Mit Werkzeug kennt sich Jan Gerlach aus. Nicht nur, weil er Produkte und Konsumgüter entwirft, die mitunter in Serie gehen. Sondern weil er auch ein Händchen fürs Handwerk hat. Der Industriedesigner half während seines Studiums seinem Bruder bei der Montage von Lüftungsanlagen und wirkte beim Aufbau von Musikfestivals mit.
Gerlach hatte es satt, bei Werkzeugverleihen ewig in der Schlange zu stehen und obendrein noch eine Kaution zu bezahlen. Das spornte ihn an, ein Konzept zu entwickeln und in der Erfindung „Toolbot“ umzusetzen. Seit 2018 entwickelt Gerlach einen eigenen Automaten für Werkzeuge. Ein befreundeter Ingenieur für Robotik, Christian Lehmann, kümmert sich um die Mechanik, drei weitere Freunde, erfahrene IT-Entwickler und Experten für Mikroelektronik, um die Elektronik. Ein regionaler Partner – Spezialist für Schaltschränke – produziert alle Blechteile. Für Toolbot gründete Gerlach zusammen mit Lehmann ein Start-up mit dem Namen „thingk.systems UG“ in Cottbus.
Zahlen mit Kreditkarte oder Paypal
Um Toolbot nutzen zu können, registriert sich die Kundin oder der Kunde auf der Homepage toolbot.de. Dort wird das Werkzeug reserviert und womöglich das passende Verbrauchsteil angeklickt. Der Nutzer erhält einen Code, beim Automaten muss die dreistellige Zahl eingetippt werden. Sesam, öffne dich: Eines der Fächer geht auf, der entsprechende Systemkoffer kann entnommen werden. Darin befinden sich Werkzeug, Zubehör und Ladegerät.
Bei der Rückgabe muss wieder ein Code eingegeben werden, der einem angezeigt wird. Entweder ist mit der Kreditkarte zu bezahlen – mit Mastercard, American Express, Visa – oder mit einem PayPal-Link.
Stunden- und Tagespreise
Die Preise sind gestaffelt in 50-Cent-Schritten und berechnen sich je nach Werkzeugkasten, Koffergröße, Wartungsintensität oder beiliegenden Verschleißteilen. „Der Tagespreis ist auf den Stundensatz gesehen natürlich günstiger, als wenn das Werkzeug nur für wenige Stunden geliehen wird“, erklärt Jan Gerlach. Der Preis pro Tag beträgt 10 bis 30 Euro, je nach Werkzeug. Der Stundenpreis ist mit 1 bis 3 Euro kalkuliert. Bis zu 30 Tage kann ein Werkzeug ausgeliehen werden. Die Erfahrung zeigt, dass Kunden Werkzeuge meist ein paar Stunden benötigen, höchstens aber ein bis zwei Tage.
Bis zu 50 Fächer belegt
„Wir wollen so viel Werkzeug anbieten, dass wir die Bandbreite jedes Handwerks abdecken können“, sagt Gerlach. Die Automaten sind vom Umfang her variabel, sie können beliebig klein oder groß sein. Dazu entwickelte das Start-up ein modulares Baukastensystem, das auch zur Übergabe von Waren oder Paketen genutzt werden kann. Neben klassischen Werkzeugen, wie Bohrhämmern, Kreissägen und Akkuschraubern, ist zum Beispiel auch eine Akku-Wärmebildkamera dabei. Eine Box für digitale Messgeräte enthält eine Laser-Wasserwaage, einen Laser-Distanzmesser, ein digitales Winkelmesser, einen Wanddetektor oder ein Laserthermometer. Geliehen werden kann auch ein Akku-Partikelzähler, der Raumluft, Gaskonzentration und Klimadaten wie Feuchte oder Lufttemperatur zählt. Und natürlich darf ein Pressgerät ebenso wenig fehlen im Toolbot.
Keine Kaution erforderlich
Die Kundin bzw. der Kunde identifiziert sich durch die Kreditkarte. Wenn etwas kaputtgeht, muss er es nicht bezahlen. „Wenn die Kundin oder der Kunde bei Schäden in herkömmlichen Läden zur Kasse gebeten wird, überlegt sie oder er sich vorher dreimal, ob sie oder er überhaupt etwas ausleihen möchte“, vermutet Gerlach. Diesen Hemmnisfaktor wollte er nicht in die Nutzungsbedingungen reinschreiben.
„Der Kunde soll uns aber mitteilen, wenn Werkzeug beschädigt ist“, erwartet der Erfinder. Es soll schon einmal passiert sein, dass ein Kunde eine beschädigte Stichsäge in den Toolbot zurückgelegt hat, ohne etwas zu sagen. Natürlich sind die Werkzeuge gegen Schäden versichert. Dass nicht einmal eine Kaution hinterlegt werden muss, ist Teil des Geschäftsmodells. Jede oder jeder soll so rasch und unbürokratisch als möglich Werkzeug ausleihen können.
Geleastes Werkzeug
„Die derzeitigen Engpässe bei Werkzeugen betreffen uns weniger“, sagt Jan Gerlach. Wenn das Werkzeug einmal vom Anbieter geleast ist, steht es den Kunden zur Verfügung. Aber natürlich brauchen beispielsweise bestellte Metallteile für den Automaten nicht mehr vier bis sechs Wochen, sondern 20. Deswegen werde in Cottbus demnächst für einige Komponenten ein Zwischenlager eingerichtet. „Wir leasen das Werkzeug selbst von Herstellern“, sagt Gerlach. Kooperiert wird zum Beispiel mit Hilti.
Sechs Toolbot-Standorte
Acht Mitarbeiter arbeiten bereits für Toolbot. Die Zahl der Ausleihen variiert. Unter der Woche kann es eine Ausleihe pro Tag sein. Am Wochenende 20 bis 30 täglich. Das kommt auf den Standort, das Wetter und die Jahreszeit an. Derzeit sind sechs Ausleihstellen in Cottbus, Berlin und Kassel eingerichtet. Bevorzugte Orte dafür sind Bahnhofshallen und Einkaufszentren. Eine Studie der Technischen Universität Berlin half bei der Standortwahl. Entscheidend sind demnach Verkehrsknotenpunkte, andere Attraktoren und natürlich eine höhere Einwohnerdichte. „Bahnhöfe und Einkaufszentren kennt jeder“, bekräftigt Gerlach. Aber natürlich könne der Automat auch sonst überall stehen. „Jede Station kann leicht erweitert oder ausgetauscht werden“, betont der Start-up-Gründer die Variabilität.
Finanziert über Crowdinvesting
Ein Automat kommt auf 12 000 bis 25 000 Euro Herstellerkosten. Die ersten Probestationen wurden mit der Unterstützung eines Baumarkts, Bosch und der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) entwickelt und in einem Betatest betrieben. Ein Crowdinvesting (Finanzierungskampagne) finanzierte die Entwicklung eines Serienmodells. Geplant ist, das Toolbot-Konzept in einem Franchise-System weiter zu verbreiten.
Die Zukunft: ein Franchise-System
Das Verleihsystem ist nicht nur für Handwerker interessant, die selten ein bestimmtes Gerät oder Zubehör benötigen. Bei den derzeitigen Lieferproblemen kann Leihen durchaus eine Alternative sein. Es ist obendrein nachhaltiger. 2023 soll Toolbot in einer Franchise-Variante verfügbar sein und weitere Standorte sollen hinzukommen.(CM)