SBZ: Herr Hartmann, die Kühllast von Gebäuden entwickelt sich heute zu einem zentralen Thema in der Klimatisierung von Innenräumen. Kann der Fachmann daraus schließen, dass er heute grundsätzlich neben der Heizlastberechnung auch eine Kühllastberechnung vornehmen sollte, um diesen Anforderungen entsprechen zu können?
Frank Hartmann: In der Tat ist es heute nicht selten der Fall, dass die Kühllast von Gebäuden gleichermaßen im Fokus steht und sich zu einer ähnlich relevanten Größe wie die Heizlast entwickelt. Während sich für die Raumheizung immer mehr hocheffiziente Niedrigtemperatursysteme durchsetzen, welche die Heizlast abdecken, die sich in der letzten Dekade mehr als halbiert hat, besteht eine Herausforderung an eine nachhaltige Gebäudeplanung darin, die Energieeinsparungserfolge bei der Heizlast durch Kühllasten im Sommer nicht zu gefährden.
Allerdings denke ich nicht, dass pauschal für jedes Gebäude auch die Kühllast berechnet werden muss. Vielmehr geht es darum, einen integralen Planungsansatz zwischen Architektur, Bauphysik und TGA schon in der Entwurfsplanung zu verfolgen, wofür sich dieser Fachbereich des BDH einsetzt. Bei Einfamilienhäusern ist es mit der richtigen Baustoffauswahl, der Beachtung des sommerlichen Hitzeschutzes, Verschattungsoptionen sowie der Gestaltung des Umraums durchaus möglich, ohne eine definierte Kühlleistung durch den Sommer zu kommen. Allerdings wird immer öfter der Doppelnutzen einer Flächenheizung/-kühlung für eine Ankühlung (durch Umkehrung des Wärmestroms) des Innenraums mittels Nutzung von Umweltwärme bzw. -kälte eingesetzt.
In vielen Nichtwohngebäuden wie z. B. Büro- und Verwaltungsgebäuden oder Schulen ergeben sich durch die verschiedenen und höheren Nutzungsdichten, als es im privaten Wohnungsbau der Fall ist, ganz andere Lasten, die schneller zu einem thermischen Unbehagen des Menschen führen.
Bei entsprechender Lage (anstehendes Mikroklima), Bauweise und Nutzungsdichte eines solchen Gebäudes ist es dringend zu empfehlen, eine detaillierte Kühllast (gemäß VDI 2078) zu berechnen.
SBZ: Welche Anforderungen werden heute an die ganzjährige Klimatisierung (Temperierung) von Gebäuden gestellt und unterscheiden sich hierbei Wohngebäude von Nichtwohngebäuden?
Hartmann: Während in Wohngebäuden die Kühllast überschaubar ist und vor allem eine Optimierung der thermischen Behaglichkeit darstellt, verhält es sich bei Nichtwohngebäuden allein durch die Differenzierung von Nutzungsprofilen, die zu ermitteln sind, oft ganz anders. In der neueren Architektur weisen diese Gebäude z. B. sehr große Fensterflächen auf, um eine hohe Tageslichtausbeute zu generieren. Es handelt sich hierbei um einen Balanceakt zwischen maximaler Tageslichtausbeute und optimalem Überhitzungsschutz im Sinne des Wohlbefindens der Mitarbeiter.
Während bei Wohngebäuden der Fokus auf der Heizlast liegt und die Auslegung der Flächenheizung/-kühlung darauf basiert, ist es die daraus resultierende Ankühlleistung, welche einen Kühlkomfort für den Sommer bietet und gerne mitgenommen wird. Nichtwohngebäude wie Büro- und Verwaltungsgebäude, aber auch Schulen sollten heutzutage aber so behandelt werden, dass sowohl eine Heizlast nach DIN EN 12831 als auch eine Kühllast nach VDI 2078 berechnet wird. Aus diesem Grund ist die Erarbeitung eines spezifischen Lastprofils für ein Gebäude nach Standort, Bauweise und Nutzung eine Grundlage, um hinsichtlich des Kühlfalls genau differenzieren zu können.
SBZ: Wie ist eine Innenraumkühlung zu differenzieren und was bedeutet dies für die technische Ausstattung?
Hartmann: Es ist grundsätzlich zwischen Ankühlung und Kühlung zu unterscheiden. Dies ist nicht mit passiver oder aktiver Kühlung zu verwechseln. Eine Ankühlung resultiert bei einer Flächenheizung/-kühlung aus der Auslegung nach der Heizlast. Die Kühlleistung ist dabei nicht definiert, sondern ergibt sich aus der Auslegung der Flächenheizung/-kühlung nach der Heizlast. Dementsprechend bedeutet Ankühlung eine Reduzierung der Innentemperatur um einige Kelvin und ist lediglich als Ankühlkomfort zu begreifen.
Möchte man eine definierte Kühlleistung erreichen, um z. B. eine Innenraumtemperatur von max. 26 °C sicherzustellen, muss eine Berechnung der Kühllast erfolgen, um die Flächenheizung/-kühlung auszulegen. Dies bedeutet in der Regel einen geringeren Verlegeabstand der Wärmeübertragungsrohre, um jene definierte Kühlleistung in Watt pro Raum/Gebäude vollständig erreichen zu können. Sollte dies nicht ausreichend sein, so könnte noch eine zweite Raumumschließungsfläche zur Kühlung hinzugenommen werden. Dies ist mit Systemen der Flächenheizung/-kühlung realisierbar, sodass auf weitere Kühlmaßnahmen verzichtet werden kann.
SBZ: Spielgelt sich hierbei auch der Unterschied von passiver und aktiver Kühlung?
Hartmann: Nein. Passive oder aktive Kühlung sagt zuerst nichts über die Kühlleistung aus, sondern lediglich darüber, ob die Kühlfunktion passiv (ohne zusätzliche Endenergie), also per Umweltwärme (natürliche Wärmesenke), erreicht werden kann, oder aktiv (mit zusätzlicher Endenergie, z. B. Kaltwassersatz, reversible Wärmepumpe etc.) erreicht wird. Eine passive Kühlung kann sowohl die Ankühlleistung als auch die Kühlleistung sicherstellen. Dies ist vom Gebäude und den Parametern der Auslegung bzw. der Leistung der Wärmesenke abhängig. Andererseits kann durch eine aktive Kühlung – bei Bedarf – auch „nur“ eine Ankühlung erzielt werden. Die hohe Flexibilität dieser Systeme ist ein weiteres Merkmal von Bedeutung für die unterschiedlichen Anforderungen des zeitgenössischen Bauens. Dieser integrale Planungsansatz ist auch eines der Leitmotive unserer 4. Fachkonferenz am 28. November 2017 in Hamburg.
SBZ: Welche Systeme der Flächenheizung/-kühlung eignen sich besonders für die Kühlung von Innenräumen?
Hartmann: Grundsätzlich eignen sich alle drei Systeme für Boden, Wand und Decke. Allerdings sind die Richtung des Wärmestroms und der Oberflächenbelag zu berücksichtigen. Für ein Büro- und Verwaltungsgebäude bieten sich vorrangig die Deckenflächen an, da dort nahezu die gesamte Fläche zur Kühlung eingesetzt werden kann, ebenso wie zum Heizen im Winter.
SBZ: Wie verhält es sich mit den anderen Flächen: Wand und Boden?
Hartmann: Selbstverständlich sind diese Flächen auch für die Kühlung geeignet. Allerdings ist hier wie beim Heizen auf die etwaigen Beläge, insbesondere Bodenbeläge zu achten. Diese wirken als thermische Widerstände in beide Richtungen und verlangen die Beachtung eines Korrekturfaktors (Minderungsfaktors), der im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen ist. Dementsprechend eignen sich zwar alle drei Systeme, aber mit unterschiedlichen Leistungsbezügen. Das betrifft natürlich auch den Heizfall, da ein Fliesenbelag einen geringeren thermischen Widerstand bietet als z. B. ein Holzparkettboden.
Info
Vorankündigung: 4. Fachkonferenz Flächenheizung/-kühlung
„Flächenheizung/-kühlung als Verbindungselement zwischen Architektur und Anlagentechnik“ – unter dieser Überschrift steht die 4. Fachkonferenz Flächenheizung/-kühlung, die der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) gemeinsam mit dem Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt GmbH (Zebau) am 28. November 2017 in Hamburg-Wilhelmsburg durchführt. Die Konferenz richtet sich an Planer, Architekten sowie das Fachhandwerk und zeichnet sich durch den Bezug zur Praxis aus. Neben Informationen zur Marktentwicklung und zu politischen Rahmenbedingungen berichten Experten von ihren Projekten aus der Praxis und informieren über den Status quo in Sachen Flächenheizung/-kühlung. Die Anmeldung ist unter www.flaechenheizung-bdh.de/fachkonferenz/anmeldung/ möglich. Neben weiteren Informationen zur Teilnahme wird dort auch in Kürze das vollständige Programm zu finden sein.