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Gewährleistungspflicht bei Materialmängeln

Inhalt

Wenn ein Verkäufer einem Käufer etwas verkauft, versteht es sich von selbst, dass der Käufer eine einwandfreie Ware erwartet und auch Anspruch darauf hat. Der Verkäufer seinerseits ist dazu verpflichtet, diese einwandfreie Ware zu liefern. Hierbei gibt es Unterschiede zwischen Kaufrecht und Werkvertragsrecht: Im Falle eines Kaufvertrags muss die Kaufsache einwandfrei sein, wenn sie an den Käufer übergeben wird. Für Handwerksleistungen dagegen, die unter das Werkvertragsrecht fallen, ist der Zeitpunkt der Abnahme entscheidend.

Wer trägt die Kosten bei Mängelbeseitigung?

Hat die Kaufsache Mängel, muss der Verkäufer entweder mangelfrei nachliefern oder den Mangel beseitigen. Im Werkvertragsrecht ist diese Gewährleistungspflicht für materialbedingte Mängel allerdings etwas anders gelagert. Da der Handwerker das mangelhafte Produkt eingebaut hat, muss er es auch wieder ausbauen und durch mangelfreies Material ersetzen – obwohl er den Mangel nicht verschuldet hat. Denn er haftet seinem Auftraggeber gegenüber verschuldensunabhängig aus dem Werkvertrag im Rahmen der Nacherfüllung. Da zwischen dem Handwerker und dem Materiallieferanten wiederum ein Kaufvertrag besteht, kann der Handwerker sich ihm gegenüber nur auf seine kaufvertraglichen Ansprüche auf Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung berufen. Das bedeutet, dass der Nacherfüllungsanspruch nach der bisher geltenden Rechtslage vor allem zu Lasten der Handwerker und Bauunternehmer geht.

Dies ergab sich aber nicht nur aus dem BGB, sondern auch aus der Rechtsprechung. Der dreistufige Vertriebsweg macht die Sache nicht einfacher, wie spätestens ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2008 deutlich zeigte. So haftet ein Fachhändler bislang im gewerblichen Kaufrecht in der Regel nicht für Ein- und Ausbaukosten im Falle einer mangelhaften Lieferung. Der BGB hatte entschieden, dass im Falle der Lieferung mangelhafter Sachen der Verkäufer nicht verpflichtet ist, die Ein- und Ausbaukosten der Mangelsache zu tragen, es sei denn, er hat den Mangel an der Sache verursacht. Letzteres trifft allerdings nur zu, wenn der Lieferant gleichzeitig Hersteller ist – also im zweistufigen Vertriebsweg oder wenn es sich um Hausmarken der Großhändler handelt.

Bisher kein Anspruch gegenüber Herstellern

Die Aus- und Einbaukosten konnte sich der SHK-Unternehmer als Käufer nur erstatten lassen, wenn ihm ein Schadensersatzanspruch gegen seinen Verkäufer zustand. Wenn aber die Materialmängel für den Händler nicht erkennbar waren und ihm ein Verschulden des Produzenten nicht über § 278 BGB zuzurechnen war, musste er nicht haften und nichts erstatten. Da zwischen Handwerker und Hersteller kein Vertragsverhältnis bestand, konnte der Handwerker auch vom Hersteller keine Erstattung der Aus- und Einbaukosten verlangen.

Bisher trug also der Auftragnehmer diese Kosten meistens selbst, was bei großen Projekten sogar die Existenz der Firma bedrohen kann. Denn die Kosten übersteigen häufig nicht nur den Materiallieferungswert, sondern auch den Vertragswert. Man stelle sich vor, welche Kosten entstehen, wenn ein SHK-Unternehmer z. B. in einem größeren Objekt die gesamte inzwischen hinter der Wand befindliche Rohrinstallation wieder herausreißen muss, weil sich herausgestellt hat, dass das verwendete Rohrmaterial herstellungsbedingte Haarrisse aufweist. Das neue, mangelfreie Rohr, das der Lieferant nachliefern müsste, würde vielleicht nur 1 % der Gesamtkosten (3000 Euro aus dem Gewährleistungsanspruch über 300 000 Euro) ausmachen. Die restlichen 90 % hätte grundsätzlich der Handwerker zu tragen.

Endverbraucher und Betriebe jetzt gleichgestellt

Mit den Änderungen des Kaufrechts in der Lieferkette reagiert der Gesetzgeber nun auf derartige Missverhältnisse und Gefahrenpotenziale. Dazu hat aber auch der Europäische Gerichtshof beigetragen. Der hatte im Juni 2011 für das Verbraucherkaufrecht entschieden, dass der Verkäufer gegenüber einem Verbraucher verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen. Mit dieser Entscheidung wurde die Frage nach den Aus- und Einbaukosten bei Kaufverträgen zu Verbrauchern anders beurteilt als bei Kaufverträgen zu Unternehmern.

Um diese europarechtswidrige Diskrepanz aufzulösen, nimmt der Gesetzgeber in Deutschland nun Änderungen am Kaufvertragsrecht vor: Ab 2018 sollen auch Käufer, die nicht Verbraucher, sondern Unternehmer sind, Ansprüche auf den Aus- und Wiedereinbau bzw. die dafür notwendigen Kosten beim Lieferanten geltend machen können.

Neue Pflichten für Verkäufer

Der § 439 Abs. 3 BGB-E legt fest, dass der Verkäufer von Baumaterialien im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet ist, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen. Das bedeutet, dass ein Verschulden des Lieferanten nicht mehr nachgewiesen werden muss, um Schadenersatzforderungen durchzusetzen. Künftig haftet der Lieferant verschuldensunabhängig für etwaige Aus- und Wiedereinbaukosten gegenüber dem Handwerker als Käufer. Lieferanten werden folglich mit einem Anstieg derartiger Forderungen rechnen müssen. Deshalb hat der Gesetzgeber auch geregelt, dass der Lieferant berechtigte Ansprüche dann in seiner Bezugskette ebenfalls bis zum Verursacher durchleiten kann.

Für Handel und Industrie ist dies aber noch lange kein Grund zur Panik. Die gesetzlichen Änderungen gehen davon aus, dass es sich um einen echten Gewährleistungsmangel handeln muss, um Schadenersatz für die Aus- und Wiedereinbaukosten beanspruchen zu können. Dies setzt zwei Punkte voraus, die in der täglichen Baupraxis immer wieder übersehen oder völlig falsch beurteilt werden:

  1. Ein Gewährleistungsanspruch besteht nur dann, wenn die Mangelhaftigkeit zum Übergabe-/Abnahmezeitpunkt vorhanden oder objektiv angelegt ist.
  2. Den Beweis der Mangelhaftigkeit zum Übergabe-/Abnahmezeitpunkt muss der Anspruchsteller führen.

Raus aus der Kulanzfalle

Das eigentliche Problem, das eben auch mit der Gesetzesnovelle nicht gelöst wird, ist das weit verbreitete Missverständnis zum Thema Gewährleistung. Die tatsächlichen Gewährleistungsfälle (nach obiger Definition), die in der Praxis vielleicht einen Anteil von 5 % aller Mangelanzeigen ausmachen, sind weder für das Handwerk noch für den Handel und auch nicht für die Industrie eine nennenswerte Hürde. Problematisch ist der große Anteil der vermeintlichen Gewährleistungsfälle, die der Handwerker häufig eben mit erledigt – ohne auch nur klarzustellen, dass er dies aus reiner Kulanz macht.

Wenn der Handwerker sofort und anstandslos auf eine Gewährleistungsanzeige reagiert und den Mangel behebt, akzeptiert und erfüllt er aus Sicht des Kunden dessen Rechtsanspruch auf Mangelbeseitigung. Natürlich fühlt sich ein Handwerker seinem Kunden verpflichtet und will ihn nicht vergraulen, aber so halst er sich mehr auf als er aus rechtlicher Sicht leisten muss. Daher ist es von Vorteil, wenn man ein Gespür entwickelt, wann wirklich von einem echten Gewährleistungsmangel auszugehen ist.

Ansprüche bestehen nur im echten Gewährleistungsfall

Dabei hilft z.B. die einfache Frage, ob der angezeigte Mangel oder seine Ursachen wohl schon zum Abnahmezeitpunkt bestanden. In der täglichen Praxis stellen Handwerker diese Frage meistens nicht und schultern lieber den zusätzlichen Aufwand. Wenn er gern und freiwillig solche großzügigen Geschenke an seine Auftraggeber verteilt, ist dagegen nichts einzuwenden. Ein Problem hat er allerdings, wenn er glaubt, dass er zur Mangelbeseitigung verpflichtet ist und er seine Aufwendungen an den Materiallieferanten weiterleiten kann. Denn er kann nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass der Materiallieferant dasselbe Engagement und dieselbe Kulanz zeigt.

Mit anderen Worten: Auch nach Einführung der neuen kaufrechtlichen Regelungen zur Mängelhaftung werden Handwerker mitunter auf ihren Kosten sitzen bleiben, wenn eben kein bewiesener Gewährleistungsanspruch zugrunde liegt. Gerade wenn es um die Aus- und Wiedereinbaukosten geht, die im Mängelhaftungsrecht neu verbrieft sind, werden die Lieferanten natürlich genau hinschauen und entsprechende Beweise der Mangelhaftigkeit zum Übergabezeitpunkt verlangen, bevor sie dem Handwerker die Kosten ersetzen. Wie bereits in Teil 3 dieser Serie erklärt, sollte der Handwerker unbedingt seine Kunden darüber informieren, wann die Beweislast bei wem liegt. Andernfalls wandert die Beweislast auf seinen Tisch.

Keine einschränkenden Klauseln in AGB

Liegen tatsächliche Gewährleistungsansprüche hinsichtlich verbauten Materials vor, hat der Verkäufer zukünftig dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. In der bisherigen Kommentierung zu den Neuregelungen wird u. a. die Auffassung vertreten, dass ein Lieferant im Falle von Materialmängeln auch die Arbeiten zum Aus- und Wiedereinbau vornehmen soll. Unter Umständen liegt dies im Interesse des Handwerkers und er kann es im Rahmen des Nacherfüllungsanspruches vom Lieferanten auch verlangen, muss aber nicht. Im neuen Gesetz steht nämlich, dass der Verkäufer diesbezügliche Aufwendungen zu „ersetzen“ hat. Folglich hat ein Lieferant keinen Anspruch darauf, die Aus- und Wiedereinbauarbeiten selbst vorzunehmen. Dadurch wird ein Eingriff in bestehende Werkverträge durch Lieferanten verhindert und die Entscheidung, ob ein Lieferant tätig werden soll oder die Aufwendungen zu zahlen hat, liegt beim Handwerker als Käufer.

Lieferanten könnten nun versuchen, ihre AGB so zu formulieren, dass sie nicht dazu verpflichtet sind, die Aus- und Einbaukosten zu tragen. Dem hat der Gesetzgeber einen Riegel vorgeschoben, indem er auch den § 309 BGB geändert hat. Demnach sollen derartige Klauseln unwirksam sein. Da der § 309 BGB im unternehmerischen Verkehr nicht unmittelbar, sondern allenfalls über § 307 BGB mittelbar gilt, bleibt hier ein Restrisiko für die Unternehmer. Die Rechtsprechung wird hier allerdings sehr schnell für Klarheit sorgen, da die Gerichte es einem Lieferanten wohl nicht durchgehen lassen werden, wenn er versucht, sich mithilfe seiner AGB einer wesentlichen Intention der BGB-Reform zu entziehen.

Die Haftgungsübernahme-Vereinbarung bleibt Trumpf

Machen die Veränderungen im Bauvertragsrecht und in der kaufrechtlichen Mängelhaftung künftig die Haftungsübernahmevereinbarungen (HÜV) des ZVSHK überflüssig? Keineswegs! Die HÜV bleibt ein attraktives Element der Marktpartnerschaft zwischen Handwerk, Handel und Industrie. Sie bietet dem organisierten SHK-Handwerk schon seit 1977 eine, zwar auf die HÜV-Partner beschränkte, dann aber umfassenden Haftungsbegrenzung in Gewährleistungsfällen. Da dieses System nur Innungsmitgliedern offensteht, ist und bleibt es ein gewichtiges Argument für eine Mitgliedschaft.

Rechtlich gesehen ist eine HÜV ein Vertrag zugunsten Dritter. Der ZVSHK schließt mit Herstellern aus der SHK-Branche diese Vereinbarungen zugunsten der Innungsmitglieder ab, die der Organisation über die Fachverbände mittelbar angehören. Hat ein Hersteller für seine Produkte eine HÜV abgeschlossen, so steht der Hersteller für Nacherfüllung, ggf. Minderung und Schadenersatz ein – immer unter der Voraussetzung, dass ein echter Gewährleistungsfall vorliegt. Dann leistet der Hersteller kostenlose Ersatzlieferung der notwendigen Teile frei Verwendungsstelle und übernimmt die erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Aus- und Einbaukosten, Wegekosten einschließlich der Kosten für die etwaige Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.

Direkter Draht zum Hersteller

Mit der HÜV ist also das, was mit der BGB-Novelle ab 2018 anvisiert wird, nämlich die Freistellung der Unternehmer von Aus- und Wiedereinbaukosten bei mangelhaften Produkten, in großen Bereichen des Materialbezugs im SHK-Handwerk bereits geregelt, und zwar nicht nur seit langer Zeit, sondern auch noch besser, als es die zukünftige BGB-Regelung vermag. Die HÜV eröffnet bei produktbedingten Materialmängeln und deren Beseitigungskosten einen weitreichenden Direktanspruch des Innungsmitglieds gegenüber dem Hersteller. Darin liegt ein markanter Unterschied zur neuen BGB-Regelung, die die Lieferantenbeziehung im Fokus hat. Gerät ein Lieferant in die Insolvenz, würden nach der neuen Regelung die Forderungen des Handwerkers ins Leere gehen.

Bei einer Direktbeziehung zum Hersteller über eine HÜV verfügt ein Innungsmitglied über einen zusätzlichen Vorteil, bei dessen Durchsetzung er sich im Übrigen auch noch auf die umfassende Unterstützung seiner Organisation verlassen kann. Damit erspart sich der Handwerker die mühsame Tour über den Lieferanten, ggf. den Vorlieferanten, den Vorvorlieferanten bis hin zum Hersteller. Ein weiterer Vorteil der HÜV ist, dass hier die vertraglichen Regelungen zum Leistungsumfang klar definiert sind. Einseitige Modifikationen durch Hersteller-AGB sind damit ausgeschlossen und der Handwerker kann sicher sein, nicht mit derartigen Klauseln konfrontiert zu werden.

Um die Vorteile der bestehenden Regelungen (HÜV) und der werkvertraglichen und kaufrechtlichen Änderungen ausschöpfen zu können, sollte man über die Rechtslage und die Vorteile, die die Verbandsorganisation bietet, gut informiert sein. Es lohnt sich also, sich damit eingehender zu beschäftigen.

Info

§ 439 Nacherfüllung

(3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen. § 442 Abs. 1 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass für die Kenntnis des Käufers an die Stelle des Vertragsschlusses der Einbau oder das Anbringen der mangelhaften Sache durch den Käufer tritt.

Info

Vorteile für Hersteller

Nicht nur das Handwerk profitiert von der Haftungsübernahme-Vereinbarung. Auch für Hersteller bleibt das System interessant, denn es stellt eine Art Qualitätssiegel dar, mit der man sich von der Konkurrenz absetzen kann. So gesehen ist die HÜV ein Instrument der Kundenbindung, das das Haftungsrisiko keineswegs erhöht, da sie nach wie vor nur für tatsächliche Gewährleistungsmängel gilt.

Info

Serie BGB-Reform

Ab 1. Januar 2018 ändert sich das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Es bringt für die Gestaltung von Verträgen wichtige Änderungen, auch für Fachhandwerksbetriebe. Bislang kannte das BGB keine selbstständige gesetzliche Regelung des Bauvertrages, des Architekten- und Ingenieurvertrages oder des Verbraucherbauvertrages. Das und mehr wurde neu geregelt. Die SBZ fasst in einer 4-teiligen Serie die wichtigsten Änderungen zusammen.

  • Teil 1: <b>Mängelhaftung neu geregelt</b> SBZ 12-2017
  • Teil 2: <b>Vertragskategorien und neues Anordnungsrecht des Bestellers</b> SBZ 14-15/2017
  • Teil 3: <b>Neuregelungen zu Sicherheiten, Abnahme und Kündigung</b>SBZ 16-17/2017
  • Teil 4: Lesen Sie gerade in dieser Ausgabe.

Autor

Rechtsanwalt Dr. jur. Hans-Michael Dimanski ist Partner der RA-Kanzlei Dr. Dimanski, Kalkbrenner & Schermaul in 39104 Magdeburg. Telefon (03 91) 53 55 96-16 Telefax (03 91) 53 55 96-13 www.ra-dp.de