Nicht nur in Zeiten von Corona ist Hygiene im Bad ein sensibles Thema. Doch mit der Sorge um die persönliche Sicherheit und die Gesundheit der Familie, mit dem schon fast reflexhaft eingeübten Verhalten von häufigem Händewaschen und Kontaktvermeidung erhält es eine ungeahnte Brisanz. Mit der weltweiten Pandemie-Erfahrung rückt die Sauberkeit im Bad wieder so stark in den Fokus, dass die hygienischen Produkteigenschaften der Sanitärausstattung sowohl für renovierungswillige Konsumenten als auch für Architekten und für Projektplaner öffentlicher Einrichtungen wieder größere Bedeutung bekommen.
Dabei ist das Thema gleich aus mehreren Blickwinkeln interessant: Hygieneeigenschaften von Sanitärprodukten sind aus Sicht der Gesundheitsvorsorge, aber auch aufgrund ihres Effekts auf die Pflegeanforderungen, die Barrierefreiheit und vor allem auf die Nachhaltigkeit des Bads von Interesse. Hygienefunktionen gehen häufig mit einer Digitalisierung von Wohnfunktionen einher und sind im Design zunehmend unsichtbar. Und überhaupt: Gemessen an ihrer großen Bedeutung sind sanitäre Hygiene-Features auffällig unauffällig. Deshalb lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Anforderungen an Hygienemaßnahmen im Privatbereich wachsen
Am naheliegendsten bei der Betrachtung von hygienischen Sanitärprodukten ist wohl der Sicherheitsaspekt – und zwar nicht nur aus rein funktionalen Gründen, sondern auch, weil sich mit der Entwicklung des Badezimmers zum Lifestyle-Zimmer nicht nur die Aufenthaltsqualität, sondern auch die Aufenthaltsdauer erhöht und damit auch die Erwartung an eine Wohlfühlatmosphäre. Schließlich suchen wir im Bad Komfortzeit und wollen uns nicht ständig Gedanken um Bakterien und Viren machen.
Wie die Branche registriert, scheinen die neuen Anforderungen an Hygienemaßnahmen auch ein Umdenken in privaten Haushalten auszulösen. Die Sensibilität für Sauberkeit und Sicherheit hat sich aufgrund der aktuellen Entwicklungen deutlich erhöht. Lösungsangebote hierfür sind seitens der Industrie bereits vorhanden. „Im Bereich Hygiene muss das Bad nicht neu erfunden werden.“ Jens J. Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS), gibt grundsätzlich Entwarnung und hält nichts von Panikmache: „Das Badezimmer ist eigentlich sowieso einer der saubersten Räume in der Wohnung. Das liegt an den Oberflächen und den modernen Produkten, die hier heute zum modernen Standard gehören.“
Klar ist aber auch, dass einige der krankmachenden Erreger unter all den Viren und Bakterien per Handschlag oder über Schmierinfektion via Oberflächen übertragen werden. Das findet der eine oder andere vielleicht beunruhigend – auch wenn jüngste Forschungsergebnisse wie die sogenannte Heinsberg-Studie der Bonner Mikrobiologin Ricarda Maria Schmithausen und des Virologen Hendrik Streeck die Vermutung zu bestätigen scheinen, dass die indirekte Übertragung des Coronavirus über Oberflächen eine eher geringe Rolle bei seiner Ausbreitung spielt. Die bei Weitem wichtigsten Übertragungswege sind die Infektion über Tröpfchen und sogenannte Aerosole.
Hygieneanforderungen im (halb)öffentlichen und privaten Bereich
Das private Badezimmer nimmt bei der Hygiene eine wichtige Funktion ein – erst recht in Zeiten, in denen viele Familienmitglieder das Badezimmer den ganzen Tag über nutzen. Damit es bei der hier immer wieder auftretenden Feuchtigkeit und Wärme nicht zu einem Nährboden für unerwünschte Keime und Bakterien wird, spielen neben einer modernen Ausstattung auch Pflegemaßnahmen und simple Verhaltensregeln wie gutes Lüften eine Rolle.
Im halböffentlichen und öffentlichen Raum hat das Thema Hygiene aktuell noch eine weit größere Relevanz. Die Hospitality-Branche muss neue Hygienekonzepte entwickeln, und viele sanitäre Einrichtungen für Büroräumlichkeiten, Event-Locations oder im öffentlichen Raum müssen den erhöhten Hygieneanforderungen angepasst und umgerüstet werden. Die Sanitärwirtschaft bietet dafür sowohl für den privaten als auch für den (halb)öffentlichen Bereich zahlreiche Lösungen an.
Mit speziellen Oberflächen mikrobielles Wachstum verhindern
Die Pflegeeigenschaften von Sanitärprodukten sind oft direkt mit dem Thema Hygiene verbunden. Dank neuester antimikrobieller Technologien und Oberflächen ist das Putzen heute keine große Sache mehr. Spezielle Keramikoberflächen für Waschtisch und WC etwa erleichtern die Pflege signifikant (z. B. KeraTect von Geberit oder AntiBac und CeramicPlus von Villeroy & Boch). Dabei handelt es sich um eine in die Keramik eingebrannte Beschichtung, auf der sich Schmutz und Kalk nicht halten, sodass Rückstände mit dem Wasser leichter abfließen. Zudem soll nach Angaben der Hersteller das Bakterienwachstum signifikant gehemmt werden. Auch für Waschtischkonsolen und Toilettensitze gibt es ähnliche Lösungen, die ein mikrobielles Wachstum verhindern. Moderne WCs verfügen zudem über eine Wasserspülung, die ohne Spülrand auskommt und somit kaum Angriffspunkte für Bakterien oder Keime bietet. Ein weiterer Vorteil ist die Umweltfreundlichkeit bei der Pflege, denn hier kann auf aggressive WC-Reiniger weitgehend verzichtet werden.
So werden moderne WCs hygienischer und komfortabler
Bei der Minimierung der manuellen Oberflächenkontakte bringt vor allem die Digitalisierung von WC und Armatur große Vorteile. So verbirgt sich etwa hinter einigen WC-Betätigungsplatten eine Sensortechnologie, mit der die Spülung ganz berührungsfrei ausgelöst werden kann (z. B. Visign for Style 25 sensitive von Viega). Dabei wird mit der Hand an einem (durch gerasterte Lichtpunkte grafisch hervorgehobenen) Funktionsfeld vorbeigewischt. Villeroy & Boch bietet ein WC mit „Mitdenk“-Funktion an, die das Spülen selbstständig übernimmt, wenn der Nutzer es vergisst oder die Spülung nicht selbst auslösen kann. Bei Leerstand oder Reisen kann somit eine Keimbildung durch Stagnationswasser verhindert werden.
Moderne Dusch-WCs bieten oft noch mehr Funktionen als berührungsloses Spülen. So muss bei vielen Ausstattungsvarianten von Dusch-WCs nicht einmal mehr der Deckel angefasst werden – etwa beim Modell Sensia Arena von Grohe. Durch Sensorsteuerung öffnet und schließt der Deckel sich automatisch, wenn sich ein Nutzer der Toilette nähert. Manche Dusch-WCs verfügen sogar über eine Bluetooth-Schnittstelle (z. B. Mera von Geberit) und können mit dem Smartphone bedient werden. Neben dem technologischen Fortschritt ist der durch die zunehmende Akzeptanz von Dusch-WCs etablierte Sauberkeitsanspruch sicherlich auch ein Kulturfortschritt. Die gezielte und gründliche Intimhygiene mit einem pulsierenden Duschstrahl vermittelt ein tagtägliches Frischegefühl. Je nach Ausstattung verfügen die Dusch-WCs über eine integrierte Selbstreinigungsfunktion.
Privates Badzimmer berührungslos: Hygienisch und pflegeleicht
Bei der Pflege von Waschbecken und Armaturen wird neben der verbesserten Hygiene ein weiterer Vorteil der berührungslosen Modelle deutlich: Da kein Bedienelement angefasst werden muss, bleiben die Hände während des Händewaschens in der Regel unter dem Auslauf; somit tropft auch kein Wasser von den Händen auf den Mischer. Dadurch kommt es zu weniger Wasserflecken und Kalkrückständen auf der Armaturenoberfläche und der Reinigungsaufwand bleibt gering. Bei einigen Modellen von Kludi ist es zudem möglich, die Sensorik außer Betrieb zu setzen, wenn das Waschbecken gereinigt wird.
Für das private Badezimmer ist ein nahezu berührungsloses Hygienekonzept umsetzbar. So muss auch zum Einseifen eigentlich nichts mehr angefasst werden – dank berührungsloser Seifenspender wie dem aus der Serie Plan von Keuco. Neben seiner Funktion als Spender für Schaumseife oder Desinfektionsschaum am Waschtisch kann er auch als Hygieneschaumspender am WC eingesetzt werden. Mit etwas Hygieneschaum lässt sich ein normales Toilettenpapier einfach in ein Feuchttuch verwandeln, das ohne Bedenken in die Toilette geworfen werden kann. Das ist besonders interessant für Toiletten im öffentlichen Raum, in denen der Einsatz von Dusch-WCs nicht infrage kommt.
Hygienekonzepte in öffentlichen Sanitäranlagen: Am besten nichts berühren!
In öffentlichen oder halböffentlichen Einrichtungen hat sich Hygiene als besonders sensibler Bereich erwiesen. Waschbecken und Toiletten in Bürokomplexen, Restaurants, Fitnessstudios, Hotels, Veranstaltungsstätten, Schulen oder Universitäten, besonders aber in Krankenhäusern und Pflegeheimen gehören auf den Prüfstand. Berührungslose Produkte werden dabei eine Schlüsselrolle spielen. Die Technik ist ausgereift und kann helfen, die mit der Pandemie-Erfahrung gewachsenen Hygieneanforderungen umzusetzen. Denn gerade die Berührung der Armatur sollte, wo immer möglich, vermieden werden. Konventionelle Armaturen werden zuerst mit ungewaschenen Händen angefasst, wodurch Keime und Viren auf die Armaturenoberfläche übertragen werden könnten. Gleichzeitig könnten unter Umständen durch Kreuzkontamination nach dem Waschen neue Keime und Viren aufgenommen werden.
Berührungslose Armaturen stellen daher eine gute Alternative dar, um das so vehement propagierte Händewaschen hygienischer zu gestalten. Die Armaturen unterscheiden sich optisch zudem kaum noch von konventionellen Modellen: Aufgrund der fortschreitenden Miniaturisierung der Sensortechnologie kann das Design der Armaturen dem Umfeld der Architektur angepasst werden. Einen Schritt weiter geht Dornbracht mit seiner Touchfree-Variante, die mit allen Armaturenserien des Herstellers kompatibel ist. Das auf Hochfrequenztechnologie basierende System erkennt die Bewegung auch ohne ein Infrarotauge. Der HF-Sensor ist, unsichtbar für den Nutzer, unterhalb des Waschtisches positioniert. Über eine separate, stromführende Systembox lassen sich Funktionen wie Temperatureinstellung, Nachlaufzeit oder Reinigungsstopp einstellen. Die Reichweite des Sensors kann an die Wünsche des Betreibers oder die Gegebenheiten des Raumes angepasst werden. Durch die Start-Stopp-Automatik kann zudem bei längerem Einseifen und Waschen der Hände eine beachtliche Menge Wasser gespart werden – insbesondere bei Warmwassernutzung ein nicht unerheblicher Vorteil zur Energieeinsparung.
Mit modernen Armaturen lassen sich Wasserdurchlaufzeit, Sensorempfindlichkeit oder eine automatische Hygienespülung per App über ein Smartphone oder ein Tablet einstellen. Reinigungszeiten, Spülintervalle und Spüldauer werden dabei individuell angepasst. Armaturen gibt es sowohl netz- als auch batteriebetrieben, wobei die Niedrigenergie-Elektronik eine lange Lebensdauer ohne Batteriewechsel gewährleistet. Beim Nachrüsten mit einem Sensormischer empfiehlt sich in vielen Fällen die Batterievariante, da auf das Aufstemmen von Fliesen zur Kabelverlegung verzichtet werden kann.
Darum sind Hygienemaßnahmen im Bad oft besonders nachhaltig
Hygiene im Badezimmer und in öffentlichen Sanitäranlagen ist nicht erst seit der Coronakrise ein Trendthema. Daher ist die Sanitärwirtschaft bereits heute in der Lage, auf die aktuell gesteigerte Nachfrage nach besonders hygienischen Produktkonzepten mit einer ganzen Palette an innovativen Produkten rund um Waschtisch und WC zu antworten. Auch Jens J. Wischmann , Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e.V. (VDS), sieht die Notwendigkeit von Hygienekonzepten im privaten Bad und im öffentlichen Sektor, hebt dabei aber auch den Nachhaltigkeitsaspekt hervor, der sowohl bei der Renovation als auch beim Neubau von sanitären Einrichtungen ins Gewicht fällt: „Wasserführende Hygieneprodukte im Bad stellen zweifelsohne einen Wachstumsmarkt dar. Und bei vielen der hygienischen Sanitärprodukte ist der Aspekt der Nachhaltigkeit bereits inkludiert.“
Weniger Wassereinsatz beim WC und beim Händewaschen, Energieeinsparungen durch bedarfsgerechten Wasserfluss von warmem Wasser, Reduzierung von Reinigungsmitteln, berührungslose Komfortfunktionen im privaten Bad und im Hotelbad, lange Nutzungszeiten durch langlebiges Design und hoher Qualitätsstandard: Die Hygiene-Ideen der deutschen Sanitärwirtschaft sind nicht nur effektiv und komfortsteigernd, sondern auch nachhaltig.
INFO
Die Trendsucher fürs Bad
„Pop up my Bathroom“ ist eine Initiative der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) und der Messe Frankfurt (die u. a. die SHK-Fachmesse ISH veranstaltet). Es handelt sich um eine (experimentelle) Plattform u. a. für Architekten und Badplaner. Hier soll untersucht und gezeigt werden, welche Möglichkeiten das Bad als ästhetischer und funktionaler Raum für die Menschen noch bereithält. Zum einen können sich Fachleute hier über neue Entwicklungen informieren, zum anderen sollen die hier entwickelten Entwürfe in Bilder umgewandelt werden, die weltweit verstanden werden. Als Kommunikationsplattform hierzu ist pop-up-mybathroom.de zu einem stetig aktualisierten Blog ausgebaut worden mit knapp einer Million internationalen Besuchern. Hier können sich Profis und interessierte Endverbraucher bis zur nächsten ISH neben den „Pop up my Bathroom“-Trends auch über neue Entwicklungen in diversen Sanitärbereichen informieren.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe 08-2021 des TGA Fachplaners unter dem Titel „Wenig Chancen für Keime“.
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