Der Entscheider im Handwerksbetrieb mag gerade abwägen, ob inzwischen die Zeit für ein Nutzfahrzeug mit E-Antrieb reif ist oder die bewährte Lösung weiterhin im Diesel liegt. Etliche Fahrzeugentwickler sind dagegen schon längst mit Wasserstoff unterwegs. Dabei mangelt es nicht grundsätzlich am Know-how, denn die Brennstoffzelle etabliert sich bereits im Pkw-Bereich. Die Zahl der Modelle, die ausschließlich mit Wasserstoff betrieben werden, lassen sich allerdings noch gut überblicken.
Bei leichten Nutzfahrzeugen könnte das Konzept aller Voraussicht nach jenseits von 2030 auch eine bedeutende, wenn nicht gar die dominante Rolle unter den Antriebsarten einnehmen. Doch für einen Massenmarkt wäre zunächst Voraussetzung, dass sich regenerative Stromquellen, Wirkungsgrad und Herstellungskosten positiv entwickeln. Und um im Markt Fahrt aufzunehmen, müssen mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge auch ein Preisniveau erreichen, das ein Betriebswirt mit seinem Blick auf den TCO akzeptieren kann.
Der „Total Cost of Ownership“ nämlich ist es, der aus betriebswirtschaftlicher Kostenbetrachtung „für die nötige Bodenhaftung“ beim Nutzfahrzeug sorgt. Sprich: Kann man sich möglichst klimagünstig verhalten und auch die tatsächlichen Kosten während der gesamten Nutzungsdauer eines Elektro- oder auch Wasserstoffantriebs finanziell stemmen? Oder wirken die Rahmenbedingungen und die damit verbundenen Investitionen eher abgehoben? Einzubeziehen sind Kaufsumme, Betriebskosten und Restwert.
Leasingrate sieht verlockend aus
Um konkret zu werden: Der TCO-Vergleich zwischen bewährten Dieselmodellen ist für den Flottenmanager ein routinierter Rechenvorgang. Ein Nutzfahrzeug mit E-Antrieb und seinem – trotz Förderprämie – meist höher angesiedelten Kaufpreis könnte manchem Entscheider auch den Abschluss eines Leasingvertrages interessant machen. Doch was ist, wenn ein über drei oder vier Jahre ramponiertes Handwerkerauto den Restwert bei Rückgabe enorm drückt? Dann werden die Leasing-Gesamtkosten durch eine bedeutende Nachzahlung in die Höhe schnellen.
Für den Entscheider eines neuen Nutzfahrzeuges bleibt es daher abzuwägen: Ist es besser, sich auf dem wettbewerbsstarken und variantenreichen Markt der Dieselmodelle nach einem günstigen Kauf- oder Leasingangebot umzusehen? Oder setzt man für kommende Jahre auf die Mobilität mit einem Elektrofahrzeug? Nachfolgend ein kurzer Überblick, welche Antriebsarten bei Lieferwagen und Transportern jetzt im Rampenlicht stehen.
Wasserstoffantrieb – der Zukunft voraus
Der Kangoo Z.E. Hydrogen und der deutlich größere Master Z.E. Hydrogen wurden von Renault bereits im Herbst 2019 vorgestellt und ihre Marktreife wird dieses Jahr erwartet. Die Technik basiert auf einem herkömmlichen E-Antrieb, der zusätzlich mit einem durch Wasserstoff betriebenen Range Extender kombiniert ist, um die Reichweite auf das voraussichtlich Dreifache zu erhöhen.
Zum Wettbewerb mit wasserstoffbetriebenen Nutzfahrzeugen ist auch der Stellantis-Konzern angetreten. Erste kompakte Transporter der sehr bauähnlichen Modelle Citroën ë-Jumpy Hydrogen, Peugeot e-Expert Hydrogen und Opel Vivaro-e Hydrogen verfügen über einen Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb mit Plug-in-Akku und sollen sich zunächst im realen Betrieb bewähren. Wann die Feldversuche zu einem Marktstart führen, ist derzeit offen.
Elektroantrieb – das Angebot steht
Nahezu jede Nutzfahrzeugmarke bietet inzwischen vom Lieferwagen bis zum großen Transporter eine Alternative mit E-Antrieb. Handwerksbetriebe, die allenfalls Entfernungen von 100 bis 150 km täglich zurücklegen, werden sich bei einem E-Mobil weder mit einer begrenzten Reichweite noch mit unterschiedlichen Ladesystemen, Steckern und Stromtarifen auseinandersetzen müssen. Sie werden jeweils nach der Arbeit auf dem Betriebshof an einer dort installierten Wallbox aufladen können. Nach einigen Stunden Ladezeit wird genügend Energievorrat an Bord sein.
Wer allerdings über eine größere Distanz elektrisch mobil sein will, muss sich mit weiteren technischen Zusammenhängen vertraut machen. Dabei steht die CCS-Schnellladung im Vordergrund, damit das Fahrzeug nach einer realistischen Ladezeit von etwa einer Stunde um eine bedeutende Entfernung weiterkommt – die Standorte solcher Schnellladesäulen sind jedoch noch eher selten.
Bei kommenden, komplett neu entwickelten E-Fahrzeugen, so z. B. beim für den Herbst angekündigten ID.Buzz Cargo von Volkswagen, bilden Vorder- und Hinterachse jeweils mit eigenem E-Antrieb kompakte Einheiten. Dazwischen füllen den Sandwichboden flache Akkus ähnlich wie Schokoriegel, und zwar in einer Anzahl, die entweder mehr Nutzlast oder deutlich mehr Reichweite möglich macht, als dies derzeit im Angebot der E-Nutzfahrzeuge realisierbar ist.
Und die Verbrenner im Modelljahr 2022?
Inzwischen ist für alle fabrikneuen leichten Nutzfahrzeuge mit Verbrenner die Zulassung Euro 6d ISC-FCM vorgeschrieben, bei der die maximalen NOx-Grenzwerte (Stickoxid) zwar unverändert geblieben sind. Mögliche Toleranzgrenzen sind aber noch enger gefasst als bei Euro 6d Temp – und die Einhaltung der Vorgaben während des Fahrbetriebes wird durch die gespeicherten Motordaten dokumentiert.
Beantragte Übergangsfristen oder Ausnahmen könnten allerdings dazu führen, dass Lagerfahrzeuge auch jetzt noch gemäß Euro 6d Temp erstmalig zugelassen werden können. Der Entscheider sollte deshalb Wert darauf legen, dass tatsächlich beim neuen Verbrenner die zeitgemäße Abgastechnik an Bord ist.
Ehrgeizige Ziele im Verkehrssektor?
Absehbar ist, dass selbst bei Erfüllung der ambitionierten Elektromobilitätsziele im Jahr 2030 der weitaus größere Teil der Fahrzeugflotte mit Verbrennungsmotoren unterwegs sein wird. Statistiker rechnen vor, dass die Hälfte der 2030 zugelassenen Verbrenner schon jetzt auf der Straße rollen. Auch diese Fahrzeuge müssten einen deutlich gesteigerten Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn sich im Verkehrssektor eine klar erkennbare Minimierung abzeichnen soll.
Nach dem Motto „sowohl als auch“ wäre daher jede taugliche Maßnahme nützlich, damit NOx- und CO2-Emissionen gesenkt werden können. Markteingeführte Biokraftstoffe wie Biodiesel oder die Benzinsorte E10 leisten bereits aktuell einen Klimaschutzbeitrag, könnten aber Experten zufolge durch fortschrittliche Biokraftstoffe deutlich ergänzt werden.
Auch wird weiter über E-Fuels diskutiert, die zwar in ihrer Energieeffizienz (noch) einen recht dürftigen Wirkungsgrad vorweisen. Doch ließen sich auch herkömmliche Verbrenner damit betanken und könnten dann nahezu klimaneutral unterwegs sein. Forschung und Entwicklung sowie eine Massenproduktion würden allerdings bis 2030 hohe Investitionen nötig machen – innerhalb der Europäischen Union lässt diese Aussicht manchen politischen Entscheider auf die Bremse treten.(TD)