Warum der zeitnahe Einstieg in das „Building Information Modeling“ (BIM) so wichtig für alle Beteiligten ist, darüber informierte Viega in Berlin 400 Planer und planende Fachhandwerker im Rahmen des Fachsymposiums „Planen, Bauen und Betreiben mit BIM“. Bundesweit finden bis Dezember insgesamt 17 dieser mit hochkarätigen Referenten besetzten Fachsymposien statt, vier weitere in Österreich.
Integrale Planung auf Basis von BIM ist keine Zukunftsmusik. In einigen Ländern wird bereits bei öffentlichen Projekten die Planung mit BIM vorgeschrieben. Diese Entwicklung ist genauso weitreichend wie der Übergang vom Zeichenbrett zur CAD-Planung. Darauf sollten sich Architekt, Planer oder planende Fachhandwerker möglichst bald einstellen, wenn sie auf Dauer im Wettbewerb bestehen wollen – das war die Einschätzung der namhaften Referenten aus Wissenschaft und Praxis, die beim Viega-Symposium das Thema BIM aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchteten.
Deutschland mal nicht Vorreiter
„Als einer der international führenden Systemhersteller von Installationstechnik erleben wir derzeit sehr intensiv, wie weit beispielsweise die USA, Großbritannien oder die skandinavischen Länder beim Thema BIM schon sind“, so Dirk Gellisch, Mitglied der Viega-Geschäftsleitung. „Entsprechend groß wird der Druck auf die Baubranche, die Arbeitsmethodik auch hierzulande bald umzusetzen. So hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur BMVI Ende 2015 auch für Deutschland einen Stufenplan zur schrittweisen Einführung von BIM bis 2020 vorgestellt. Mit der aktuellen Symposi-umsreihe bereiten wir unsere Marktpartner auf diese Entwicklung vor. Außerdem vermitteln wir das entscheidende Fachwissen, wie BIM technisch, wirtschaftlich und rechtlich funktioniert – und wie man es erfolgreich in das eigene Planungsbüro oder Handwerksunternehmen einführen kann.“
Noch ein Stück Weg zu gehen
Warum BIM eigentlich notwendig ist und welchen konkreten Praxisnutzen diese kollaborative Arbeitsmethodik bringt, machte Professor Dr.-Ing. habil. Christoph van Treeck von der RWTH Aachen zum Auftakt des Viega-Fachsymposiums deutlich. Eine vollständig digitale Planung, die sich auch auf die Montage, die Inbetriebnahme und den Betrieb eines Objektes erstrecke, ermögliche beispielsweise eine in dieser Form bisher einmalig umfassende Qualitätssicherung. Sie werde während der Bauphase zu mehr Transparenz und später zu deutlich geringeren Betriebs- und Unterhaltskosten führen.
Allerdings sei bis dahin noch ein erhebliches Stück Weg zu gehen, so van Treeck: „Die Entscheidung, in welcher Tiefe und Form BIM in Planung, Ausführung und Betrieb eingesetzt wird, liegt in erster Linie beim Bauherrn und Betreiber. Sie müssen dies einfordern und überwachen. Und genau hierin liegt das Problem. BIM führt zu Verschiebungen von Aufwänden im Planungsprozess in frühere Phasen. BIM wird dann in der Planung eingesetzt, wenn sich daraus ein ökonomischer Mehrwert ergibt. Für Generalunternehmer stellt sich dies damit anders dar als für den mittelstandsgeprägten Sektor. Deshalb ist gerade der Mittelstand aufgefordert, sich jetzt mit diesem Thema auseinanderzusetzen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu qualifizieren und sich in Pilotvorhaben Expertise anzueignen. Nur so kann der Mittelstand auch künftig an der Wertschöpfung teilhaben.“
Energieeffizienz als wesentlicher Treiber
Ein wesentlicher Treiber zur Marktdurchdringung von BIM werde auf jeden Fall die für alle neuen Bauprojekte geforderte Energieeffizienz sein, davon war im Rahmen des Viega-Fachsymposiums Dipl.-Ing. Sebastian Herkel vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE, Freiburg) überzeugt: „Energieverbrauch und -versorgung werden von fast allen Gewerken beeinflusst oder beeinflussen sie. Darüber hinaus wirkt sich der Energieverbrauch während der Nutzungsdauer entscheidend auf die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes aus.“ Eine genaue und integrale Planung der Energieversorgung sei damit essenziell für die Gesamtperformance eines Gebäudes, so der Fraunhofer-Forscher. „Die aber ist ohne die digitale Basis von BIM nicht zu leisten.“
Denn nur mithilfe von Softwaretools sei es möglich, die Gebäudedaten digitalisiert so zu vernetzen, dass alle für den Energieeinsatz entscheidenden Parameter und Gewerke berücksichtigt werden und später auch in eine Verbrauchsoptimierung einfließen. Der Bogen spannt sich von den gesetzlichen Grundlagen beispielsweise zu energetischen Mindeststandards über die Art der Energieversorgung bis hin zum Monitoring in der Betriebsphase, um die ursprünglich geplanten Effizienz- und Komfortkriterien einhalten zu können.
Ein paar Linien auf dem Papier sind zu wenig
Wie die BIM-Planung in der Praxis aussieht, das konnte bei dem Viega-Symposium Dipl.-Ing. (FH) Eberhard Dux von der Planungsgruppe M+M AG aus Böblingen sehr plastisch schildern. Die Planungsgruppe M+M arbeitet viel für Auftraggeber aus der Industrie sowie Gesundheit, Forschung und Lehre – und da ist die Planungsmethodik schon in aller Breite angekommen. „In einigen Jahren wird das aber genauso für Wohnprojekte und ähnliche gelten. Die Planer sollten sich unbedingt heute schon darauf einstellen, denn mit ein paar Linien auf dem Papier sind die Planungsaufgaben dann schlicht und einfach nicht mehr zu lösen“, so Eberhard Dux.
Allerdings räumte er auch ein, dass „im Moment BIM noch denkbar unterschiedlich interpretiert wird. Wichtig ist es daher, vor Planungsbeginn mit dem Auftraggeber eindeutige Planungsziele und Planungsinhalte zu beschreiben; wie beispielsweise die Kollisionsprüfung in 3D.“ Dafür gebe es verschiedene Software-Lösungen. Die Investition in eine geeignete Software sei das eine, so Eberhard Dux. Mindestens genauso wichtig ist aus Sicht des M+M-Planers die frühzeitige Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Sie müssen die Bedeutung von BIM als umfassenden Planungsprozess verstehen und für ihre Arbeit verinnerlichen.“
Mehr Qualität im gesamten Bauprozess
Dass BIM nicht „urplötzlich vor der Tür stand“, sondern im inhaltlichen Sinne eine von vielen Planern schon lange geübte Praxis ist, zeigte im Rahmen des Viega-Fachsymposiums Dieter Hellekes. Als Leiter des Bereichs Viega Training für Zentraleuropa verfolgt er seit Jahren mit ganz engem Praxisbezug, wie komplex beispielsweise die Auslegung von Trinkwasser- oder Brandschutz-Installationen geworden ist – und dass solche Anforderungen nicht ohne den Blick über den Tellerrand des eigenen Gewerks zu leisten sind. „In BIM fließen alle relevanten Parameter – dazu gehören auch die exakten Eigenschaften aller Bauteile – in die Planung ein“, so Hellekes. Das fordere ganz entscheidend auch die Hersteller, denn „wir müssen den Kunden aus den Planungsbüros und dem Fachhandwerk nicht nur zeitnah die notwendigen Datenstämme zur Verfügung stellen, sondern möglichst auch die dazu passende Software.“
Viega sehe in dieser digitalen Weiterentwicklung zugleich die Chance zu mehr Wirtschaftlichkeit, Qualität und Prozesssicherheit in der Bauausführung. „Die entscheidenden Vorteile des über alle Projektstufen hinweg durchgängigen Datenbestandes schlagen genauso bei der modellbasierten Mengenermittlung durch wie bei der Bauablaufsimulation, die zu einer einfacheren Koordination der Gewerke auf der Baustelle führen kann“, informierte Dieter Hellekes in Berlin.
Frühzeitig Verträge präzise festzurren
Mit diesem aktuellen Stand der Technik scheint die praktische Umsetzung des Building Information Modeling zumindest den juristischen Rahmenbedingungen fast schon ein Stück voraus zu sein – so der Eindruck nach dem Viega-Fachsymposium. Denn „angefangen beim Vergaberecht über die Vertragsgestaltung und das Honorarrecht bis hin zum Gewährleistungsrecht stellt BIM auch die Juristen vor neue Herausforderungen“, so Dr. Robert Elixmann von der auf Baurecht spezialisierten Kanzlei Kapellmann und Partner (Düsseldorf). Der Hintergrund: Mit der engen Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten inklusive der gemeinsam genutzten Planungs- und Verarbeitungsdaten sind Themenfelder wie das Urheberrecht oder die Datenarchivierung in anderer Form berührt, als es bisher im Bauprozess der Fall war.
Die Konsequenz daraus war für den Juristen im Referentenkreis aber verblüffend einfach. „Abwarten, dass der Gesetzgeber etwas tut, ist nicht erforderlich. Alle rechtlichen Anpassungen können die Baupartner schon heute in Projektverträgen vornehmen“, so Robert Elixmann. Notwendig sei dabei vor allem, frühzeitig und präzise die BIM-Methoden sowie die Leistungspflichten daraus schriftlich festzulegen: „Wer darüber erst nach Vertragsschluss nachdenkt, handelt zu spät.“
BIM setzt auf Zusammenarbeit zwischen den Gewerken
Die integrale Planung von Gebäuden mit BIM ist deutlich über den Status einer „digitalen Vision“ hinaus. Sie wird über kurz oder lang auch für die Technische Gebäudeausrüstung kommen – spätestens, wenn öffentliche Ausschreibungen BIM als Arbeitsmethode vorschreiben. Umso wichtiger ist es für kleine und mittelständische Planungsunternehmen, sich schon jetzt mit dem Thema zu befassen und in Pilotvorhaben Erfahrungen zu sammeln. Darin waren sich die Besucher des Viega-Fachsymposiums in Berlin einig. Und noch eines wurde deutlich: Mit BIM wird sich die Art der Zusammenarbeit zwischen den Gewerken verändern, denn BIM setzt kompromisslos auf Zusammenarbeit, vom Planen über das Bauen bis hin zum Betreiben eines Objektes.
TIPP
VDI-Fachbuch zum Thema BIM
Der VDI-Verlag hat zu dem Viega-Fachsymposium „Planen, Bauen und Betreiben mit BIM“ ein umfassendes Fachbuch herausgegeben. Es enthält ein Vorwort von Professor Dr.-Ing. Markus König, Leiter des Lehrstuhls für Informatik im Bauwesen der Ruhr-Uni Bochum und Vorsitzender des Arbeitskreises Bauinformatik. Auf mehr als 450 Seiten werden in dem Fachbuch in fünf Kapiteln die Vorträge des Fachsymposiums zusammengefasst und vertieft.
Die Teilnehmer an den Fachsymposien erhalten das Buch direkt im Anschluss an die jeweilige Veranstaltung kostenlos. Im Handel ist das Fachbuch mit der ISBN-Nummer 978-662-528824-2 ebenfalls erhältlich.
Referenten
Info
Noch Anmeldungen möglich
Das Viega-Fachsymposium „Planen, Bauen und Betreiben mit BIM“ in Berlin war eines der ersten in einer Reihe von insgesamt 17 Veranstaltungen bundesweit. Bis Anfang Dezember stehen weitere Termine unter anderem in Kassel (2.11.), Leipzig (8.11.), Hamburg (9.11.), Saarbrücken (15.11.) und Dresden (6.12.) auf dem Programm.
Interessenten, die sich noch kurzfristig für eine Teilnahme entscheiden, sollten sich möglichst zeitnah online unter www.viega.de/symposium anmelden. Dort gibt es auch detaillierte Informationen zu den jeweiligen Veranstaltungsorten und zum Programm.