Nicht erst seit Einführung der 3G-Regel stellen sich Betriebe die Frage, wie sie mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen, die sich einer Testpflicht im Unternehmen verweigern. Denn viele Arbeitgeber haben bereits vorher im Rahmen ihrer Hygienekonzepte zusätzlich zu anderen Maßnahmen eine Testpflicht eingeführt.
Zwei aktuelle Urteile der Arbeitsgerichtbarkeit haben sich genau mit dieser Frage beschäftigt. Allesamt Fälle, die noch zu Zeiten ohne verpflichtende Statuskontrollen spielten. Doch bei der Frage, welche Mittel Arbeitgeber nun bei der 3G-Pflicht am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen, dürften diese Entscheidungen schon einmal richtungsweisend sein. Wie immer gilt aber im Arbeitsrecht, dass letztlich der Einzelfall entscheidend ist.
Landesarbeitsgericht München: Keine Beschäftigung sowie keine Bezahlung ohne Coronatest
Das LAG München hat entschieden, dass ein Arbeitgeber seine angestellte Flötistin im Orchester bei Verweigerung zur Teilnahme an regelmäßigen PCR-Tests weder beschäftigen noch vergüten muss. Im vorliegenden Fall verlangte ein Arbeitgeber von allen Mitarbeitenden seines Orchesters regelmäßig einen negativen PCR-Test für die Teilnahme an Proben und Aufführungen. Eine Mitarbeiterin verweigerte die Teilnahme an den Tests und wollte auch so keinen externen PCR-Test beibringen. Daraufhin stellte sie der Arbeitgeber von der Arbeit ohne Gehalt frei.
Die Flötistin klagte hiergegen: ohne Erfolg. Sie verlangte Beschäftigung und Bezahlung auch ohne Coronatest. Jedoch war ein Passus im geltenden Tarifvertrag entscheidend, der vorsah, dass bei gegebener Veranlassung durch einen Vertrauensarzt (-zahnarzt) oder das Gesundheitsamt festgestellt werden kann, ob der Musiker arbeitsfähig und frei von ansteckenden oder ekelerregenden Krankheiten ist. Laut dem Landesarbeitsgericht handele es sich bei Covid um eine solche von der Tarifnorm abgedeckte Erkrankung. Zudem sei die angeordnete Testpflicht auch verhältnismäßig, da nur so der Schutz aller Arbeitnehmer im Orchester gewährleistet werden kann.
Arbeitsgericht Hamburg: Kündigung wegen Testverweigerung unwirksam
Das Arbeitsgericht Hamburg hat wiederum entschieden, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers, der sich weigerte, an betrieblichen Coronatests teilzunehmen, unverhältnismäßig war. In dem Betrieb war wirksam eine Testpflicht für ungeimpfte Kraftfahrer eingeführt worden, der betreffende Arbeitnehmer weigerte sich daraufhin, an den Testungen teilzunehmen, und verlangte, wenn überhaupt, nur einen Gurgeltest/Spucktest machen zu wollen. Bei der Verweigerung handelt es sich unstrittig um eine Pflichtverletzung, bei der ein Arbeitnehmer mit einer Kündigung rechnen muss. Jedoch hätte im konkreten Fall eine Abmahnung ausgereicht und hätte womöglich auch zu einer Verhaltensänderung beitragen können. Die Abmahnung war somit ein milderes Mittel, dass der Arbeitgeber erst einmal hätte wählen müssen. Die verhaltensbedingte Kündigung war hier nicht die richtige arbeitsrechtliche Konsequenz.
Entscheidung des BAG Erfurt zu Urlaub und Kurzarbeit
Volle Kurzarbeit heißt nun auch weniger Urlaubstage: Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts müssen Corona-Kurzarbeiter jetzt mit der anteiligen Kürzung ihres Jahresurlaubs rechnen. Das Urteil hat angesichts der vierten Coronawelle enorme Auswirkungen auf die gesamte Arbeitswelt.
Zum Hintergrund des Falls: Eine Verkäuferin in Kurzarbeit wendete sich gegen Urlaubskürzungen. Die Klägerin im aktuellen Fall arbeitet als Verkaufshilfe an drei Tagen in der Woche. 2020 wurde sie über mehrere Monate in volle Kurzarbeit geschickt – sie erhielt Urlaub, jedoch um einige Tage gekürzt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte gegen Urlaubskürzungen bei Kurzarbeit gekämpft und die Klägerin unterstützt. Leider erfolglos: Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber recht. Der Umfang des Erholungsurlaubs soll sich grundsätzlich an der Zahl der vereinbarten arbeitspflichtigen Tage bemessen lassen. Demnach ist die entsprechende Kürzung des Urlaubs bei Corona-Kurzarbeitern rechtmäßig.
Die praktischen Auswirkungen sind enorm
Das Urteil des BAG könnte angesichts der Wucht der vierten Coronawelle in den kommenden Monaten Auswirkungen auf Zehntausende Arbeitnehmer in Deutschland haben. Die praktischen Auswirkungen sind angesichts der hohen Zahl an Kurzarbeitern in der Coronakrise enorm.
Erleichterter Zugang bis Frühjahr 2022 verlängert
Zwischen dem 1. und 24. November sind ca. 104 000 Anmeldungen für Kurzarbeit bundesweit eingegangen, rund 10 000 mehr als im Oktober. Aufgrund der derzeitigen vierten Coronawelle hat das Bundesarbeitsministerium den erleichterten Zugang zu Kurzarbeit bis zum 31. März 2022 verlängert.
Info
Im Zweifelsfall Rat einholen
Der Artikel nennt einige gerichtliche Entscheidungen, die für den betrieblichen Alltag wichtig sein können. Die Sammlung geht auf den Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel (Köln) zurück. Görzel ist Mitglied des VDAA (Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte). Er empfiehlt, die Entscheidungen zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen.