SBZ: Der vergangene Unternehmertag hat gezeigt, dass sich die Betriebe nicht nur für die Möglichkeiten interessieren, sondern zum Teil schon „auf Augenhöhe“ mit den Anbietern digitaler Lösungen sprechen. Warum ist das Berliner SHK-Handwerk so offen für digitale Neuerungen?
Andreas Schuh: Der Unternehmertag letzten September war ja nicht unser erster Aufschlag bei dem Versuch, unseren Mitgliedern kreative Formate anzubieten, sie zu interessieren für die großen Veränderungen im Handwerk, ihnen zu zeigen, dass Neuerungen eine Chance sind. Inzwischen verfügen unsere Betriebe über vielfältige Erfahrungen. Seit 2017 führen wir Barcamps durch und haben damit dem Handwerk Lernfelder eröffnet, nicht nur mit der Industrie oder dem Großhandel zu sprechen, sondern auch mit Start-ups, mit Kreativen, mit jungen Handerkern aus dem ganzen Bundesgebiet. 2019 erfanden wir dann das Format des Unternehmertages und brachten konkrete Produkte direkt zum Betrieb. Wir kommunizieren bei Social Media und vermitteln, dass die digitale Transformation auch von Handwerksbetrieben ein hohes Maß an Anpassungsbereitschaft, Agilität, Flexibilität und Vernetzung verlangt. Mit dem Unternehmertag wollten wir die Betriebe mitnehmen, sie ermuntern, die Schwelle in die digitale Welt zu überschreiten. Auch kleine Betriebe können dabei partizipieren. Inzwischen sind Kooperationen zwischen Mitgliedern und Start-ups entstanden, die jetzt gemeinsam an individuellen Lösungen für die Betriebe arbeiten. Untereinander wird sich das dann auf Innungsversammlungen erzählt. Manche Betriebe haben sich in WhatsApp-Gruppen zusammengeschlossen. Aus dem Innungsvorstand kommt z. B. mit #lustaufhandwerk eine eigene Social-Media-Initiative. Aber die Bandbreite bleibt trotzdem groß von digitalen Vorreiterbetrieben hin zu denjenigen, die damit fremdeln und weiterhin ihre Kommunikation über das Faxgerät steuern. Uns ist wichtig, nicht von oben herab zu agieren, sondern wir schaffen Gelegenheiten.
SBZ: Schlankere Betriebsabläufe mittels digital-elektronischer Lösungen sind ein Mittel, um als SHK-Unternehmer effizienter zu wirtschaften. Da wird die Digitalisierung gar als ein Schlüssel gegen den Fachkräfteengpass bezeichnet. Setzt dieser Effekt bei Ihren Innungsbetrieben schon ein?
Schuh: Die Berliner Innung sieht zwei wesentliche Handlungsfelder, die miteinander verzahnt sind: zum einen die Optimierung von Betriebsabläufen, die Kosten reduzieren und neue Zeitfenster schaffen kann, um sich besser auf die eigentlichen Aufgaben des Handwerks zu konzentrieren oder auch auf Mitarbeiterbindung. Dazu gehören zum Beispiel digitale Tools, die Arbeitszeit und Arbeitskraft bei der Angebotserstellung sparen. Aber auch Baustellenplanung, Dokumentation, Einsatz von Monteuren im Kundendienst, Lagerlogistik, Bestellwesen, Rechnungslegung können digital gesteuert werden. Die Verschlankung von Prozessen ist eine wichtige Stellschraube. Aber zum anderen geht es auch um Sichtbarkeit in Social Media. Das betrifft die Bereiche Empfehlungsmarketing, Neukundenakquise, Dokumentation von Baustellenfortschritt, Visualisierung von Handwerkerleistungen, Transparenz gegenüber Kunden, Nachfolgersuche und auch die Ansprache Jugendlicher. Betriebe können sich moderner präsentieren, sie sollten eine gute Website haben, sich bei Facebook oder Instagram bewegen, kleine Filmchen drehen. Prozessoptimierung ist ein Modewort. Gelebt wird es nur, wenn viele Stellschrauben ineinandergreifen. Immer mehr Mitglieder von uns versuchen wirklich, hier mitzumachen. Aber es gibt auch Hemmschwellen und auch Jugendliche wählen nicht ihre Ausbildung nur auf Basis von YouTube-Videos. Die hybriden Berufsorientierungsmessen, die in Berlin während der Pandemie oftmals der einzige Zugang zum Nachwuchs waren, haben uns das vor Augen geführt.
SBZ: Generell suchen Sie in Berlin/Brandenburg nach vielfältigen Möglichkeiten, das Handwerk mit Ideen, Konzepten und Produkten in Kontakt zu bringen. Ein wichtiger Baustein dafür soll die neue Messe SmartHK werden, als Nachfolger zur Berliner Bautec?
Schuh: Unser Anspruch ist, jedes Jahr ein großes Event auf die Beine zu stellen. Die traditionelle Messe bei uns war über 20 Jahre die Bautec. Mit der letzten Bautec Anfang 2020 haben wir wirklich noch einmal ein Feuerwerk gezündet. Unser Auftritt in der SHK-Halle war ausgezeichnet und erfolgreich. Für uns ist es geradezu eine Verpflichtung, diesen Gedanken der gemeinsamen Präsentation mit Brandenburg in der Hauptstadtregion für die gesamte SHK-Branche und für unsere Mitglieder, die die Bautec auch immer als „ihre“ Messe empfunden haben, fortzuführen.
Aber selbstverständlich wird die SmartHK nicht einfach eine Bautec, die unter neuer Flagge segelt und ein anderes Gewand trägt. Die Bautec verfolgte das Konzept des Systemverbundes von Gebäudehülle und Gebäudetechnik. Die SmartHK fokussiert die intelligente Gebäudetechnik und möchte SHK neu denken – vernetzt, digital, smart. Dabei soll die Innovationskraft des gesamten SHK-Spektrums gezeigt werden, angefangen bei Sanitär über Heizungssysteme, erneuerbare Energien bis zur Lüftungstechnik. Auf unserem Innungsstand werden wir zum Beispiel smarte Lösungen eines modernen Bades präsentieren. Die SmartHK steht sehr unter dem Eindruck der seitens der Politik aufgeworfenen Zukunftsaufgaben, die zu lösen den Einbau modernster Technik erfordert.
SBZ: SmartHK ist an die Elektro-Fachmesse Belektro angedockt. Nehmen Sie damit die Entwicklung auf, dass in der Gebäudetechnik Strom einfach eine zunehmend wichtigere Rolle spielt?
Schuh: Wir müssen im gegenwärtigen digitalen Transformationsprozess noch stärker gewerkeübergreifend denken. Wir brauchen neue Kooperationen, müssen neue Schnittstellen definieren und Synergien schaffen. Die Anforderungen an intelligente Gebäudetechnik einschließlich digitales Monitoring in den Bereichen Sanitär, Heizung und Lüftung, aber auch generell die Elektrifizierung des Wärmemarktes machen den Dialog mit dem Elektrohandwerk unverzichtbar. Das betrifft am Ende auch die Berufsfeldentwicklung. Die Systemintegration von Gebäudetechnik erfordert ganz neue Kompetenzen auch bei den Fachkräften. Die Berliner SHK- und Elektroinnungen arbeiten schon länger eng zusammen. Auf sogenannten Zebra-Veranstaltungen diskutieren wir diese Synergien bereits und entwickeln gemeinsame Projekte. In Berlin wurde für den 1. Januar 2023 eine Solarpflicht beschlossen, die voraussichtlich zeitnah auch bundesweit zumindest im Neubau eingeführt werden wird. Wir sind mitten im Prozess und brauchen eine Plattform für Handwerk, Industrie und Großhandel, innovative Energieeffizienztechnologien in allen Marktsegmenten vernetzt zu denken.
SBZ: Was bedeutet das inhaltlich für die Themensetzung zur Messe?
Schuh: Die Messe zeigt energieeffiziente, intelligente Gebäudetechnik in den Wachstumsbereichen Sanitär, Heizung und Klima. Dazu gehören alle hybriden Heizungstechnologien, altersgerechte smarte Bäder, vernetzte Trinkwasserversorgung, strombasierte Anlagen, Solartechnik, kontrollierte Wohnraumlüftung, erneuerbare Energien, die Wärmepumpe oder Abwassernutzung. Wir organisieren Fachforen, laden Bundes- und Landespolitik ein. Es gibt eine Sonderschau Energie@Gebäude, wo unsere Gewerke sich noch einmal gezielt verschränken. Fachbesucher können mit einem Ticket beide Messen besuchen. Unsere jeweiligen Konzepte sind aufeinander abgestimmt. Wir zeigen aber auch, dass die Berliner Innung gemeinsam mit Elektro, den Dachdeckern und Schornsteinfegern in Berlin eine sogenannte Klimawerkstatt (KW@Berlin) schaffen möchte, einen Lernort, an dem Betriebe und Schülerinnen und Schüler der „Friday-for-Future“-Generation lernen können, dass und vor allem wie sie mit unseren Umweltberufen klimaaktiv sein können.
Dazu läuft derzeit mit Förderung der Berliner Landesregierung eine Machbarkeitsstudie, an der die Elektro- und SHK-Innungen beteiligt sind. Schließlich werden die Themen lebenslanges Lernen und Berufsfeldentwicklung angesichts der demografischen Herausforderungen und des aktuellen energiepolitischen Paradigmenwechsels zentrale Diskussionspunkte auf der SmartHK sein.
SBZ: Die SHK-Messelandschaft in Deutschland besteht ja derzeit aus drei Regionalmessen (Nord, West und Süd) plus die große ISH in Frankfurt. Wie wichtig ist es für das Selbstverständnis des SHK-Handwerks in Berlin und Brandenburg, auch weiterhin eine eigene Messeveranstaltung zu haben?
Schuh: Aufgrund der Nähe zu bundes- und landespolitischen Entscheidungsträgern ist die Metropolregion Berlin-Brandenburg geradezu prädestiniert, eine eigene große SHK-Fachmesse zu bespielen, um die notwendigen Impulse zu setzen. Wir möchten die Branche stark nach außen repräsentieren, aber auch nach innen Wirkung entfalten. Unsere Betriebe erwarten das sogar von uns. Wir glauben, mit der SmartHK auch eine Erwartungshaltung zu erfüllen. Der enorme Wandel, man spricht ja auch von disruptiven Veränderungen, technologisch und logistisch, man denke nur an die Vertriebswege, erfordert es einfach, das Handwerk regional selbstbewusst zu vertreten und überregionale Breitenwirkung zu erzielen.
SBZ: Warum ist es generell wichtig für Handwerksunternehmer, Messen besuchen zu können?
Schuh: Wir sind immer noch ein Handwerk. Und Handwerk lebt auch von über Jahre gewachsenen Beziehungen. Das zeichnet uns doch gerade aus. Unser Handwerk hat seinen Arbeitsplatz beim Kunden, nicht am Smartphone. Das Handwerk verlässt sich auf Qualitätsware und reibungslose Lieferketten. Und deswegen erwartet unser Handwerk weiterhin Produktpräsentationen auf Präsenzveranstaltungen. Das Anfassen, das Befühlen der Materialien bleibt zentraler Teil unserer Wahrnehmung. Die Erfahrungen während der Pandemie haben vor Augen geführt, dass das haptische Erleben völlig fehlte. Echte, ehrliche Gespräche werden gebraucht. Daher organisieren wir auch wieder einen großen Branchenabend. Trotzdem werden wir hybride Elemente einbauen. Wir wollen zum Teil live streamen und in unseren Social-Media-Kanälen posten.