Als 2005 die ersten brauchbaren Smartphones auf den Markt kamen, hielten die meisten Mobiltelefonbenutzer die Geräte schlicht für sinnlos. Wer will schon mit seinem Telefon fotografieren, damit Musik hören, spielen, E-Mails überall und jederzeit abrufen oder gar im Internet surfen?
Die einfachste Grundlage einer Vermarktung ist der Leidensdruck eines Verbrauchers: Der Kunde hat ein Problem, Sie liefern eine Lösung. Zum damaligen Zeitpunkt hatten wir als Nutzer noch keine Probleme. E-Mails von unterwegs waren im Geschäftsleben noch nicht üblich, Fotos konnten nur durch Kameras wirklich befriedigend aufgenommen werden und mobile Internetverbindungen waren langsam. Musik haben wir unterwegs auf dem MP3-Player gehört.
Lösungen für Probleme, die keiner hat
Mit dem Dusch-WC verhält es sich sehr ähnlich. Wir sind alle Nutzer eines WCs, und seien wir mal ehrlich: Kaum jemand von uns hat ein Problem mit der Benutzung seines Klos. Das scheinen die Werbetreibenden anders zu sehen. Toilettenbenutzer scheinen ihrer Meinung nach täglich das Gefühl zu haben, sie seien nicht gründlich gewesen, dass ein unhygienisches Gefühl zurückbleibt und sie sich regelmäßig unsauber fühlen. Dies sind nämlich die drei Hauptargumente, die in den Vordergrund gestellt werden: gründlich, hygienisch und rein. Nur Wasser könne wirklich ein natürliches Sauberkeitsgefühl verschaffen. Das bedeutet: Schäm dich, ungewaschener Mensch, der du nur Papier benutzt.
Mal im Ernst: Diese Art von Werbung fruchtet nur bei denjenigen, die derzeit tatsächlich Feuchttücher und Bidets verwenden. Wenn dieser Markt massentauglich ist und die Anstrengung sich lohnt, ist das okay. Bei mir jedoch löst es eher das Bedürfnis aus, meine bislang rund 40-jährige Toilettennutzungserfahrung innerlich zu rechtfertigen und damit meine Position zu festigen. Endkunden könnte es ähnlich gehen.
Bedürfnisse wecken, die nicht vorhanden sind
Wenn sich der Endverbraucher schon nicht schmutzig fühlt, nachdem er sein Klo verlässt, dann versuche ich es als Werbender einmal damit: Ich wecke das Verlangen nach dem herausragenden Frischeerlebnis, dem natürlichen Wohlfühlprogramm auf meinem stillen Örtchen als Wellness-Zone, das mir dann mehr Lebensqualität im Badezimmer gibt. Ich übertreibe nicht – das steht in vielen Publikationen und auf Internet-Seiten. Schauen Sie nach. Nicht einmal ein Computer wird mit derartig vielen Superlativen beworben, wie wir unser Dusch-WC anbieten. Statt der Hightech-Maschine mit ultimativem Nutzerkomfort möchte der Anwender doch gerne wissen, weshalb er sein neues Klo klasse finden soll und wird. Eine sprachliche Abrüstung ist dringend nötig.
Vermarktung unter die Lupe nehmen
Die derzeitigen Versuche, Dusch-WCs zu vermarkten, definieren kaum klar erkennbar eine Zielgruppe, somit sollen sich alle WC-Benutzer angesprochen fühlen. Diesen bieten wir Lösungen für Probleme, die bei der Mehrheit nicht existieren. Und wir wollen Bedürfnisse wecken, die sich nur durch mehrfaches Erleben langsam entwickeln. Mein Vorschlag: Aufräumen ist angesagt. Wir müssen uns genau fragen: Wer ist meine Zielgruppe, welche Probleme hat sie, welche Problemlösung biete ich an? Die Argumente, Informationen, Ideen sind überall auf den Informationsschriften verteilt, nur leider kaum auffindbar. Nur ein Hersteller hat diese simple Vorgehensweise auf einer eigenständigen Homepage für Dusch-WCs beachtet, er endet mit der Frage: Für wen sind die Washlets? Begeisterte Verkäufer im Handel und im Handwerk gehen gerne tiefer in dieses Detail. Sie filtern die vor ihnen sitzenden Kunden. Finden heraus, welche Argumente wirklich ankommen könnten und setzen sie dann ein. Aber nur dann, wenn sie selbst von dem Dusch-WC überzeugt sind.
Mögliche neue Ansätze im Verkauf
Viel reden hilft nicht immer viel. Wir brauchen Menschen mit Begeisterung für die Sache. Was die Weltreligionen schon seit tausenden von Jahren wissen, sollten wir im Verkauf auch beherrschen. Wir brauchen Missionare, Botschafter, Fans, die von dem Produkt überzeugt sind und den Endverbraucher überzeugen wollen. In unserem konkreten Fall sind es diejenigen, die das Bad verkaufen.
Statt Geld in die Werbeagenturen zu tragen, sollte es besser im Markt eingesetzt werden. Aber nicht unbedingt in den Ausstellungen auf Mustertoiletten, in denen die erste Benutzung eines Dusch-WCs eher fremdartig und alles andere als ein positives Erlebnis ist. Nein, beim Verkäufer und beim SHK-Handwerk vor Ort liegt der Schlüssel. Drei Schritte tragen entscheidend dazu bei.
- Der Verkäufer sollte das Dusch-WC selbst täglich benutzen. Das gilt im Übrigen auch für den Außendienst der Industrie, der als erster Botschafter selbst ein Dusch-WC bei sich zuhause haben sollte.
- Wie sorge ich für eine klare Definition der möglichen Zielgruppen, und zwar so, dass sie sich auch angesprochen fühlen? Zum Beispiel Menschen mit gesteigertem Hygieneanspruch, Menschen mit körperlichen Einschränkungen, vorausschauend planende Kunden im Alter jenseits der 50 Jahre.
- Wie transportiere ich die spannenden Themen an die jeweilige Zielgruppe? Dem innovationsfreudigen Handwerksbetrieb mit Anspruch auf Komplettbad-Kompetenz kann man nur raten, sich schnellstmöglich für daheim ein Dusch-WC anzuschaffen. Nicht nachdenken, philosophieren oder alles zerreden – es gilt, jetzt aktiv zu werden.
Nur Sie als Badexperte können die Begeisterung authentisch transportieren und das Dusch-WC zu etwas völlig Normalem machen. Denn davon bin ich überzeugt: Dusch-WCs werden irgendwann so alltäglich sein wie ein Smartphone und kaum noch einer wird den Nutzen anzweifeln. Mit dem Einbau eines Dusch-WCs in einem Bad wird es sich so verhalten wie mit der Option auf eine Klimaanlage im Auto: Es ist ein Komfort-Zugewinn, auf den kaum noch jemand verzichtet.
Info
Marktforschung im Detail
Leserbefragungen fischen in der Regel nur im eigenen Teich. Wirklich repräsentativ ist dagegen die Meinungsforschung über eine gesamte Zielgruppe hinweg, in diesem Fall das SHK-Handwerk. Die SBZ geht künftig diesen Weg, um herauszufinden, wie Handwerksbetriebe ticken – und zwar eben nicht nur die Stammleser. Die aktuelle Umfrage beschäftigt sich unter anderem mit Angebot und Verkauf von Dusch-WCs.
So wollten wir wissen, wie sich das Geschäft künftig entwickelt. Laut Einschätzung des Handwerks bestehen gute Marktchancen für Dusch-WCs in den kommenden 12 Monaten. Mehr als die Hälfte der Befragten sehen eine stabile bis zunehmende Nachfrage. Allerdings sagen auch fast 35 %, der Punkt betreffe sie gar nicht.
Darüber hinaus haben wir erfahren, wie aktiv Bäderplaner das Thema von sich aus anpacken. Immerhin 21,5 % sprechen es beim Kunden offensiv regelmäßig an. 40,5 % allerdings setzen sich nur dann mit Dusch-WCs auseinander, wenn es der Kunde verlangt.
Basis der Aussagen ist die Studie „f.ma Fachentscheider Gebäudetechnik SHK“. Es handelt sich um eine kontinuierliche Analyse der Mediennutzung von Fachentscheidern. Dabei werden zudem Daten erhoben zu aktuellen Fragen rund um das Thema Gebäudetechnik. Die Neutralität in Konzeption, Durchführung und Analyse wird durch die ausschließliche Beauftragung von externen Experten und Instituten sichergestellt. Die Studienreihe will der Alfons W. Gentner Verlag im Markt der Gebäudetechnik-Fachtitel etablieren.
Zweimal jährlich werden jeweils mindestens 175 SHK-Entscheider (Inhaber und Geschäftsführer) telefonisch rekrutiert und per Online-Erhebung befragt. Auch die Redaktion der SBZ bekommt Raum für Fragen und ist damit in der Lage, die Stimmung in der Branche detailliert zu erfahren.
Weitere Informationen zur Studie gibt Projektleiterin Sandra Bayer, Telefon (07 11) 8 36 72-8 65, sandra.bayer@gentner.de
Autor
Thorsten Moortz ist Inhaber der Agentur Moortz-Marketing. Als Berater und Konzeptentwickler ist er in der SHK-Branche in Handwerk, Handel und Industrie gleichermaßen unterwegs, unter anderem als Coach für Handwerksbetriebe und als Dozent der Bad-Akademie des VDS (Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft).www.moortz.net