmels haben die Innenraumgestalter von Duravit in ihrer Badausstellung in Hornberg umgesetzt. Anstatt den klassischen Sternenhimmel an der Decke zu platzieren haben sie das Prinzip „Licht zum Ansehen“ an der Rückwand einer Badewanne umgesetzt. Die hinterleuchtete LED-Wand und entsprechend viele kleine Lichtöffnungspunkte und die Vielfalt der bewusst unstrukturierten Fläche führen zu einer ästhetischen Beleuchtung (Bild 2).
Ist das Badezimmer groß genug, dann sollten Badplaner einmal überlegen, ob es nicht passend wäre, eine Leuchte bzw. eine Lichtskulptur wie die „Fil de Fer“ (Firma Catellani & Smith) aus handgeflochtenen Aluminiumdrähten mit darin eingearbeiteten, direkt strahlenden Halogenlampen einzusetzen (Bild 3). Diese aus vielen kleinen Lichtpunkten bestehende Leuchte begeistert durch Brillanz enorm. Die Leuchte im eingeschalteten Zustand ist einfach beeindruckend – allerdings hat sie einen relativ hohen Preis.
Spiegellicht und Spiegelbeleuchtung
Das Betrachten des eigenen Gesichts im Spiegel ist eine sehr emotionale Situation. Aus diesem Grund sollte bei der Badplanung die Spiegelbeleuchtung einen hohen Stellenwert besitzen. Oftmals wird jedoch das Design des Spiegels und der integrierten Beleuchtung als viel wichtiger betrachtet als eine gute, gleichmäßige Ausleuchtung des Gesichts. Betrachtet man Spiegelleuchten unter einem rein lichttechnischen Aspekt, also mit der Aufgabe einer sehr guten Ausleuchtung eines Gesichts, so kann man sich an der Beleuchtung des Schminktisches in einem Theater orientieren. Dort befinden sich um einen Spiegel herum in einem Kreis angeordnete Lichtquellen, die das Gesicht sehr gleichmäßig und schattenfrei beleuchten. Das bedeutet, zum Schminken und natürlich auch zum Rasieren wäre solch eine Beleuchtung bei einem Badezimmerspiegel optimal. Beispiele dafür sind die Spiegelleuchten Esplanade (Duravit) oder Visible (Zierath). Beide setzen das Prinzip der Rundumbeleuchtung bzw. der gleichmäßigen Ausleuchtung eines Gesichts sehr konsequent um (Bild 4 und Bild 5).
Bei der Planung auf die Lichtrichtung achten
Wie harmonisierend eine gute Beleuchtung ist und vor allem, wie wichtig die Lichtrichtung ist, zeigt Bild 6. Dort ist jeweils die gleiche Wandoberfläche dargestellt, links mit einem sehr schräg von oben einfallenden Licht und rechts mit einem gleichmäßig diffusen Licht, angestrahlt direkt von vorne. Wenn möglich, sollte das Licht also von der Seite und von vorne kommen, nicht direkt von oben.
Ist eine „Rundum-Beleuchtung“ nur schwer umzusetzen, dann ist die nächst bessere Variante eine vertikale Anordnung von Leuchten links und rechts der Spiegelfläche oder in den Spiegel integriert (Bild 7 und Bild 8). Möchte man am Spiegel so ausgeleuchtet werden wie ein Film- oder Fernsehstar, dann sollten die Grundregeln der sogenannten „Dreipunkt-Ausleuchtung“ bei der Planung von Badezimmern und der Spiegelbeleuchtung Berücksichtigung finden.
Dreipunkt-Beleuchtung geschickt einsetzen
Zur optimalen Ausleuchtung von Personen hat sich im Laufe der Jahre im Film- und Fernsehbereich die „Dreipunkt-Ausleuchtung“, auch „Studio-Porträt-Ausleuchtung“ genannt, etabliert. Die aufzunehmende Person und die Verbindungslinie zur Kamera bildet die optische Achse (Bild 9). Auf diese Achse bzw. auf das Gesicht muss die Ausleuchtung bezogen werden. Entsprechend einer natürlichen Beleuchtung oder einer dramaturgisch begründeten Lichtrichtung wird zuerst das Führungslicht gesetzt. Dementsprechend folgt dann die Lichtsetzung durch das Aufhelllicht (um dunkle Partien aufzuhellen) und das Hinterlicht (um die Haare aufzuhellen und die Person plastisch erscheinen zu lassen). Das Führungs- und Aufhelllicht kommt von vorne bzw. aus einem Winkel von ca. 30°. So werden im Fernsehen beispielsweise die Moderatoren innen ausgeleuchtet (Bild 10).
Warum gibt es trotzdem den Trend zur Spiegelbeleuchtung von oben? Das hat den Grund, dass eine Beleuchtung von oben meist nicht blendet, was bei einer Leuchte rundherum oder seitlich angebracht schon einmal der Fall sein kann. Oftmals wirkt das Design auch schicker oder neuartiger, wie beim System Delos (Bild 12).
Optimale Beleuchtungsstärken am Spiegel
So wie bei den Planungsvorschlägen für das „Licht zum Sehen“ entsprechende Beleuchtungsstärken als Richtwerte vorgeschlagen wurden, gibt es auch Richtwerte für die Beleuchtungsstärken am Spiegel. Achtung: Hier wird von vertikalen Beleuchtungsstärken gesprochen. Das Messgerät wird dabei so gehalten, dass es das Licht misst, das quasi auf die Nase fällt:
- Klassische Beleuchtung 200 lx vertikal
- Gehobene Beleuchtung 300 lx vertikal
- Komfortable Beleuchtung 500 lx vertikal.
Hinweis: Eine Beleuchtungsstärke von 500 lx vertikal ist der typische Beleuchtungswert für eine gute Beleuchtung im Fernsehstudio. Firmen wie Zierath und Duravit geben in der Zwischenzeit neben den Abmaßen des Spiegels u. a. auch die von der Spiegelleuchte in einem Abstand von ca. 50 cm gemessenen vertikalen Luxwerte an (Bild 11). Die vertikalen Beleuchtungsstärken von 200 lx, 300 lx oder 500 lx am Gesicht müssen von der Spiegelleuchte alleine emittiert bzw. müssen immer separat geplant werden.
Wahl der Farbtemperatur bei Spiegelleuchten
Bei der Auswahl des richtigen Spiegels ist auch die Wahl der eingesetzten Lichtquellen von hoher Bedeutung, genauer gesagt: die verwendete Farbtemperatur der Lichtquelle. Sie ist ein wichtiger Aspekt bei der Beleuchtung eines Gesichts. Idealerweise sollte man einen Spiegel auswählen, bei dem die Farbtemperatur veränderbar ist. Einige Hersteller wie etwa Keuco bieten diese Besonderheit schon in vielen Produkten an.
Kann das Produkt die Farbtemperatur nicht ändern, dann stehen Badplaner vor der großen Frage, welche fixe Farbtemperatur am besten verwendet werden soll. Darauf üben verschiedene Faktoren Einfluss aus. Erhält das Badezimmer wenig Tageslicht oder handelt es sich um einen innen liegenden Raum, so sind Farbtemperaturen von 3000 bis 3500 K recht gut (Bild 13).
Die meisten Verbraucher tendieren zu eher wärmeren Farbtemperaturen, also zu höheren Werten im Bereich um 3000 K. Besitzt das Badezimmer große Fenster und der Kunde benutzt das Badezimmer eher zu Uhrzeiten, an denen das Tageslicht das Hauptlicht im Badezimmer darstellt, dann sind Farbtemperaturen von 4000 K sinnvoll. Viel höher sollte man jedoch bei der Auswahl der Farbtemperaturen bei einer Spiegelbeleuchtung nicht gehen.
Fazit
Ich als Autor der SBZ-Serie hoffe, dass Sie die insgesamt drei Artikel aus den vergangenen SBZ-Ausgaben über Licht im Bad neugierig auf das Thema gemacht haben. Sie sollen erkennen, dass gutes Licht im Badezimmer sehr viel bewirken kann und bei der Badplanung auf jeden Fall das Thema Licht und Beleuchtung berücksichtigt werden sollte.
Info
Zum Sehen, zum Hinsehen und zum Ansehen
Die drei Stufen der Lichtgestaltung nach Richard Kelly (Lichtdesigner aus den USA):
Licht zum Sehen (ambient luminescence)
Bei der ersten Stufe (Licht zum Sehen) muss eine Grundbeleuchtung im Badezimmer zur Verfügung gestellt werden. Diese Beleuchtung dient zur Wahrnehmung des Raumes und auch des Interieurs. Das ist die klassische Beleuchtung, die die meisten kennen und auch im Badezimmer umsetzen. Entweder mit Downlights in der Decke, gleichmäßig verteilt, als indirekt strahlende Lichtdecke oder als klassische Deckenleuchte mitten im Raum. Mit diesem „Licht zum Sehen“ soll, ja muss der Raum hell genug beleuchtet sein. Man erkennt auf einen Blick die wichtigsten Dinge.
Licht zum Hinsehen (focal glow)
Dieses Licht geht über die Grundbeleuchtung hinaus und berücksichtigt die Bedürfnisse des wahrnehmenden Menschen in der jeweiligen Umgebung. Durch „Licht zum Hinsehen“ (focal glow) werden gezielt bestimmte Informationen aus der Allgemeinbeleuchtung herausgehoben; bedeutsame Bereiche werden betont, während Unwichtiges zurücktritt. Anders als bei einer gleichmäßigen Beleuchtung (Licht zum Sehen) wird die visuelle Umgebung strukturiert. Dieses Licht zum Hinsehen ist meist punktuell und sollte mindestens doppelt so hell sein wie das „Licht zum Sehen“.
Licht zum Ansehen (play of brilliants)
Dieses Licht berücksichtigt die Tatsache, dass Licht nicht nur Objekte beleuchtet und Informationen hervorhebt, sondern selbst zum Objekt der Betrachtung und zur Informationsquelle werden kann. In dieser Funktion trägt das Licht selbst zur ästhetischen Wirkung einer Umgebung bei. Hierbei ist der englische Ausdruck „play of brilliants“ deutlich aussagekräftiger als die deutsche Übersetzung. Es muss ein Licht sein, das eher punktuell erscheint, das relativ klein sein soll, eine hohe Lichtintensität besitzt und auch mehrere Lichtpunkte umfasst. Der Idealfall wäre der Kronleuchter oder der Sternenhimmel.
Tipp
Handbuch für Fachplaner
Das Handbuch „Lichtplanung und Lichtdesign“ erläutert praxisnah und anschaulich die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Kunst- und Tageslicht in Innenräumen und an Gebäuden. Konkrete Planungshilfen und reich bebilderte Projektbeispiele unterstützen bei der Auswahl einer geeigneten Lichtlösung und liefern Anregungen für eigene Entwürfe. Ein durchdachter und gezielt geplanter Einsatz von Tages- und Kunstlicht schafft nicht nur optimale Beleuchtungssituationen für die unterschiedlichsten Tätigkeiten und setzt Architektur wirkungsvoll in Szene, sondern trägt auch zur Energieeffizienz und Nachhaltigkeit eines Gebäudes bei.
„Lichtplanung und Lichtdesign“ vermittelt damit das nötige Fachwissen, um Anforderungen an die Beleuchtung bereits früh im Entwurf berücksichtigen und mit geeigneten Mitteln bedarfsgerecht umsetzen zu können. Es greift unter anderem diese Themen auf:
- Wahrnehmung
- Lichtquellen
- Leuchten
- Kunstlichtplanung
- Tageslicht
- Beispiele mit Kunst- und Tageslicht
- Physikalische und lichttechnische Grundlagen.
Autoren sind Dipl.-Psych. Torsten Braun, Dipl.-Ing. Markus Felsch und Prof. Dr.-Ing. Roland Greule. Es ist erhältlich unter der ISBN 978-3-481-03366-8
Info
Serie Badbeleuchtung in der SBZ
In einer dreiteiligen Serie stellt die SBZ das Thema Lichtplanung praxisnah in den Fokus. Die Ausführungen des Lichtexperten Dr. Roland Greule orientieren sich an den drei Stufen der Lichtgestaltung von Richard Kelly (Lichtdesigner aus den USA):
Teil 1 Ausgabe 09-2016
„Licht zum Sehen“ und technische Grundlagen
Teil 2 Ausgabe 18-2016
„Licht zum Hinsehen“ und Klein- und Dachschrägenbäder
Teil 3 diese Ausgabe 24-2016
„Licht zum Ansehen“ und Spiegelbeleuchtung
Mit diesem dreistufigen Konzept kann man aus der Vielzahl von Leuchten und Lichtquellen eine gute Lichtplanung für Badezimmer umsetzen.
Autor
Dr. Roland Greule ist Professor für Beleuchtungs- und Lichttechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Er leitet das Competence Center Mensch und Medien an der HAW-Hamburg und ist Geschäftsführer des Lichtplanungsbüros Greule in Henstedt-Ulzburg. www.haw-hamburg.de greule@mt.haw-hamburg.de