Die Entwässerungstage 2016 in Fulda haben eine ausgewogene Mischung an Inhalten geboten. Auf der Tagesordnung standen unter anderem Beiträge zu Themen wie „Regenwasser störungsfrei und umweltgerecht ableiten“ oder „Häusliche Abwässer ohne Komplikationen über die Rückstauebene fördern“. Darüber hinaus beschäftigten sich die Teilnehmer mit den Möglichkeiten, Schäden an Leitungen zu erkennen und geeignete Sanierungsmaßnahmen zu treffen.
Die DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall) veranstaltet zusammen mit dem Zentralverband SHK seit vielen Jahren diesen Expertentreff zu Entwässerung und Regenwasserbewirtschaftung. Die Vorträge zu Normen und Regelwerken, zu Technik und Sanierungsverfahren werden dabei von einer Ausstellung begleitet. Die Industrie zeigt hier Lösungen für diverse Problemstellungen.
Ein großes Thema stellte in Fulda die DIN 1986-100 dar. Klaus-Dieter Sondergeld vom Normenausschuss gab einen Überblick zu den mittlerweile zahlreichen Änderungen in der nationalen Ergänzungsnorm. In Kürze wird ein Gelbdruck herausgegeben, gegen Ende 2016 könnte die Novellierung fertig sein. Gründe für die Änderungen sind:
- Starkregen ist in den letzten Jahren so massiv registriert worden, dass die sogenannten Kostra-Daten für Niederschlagsmengen in einigen Regionen Deutschlands korrigiert werden mussten.
- Für versiegelte Flächen auf Grundstücken bis zu einer Größe von 800 m<sup>2</sup> ist kein Überflutungsnachweis erforderlich. Dort lassen sich auch in Zukunft Niederschläge ohne besondere Auflagen in den öffentlichen Kanal einleiten – kommunale Besonderheiten könnten dennoch hinzukommen. Bei großen Industrieflächen muss sich der Fachplaner allerdings auf Neuerungen einstellen, die eine kontrollierte Überflutung, Versickerung und den verzögerten Ablauf betreffen.
- Die Entwässerung von Balkon oder Loggia darf nur dann an die Fallleitung der Dachentwässerung angeschlossen werden, wenn mindestens 50 % der Brüstung einen freien Ablauf ermöglicht, so dass kein Aufstau entstehen kann. Die übermäßige Belastung des Entwässerungssystems bei Starkregen soll verhindert werden.
- Bei kleinen Kühlaggregaten auf Dächern muss gemäß AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) eine vorgeschriebene Auffangwanne von maximal 10 m<sup>2</sup> unter Beachtung der maximalen Ablaufmenge von 1 l/sec in eine Fallleitung DN 100 entwässern. Voraussetzung dafür ist, dass für diese Neuerung die seit einiger Zeit auf Eis gelegte AwSV in Kraft tritt. Das könnte durchaus im Laufe dieses Jahres erfolgen.
Unter Rückstauebene sicher entwässern
Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung drehte sich um Lösungen für die Entwässerung unterhalb der Rückstauebene. Wenn Abwasser im Normalfall gerade noch im Freispiegel in den öffentlichen Kanal abfließt, kann eine Rückstauklappe im Notfall Schlimmeres verhindern. Im Fall des Versagens sichert diese einfache Variante aber nicht den weiteren Betrieb der Entwässerungsanlage.
Hat dagegen eine Hebeanlage nach heutigem Stand der Technik mehr Sicherheit zu bieten? Ja, lautete die Antwort in Fulda. Roland Priller (Kessel) stellte eine Hybridtechnik vor, die die Vorteile von Hebeanlage und Rückstauklappe kombiniert: Im Normalfall kann das Abwasser ungehindert im Freispiegel fließen. Sollte ein Rückstau entstehen, schließt eine selbsttätige Sicherheitsklappe, die Hebeanlage greift ein und pumpt über die Rückstauebene hinweg das Schmutzwasser ab. Sie hält den Entwässerungsbetrieb aufrecht.
Grundsätzlich ist eine Hebeanlage erforderlich, wenn die unterste Geschossebene deutlich unter dem Niveau des öffentlichen Kanals liegt. Welche technischen Komponenten dann zu installieren und welche Regelwerke zu beachten sind, das erläuterte Marco Koch (Jung-Pumpen) in einer Übersicht.
Lüfterhaube kann Funktion drosseln
Bernd Ishorst (Informationszentrum Entwässerung-Guss, IZEG) machte während der Veranstaltung auf einen wichtigen Punkt in der Gebäudeentwässerung aufmerksam: auf Belüftungsventile nach DIN EN 12380. Weil bereits sehr geringe Differenzdrücke darüber entscheiden, ob die einwandfreie Funktion gegeben ist oder ob der strömungstechnische Ablauf in der Fallleitung gestört wird, muss der Lüfterhaube über Dach eine besondere Beachtung zukommen. Luftumlenkungen von mehr als 90 Grad, beispielsweise durch eine Glockenhaube, könnten da durchaus problematisch sein, sagte Ishorst. Nicht Design dürfe Priorität haben, sondern die einwandfreie Funktion. Darum seien SHK-Fachleute gut beraten, wenn sie ausschließlich Belüftungsventile verwenden würden, die nach DIN EN 12380 geprüft sind. Das ist übrigens ein wichtiger Prüfpunkt, wenn der Fachbetrieb einen Entwässerungs-Check durchführt.
Umfangreiche Sanierung im Bestand
Ein Beispiel von einer erfolgreichen Sanierung stellte Norbert Krückel vom Ingenieurbüro Franz Fischer vor. Er berichtete von einer Anlage mit 92 Wohnungen in Ingolstadt. Seit der Errichtung Anfang der 1970er-Jahre gab es verschiedene Erweiterungen, die letztlich zu verwirrenden Komplikationen in der Entwässerungstechnik geführt haben. Der Bauherr hatte sich zu der Sanierung entschlossen, um eine klare Trennung zwischen Regenwasser und häuslichem Abwasser vorzunehmen und um regelmäßig auftretende Störungen zu beseitigen.
Das Ergebnis: Die Entwässerung aller obenliegenden Wohnungen wird jetzt über abgehängte Leitungen geführt, die Souterrain-Wohnungen entsorgen Abwasser über rückstausichere Hebeanlagen, die teils in den Außenbereich (Grünanlage) verlagert wurden. Hauptstränge verlaufen in abgedeckten Rinnen, wo es möglich ist. So ließen sich ursprünglich 300 m erdverlegte Leitungen in Gebäuden bis auf 20 m reduzieren – für die Inspektion oder eine Sanierung sind das in Zukunft komfortable Bedingungen.
Mit dem Projekt ging eine Besonderheit einher: Es konnte verhindert werden, dass große Bereiche aufgrund der umfangreichen Baumaßnahmen unbewohnbar wurden. Das zeigt, dass auch im Bestand umfangreiche Sanierungen realisiert werden können, wenn die Bauleitung zusammen mit der Hausverwaltung auf eine große Transparenz im Bauverlauf achtet und die beteiligten Baufirmen zu einer weitreichenden Koordination verpflichtet.
Tipp
Mängel richtig einschätzen
Stichwort DIN 1986 Teil 30 (Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Instandhaltung): Als wichtige Hilfe für den Fachmann hat der ZVSHK zusammen mit dem DIN/Beuth für Mitgliedsbetriebe die Norm plus Kommentar herausgegeben. In der Kommentierung werden alle Zusammenhänge von der Dokumentation über die Zustandserfassung, die Bewertung sowie die Sanierungsverfahren, Prioritäten und Zeiträume detailliert erläutert. Es sind praxisgerechte Hintergrundinformationen zu allen Abschnitten der Norm enthalten. Mit mehr als 250 Bildern, Skizzen und Darstellungen werden die einzelnen Sachverhalte ergänzend erklärt, zum Beispiel die Schadensklassen. Das Buch ist für Sanitärfachbetriebe ein wichtiger Ratgeber im Baustellenalltag. Mitglieder der SHK-Berufsorganisation erhalten den Kommentar einschließlich DIN 1986-30 zum Mitgliedspreis von netto 49,50 Euro plus Nebenkosten. Die Bestellung ist über den SHK-Onlineshop unter www.zvshk.de möglich (Quicklink QL6614361).
Info
Gefahren ausschließen
Sind Abscheider für Fette explosionsgefährdet? Müssen Hebeanlagen zukünftig anders konstruiert werden, damit sich Faulgase nicht unter ungünstigen Bedingungen entzünden können? Wie lässt sich verhindern, dass Leichtflüssigkeitsabscheider bei Starkregen durch Überflutung versagen? Diese und weitere Themen greift der Normenausschuss für die relevanten nationalen Regelwerke DIN 1999-100 sowie DIN 4040-100 auf. Im Laufe des Jahres finden Einspruchsberatungen statt, so war während der Entwässerungstage in Fulda zu vernehmen. Danach werden Antworten und Lösungen für die oben genannten Fragen in die Normen eingearbeitet.