Mehr aus Sicht des Nutzers denken. Diese Kernaussage hat das Dialogforum „SHK-Handwerk trifft Pflegewirtschaft“ getroffen. In Berlin gingen die rund 100 Teilnehmer vor allem der Frage nach, wie sich die Zusammenarbeit über alle Interessensgruppen hinweg erfolgreich gestalten lässt und welche Lösungen bereits als Wegweiser dienen. Aus diesem Grund brachte der Zentralverband SHK das Handwerk und Partner aus der Pflegewirtschaft zusammen.
Im Jahr 2014 hat jeder der rund 25 000 SHK-Innungsbetriebe im Durchschnitt 16 Badsanierungen ausgeführt. Davon wurden 7 Aufträge altersgerecht gestaltet. Das barrierefreie Badezimmer (oder Komfortbad) nimmt eine Schlüsselfunktion ein. Hier entscheidet sich, wie selbstbestimmt Menschen im eigenen Heim leben können. Allerdings: Nur eine weitsichtige Badplanung in jedem Objekt berücksichtigt diese Entwicklung langfristig. Die Realität sieht nämlich anders aus. SHK-Fachunternehmer Eberhard Bürgel weiß aus eigener Erfahrung, dass gut 60 % seiner Barrierefrei-Umbauten aus einem Notfall heraus entstehen, von kurzer Hand geplant. „Der Baubeginn muss sofort sein, weil der Nutzer der Wohnung nach kurzer Zeit aus dem Krankenhaus oder der Reha-Maßnahme entlassen wird und auf ein barrierefreies Umfeld zu Hause angewiesen ist“, sagte er beim Dialogforum.
Verzögerungen vermeiden
Als ein Hemmschuh stellt sich dabei immer wieder heraus, dass die Beteiligten zu wenig über die Grenzen ihres Tätigkeitsgebietes hinaus denken. Das SHK-Handwerk hat das Know-how, die baulichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Senioren möglichst lange in den eigenen vier Wänden wohnen können. Die SHK-Verbandsorganisation qualifiziert ihre Mitgliedsbetriebe gezielt dazu, beim Badumbau eine gewerkeübergreifende Leistung aus einer Hand anbieten zu können. Darüber hinaus ist das Zusammenwirken von Handwerksbetrieben im engen Schulterschluss mit den Institutionen der Pflegewirtschaft eher die Ausnahme und meist auf das persönliche Engagement einzelner Verantwortlicher zurückzuführen.
Das hat Folgen für die Kunden. „Die fehlende Anerkennung des SHK-Handwerkers bei den Pflegekassen führt heute zu unnötigen Verzögerungen beim altersgerechten Badumbau“, stellte ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Elmar Esser in Berlin heraus. Er verwies auf die Notwendigkeit, bei „Notfällen“ zu unbürokratischen Lösungen zu kommen. Es dürfe nicht sein, dass der medizinische Dienst der Krankenversicherung zur Begutachtung der Situation bis zu drei Wochen Zeit benötige, bis feststehe, ob ein Zuschuss aus der Pflegekasse gewährt werde. Das ist kaum zumutbar, sagt der Hauptgeschäftsführer: „Erst nach Klärung der Bezuschussung kann mit der Umbaumaßnahme begonnen werden. Dies stellt für die betroffene Person eine unzumutbare Verzögerung dar, die nicht notwendig ist. Unser Vorschlag zielt auf eine Verschlankung und Beschleunigung des Verfahrens zugunsten der Betroffenen.“
Netzwerke nutzen
Bei aller Kritik richteten die Teilnehmer beim Dialogforum „SHK-Handwerk trifft Pflegewirtschaft“ ihren Blick aber auch auf Punkte, die in der Praxis schon gut laufen und durchaus Vorbildcharakter einnehmen. Sie trugen zusammen, was bislang bei Produkten, Prozessen und Netzwerken als erfolgreich angesehen werden kann und wie sich weitere Verbesserungen erzielen lassen. „Wir müssen noch viel mehr aus Sicht des betroffenen Bewohners an die Dinge herangehen“, lautete eine Schlussfolgerung. Von der Bewilligung von Baumaßnahmen über die Auftragsvergabe und Produktwahl bis hin zur Einrichtung eines Arbeitsplatzes für das Pflegepersonal könne vieles besser organisiert werden, war eine weitere Sichtweise.
Der ZVSHK wertet die Ergebnisse des Austauschs aus, um Erkenntnisse für die praktische Arbeit der Sanitärbetriebe aufzubereiten. Geplant ist, daraus ein Konzept für die SHK-Innungen zu erstellen. Ferner sollen davon zudem die Sanitärwirtschaft und verantwortliche Stellen innerhalb des Gesundheitssystems profitieren.
Dienstleistungen darstellen
Von politischer Seite wird dieses Angebot gerne angenommen: „Nicht der Staat, sondern der Markt ist der beste Pfadfinder, um die Bedürfnisse zu befriedigen“, sagte Staatssekretär Karl-Josef Laumann aus dem Gesundheitsministerium. Er verwies während der Berliner Veranstaltung auf die jetzt mögliche Beihilfe von 4000 Euro aus der Pflegekasse für notwendige Baumaßnahmen, die bei einem Akutfall wichtig sind. Damit ließe sich je nach finanziellem Rahmen das Nötigste umsetzen oder eben ein umfangreiches Konzept nach Maß verwirklichen. Der Staatssekretär appellierte an Industrie und Handwerk, klar definierte Dienstleistungen am Markt zu platzieren.
Das Berliner Dialogforum nutzte der Zentralverband zudem, um beim Gesundheitsministerium deutlich zu machen, dass die Umbaumaßnahmen im Rahmen des Pflegezuschusses verbindlich an ein geschultes SHK-Unternehmen gebunden sein sollten. Das ist bislang nicht der Fall. Verbraucher können nach aktueller Lage in Eigenregie umbauen. Das führt zu Gefahrenquellen, etwa zu mangelhafter Hygiene in der Trinkwasserinstallation oder zu instabiler Befestigung von Haltegriffen und Duschsitzen. Risiken, die eine fachgerechte Montage durch SHK-Handwerker gar nicht erst aufkommen lässt.
Karl-Josef Laumann sieht bis mindestens zum Jahr 2030 einen enormen Handlungsbedarf für die Herstellung der Barrierefreiheit im Bad. Selbst, wenn einem dringend benötigten Umbau begrenzte Ersparnisse gegenüberstehen, können Maßnahmen angegangen werden: „Mit etwa 6000 Euro lässt sich das Wichtigste verbessern. Wünsche mögen da weiter reichen, doch mehr geht dann eben nicht.“
Tipp
KfW-Fördergeld erhöht
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fördert Baumaßnahmen nach definierten Standards. Geht es z um eine präventive altersgerechte Badrenovierung, müssen die Bedingungen für den Förderbaustein Sanitär eingehalten werden. Auch umfangreichere Baumaßnahmen (Standard: Altersgerechtes Haus) unterstützt die KfW, wenn ein Sachverständiger prüft. Seit November 2015 hat die KfW den Investitionszuschuss von 4000 auf 5000 Euro angehoben (Zuschuss-Variante 455). Für den kompletten Standard „Altersgerechtes Haus“ konnten früher höchstens 5000 Euro bezuschusst werden, jetzt gibt es maximal 6250 Euro. Damit stets deutlich ist, dass technische Mindestanforderungen der KfW eingehalten werden, kann der Sanitärfachmann schon bei der Planung eine App nutzen. Nähere Informationen unter www.kfw.de (im Suchfeld die Begriffe Check und App eingeben).
Info
Bewegungsraum einplanen
Der erste Dialog zwischen Handwerk, Industrie und Pflegewirtschaft hat Handlungsbedarf an unterschiedlichsten Stellen aufgezeigt. Die wichtigsten Punkte lauten:
- Beim plötzlich eintretenden häuslichen Pflegefall sehen sich Angehörige, Pflegepersonal, Handwerker, Sanitätshaus sowie Apotheke mit ganz unterschiedlichen Problemen konfrontiert. Um ein gut funktionierendes lokales Netzwerk mit engagierten Personen aufbauen zu können, bedarf es eines Masterplans. Denn das Zusammenwirken von Handwerkern im engen Schulterschluss mit der Pflegewirtschaft ist derzeit die Ausnahme.
- Die fehlende Anerkennung des SHK-Handwerkers bei den Pflegekassen führt heute zu unnötigen Verzögerungen beim altersgerechten Badumbau.
- Bei der Entwicklung von Produkten, Prozessen und Netzwerken muss deutlich mehr aus der Position des Betroffenen und seinen noch verbliebenen Möglichkeiten heraus gedacht werden.
- Im Fokus der Badplanung standen bislang Wellness sowie Funktion und Design, doch ein wichtiger Punkt kommt hinzu: Das Senioren-Bad ist auch ein Arbeitsplatz für Pflegekräfte. Entsprechend hoch ist der Platzbedarf.
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