SBZ: Das SHK-Konjunkturhoch ist stabil, die Aufträge fallen Handwerksunternehmern fast wie reifes Obst in den Schoß. Warum eigentlich sollen sich Fachbetriebe jetzt noch darum bemühen, als lokale Marke wahrgenommen zu werden?
Jürgen Ruckdeschel: In einer solchen Zeit ist es nicht die Kunst, Aufträge zu bekommen. Sondern die richtigen Aufträge von den richtigen Kunden, die auch bereit sind, die angebotenen Preise ohne große Diskussionen zu bezahlen. Denn nur dann ist die Wertschöpfung für den Handwerker so groß, dass er auch seinen Mitarbeitern Löhne bezahlen kann, die sich im Wettbewerb mit der Industrie messen lassen können. Und diese Art von Kunden wird nur auf den Handwerksbetrieb zukommen, wenn er eine lokale Marke ist und seine Markenversprechen für diese Interessenten ansprechend sind.
SBZ: Die meisten Firmen haben sich doch einen Namen gemacht. Reicht das nicht mehr aus?
Ruckdeschel: Der Name alleine reicht nicht mehr aus, denn ohne klare und allseits bekannte Markenversprechen ist es mehr dem Zufall und der aktuellen Situation überlassen, was man über den einzelnen Handwerker erzählt. Und da genügen schon Kleinigkeiten oder auch persönliche Tratschereien, dass dieser Name nicht mehr für Perfektion und Preiswürdigkeit steht. Man überlässt ohne die eigenen Markenversprechen – welche natürlich auch im täglichen gelebt werden müssen – dem Zufall alle Möglichkeiten. Eine lokale Marke, die ihr Versprechen täglich lebt und beweist, ist dagegen geschützt, auch wenn es mal zu Differenzen mit Kunden kommt. Ein zusätzlicher Aspekt der Markenwertentwicklung ist es, dass erst damit eine professionelle Mitarbeitermotivation und Führung gelingt.
SBZ: Was macht denn einen lokal gut positionierten Betrieb aus?
Ruckdeschel: Jeder Bürger mit eigener Wohnung oder eigenem Haus sollte z. B. beim Gedanken an ein neues oder zu renovierendes Bad zuallererst an die lokale Marke denken, die seinen persönlichen Ansprüchen gerecht wird. Also: Ist der Kunde noch jung und sucht die Lösung fürs kleine Budget, bei der er die Bauarbeiten teilweise noch selbst übernimmt, so sollte er im Kopf eine andere lokale Marke haben als derjenige, der im Alter von 50-plus eine Bad-Luxussanierung durchführen möchte. Ein Beispiel: „Wir sind erst zufrieden, wenn Sie glücklich sind“, lautet die selbstbewusste Formulierung des Kundennutzens, die ein Zehn-Mann-Betrieb aus dem Schwarzwald mit uns erarbeitet hat, der damit ganz klar die Zielgruppe 50-plus mit der Luxussanierung erreichen will. Und er hat noch eins drauf gesetzt: „Weil wir lieben, was wir tun“, lautet sein ganzes Motto. Die Wirkung, die solche Aussagen nach außen zum Kunden und auch nach innen zum Mitarbeiter haben, ist nicht mit Geld zu bezahlen.
SBZ: Jetzt mal ehrlich: Anbieter theoretischer Ansätze gibt es doch viele, um Handwerksunternehmen bei der Markenbildung zu unterstützen. Nicht jeder Ansatz ist dabei wirklich SHK-branchentauglich. Was ist bei Ihnen anders, um in der Praxis auch tatsächlich zu wirken?
Ruckdeschel: In meinem Buch „Warum so bescheiden, ihr Handwerker?“ habe ich ausführlich beschrieben, dass Markenbildung im Handwerk nichts mit den vielen, oftmals überzogenen Begriffen des Marketing zu tun hat. Es geht vielmehr darum, sich die Ruhe und die Zeit zu gönnen, zusammen mit seinen wichtigsten Team-Mitgliedern das herauszuarbeiten, was in jedem Handwerker normalerweise schon vorhanden ist. Denn jeder hat Stärken, die ihn deutlich von anderen unterscheiden, jeder bietet seinen Kunden Nutzen und Services, die über die reine Handwerksarbeit hinausgehen und jeder arbeitet nach seinem persönlichen Charakter, das ist seine heutige Werteskala. Und genau das gilt es als Handwerker in einem Coaching in voller Stärke noch einmal zu entdecken und dann mit dem neu gewonnenen Selbstbewusstsein und der Hilfe eines Coaches strukturiert auszuformulieren. Ich kenne bis heute keinen Handwerker, der diese Arbeit anschließend infrage gestellt hat.
SBZ: Aha. Welche Faktoren in einem Betrieb sind denn aus Ihrer Sicht entscheidend für eine tragfähige Ausgangsbasis, um sich hin zur lokalen Marke zu entwickeln?
Ruckdeschel: Es ist ganz einfach: Ein Handwerksmeister, der seine Arbeit liebt und darin mehr als den Broterwerb sieht und gleichzeitig hohe Offenheit und Bereitschaft zu Veränderung und Entwicklung hat. Mehr ist nicht notwendig.
SBZ: Heißt das, den Unternehmen fehlt eine Persönlichkeit? Da reagiert doch manch gestandener Geschäftsführer sicher erst einmal etwas pikiert, oder?
Ruckdeschel: Das hat niemand behauptet. In den meisten Betrieben ist die gerade beschriebene Persönlichkeit vorhanden. Aber durch die Entwicklung unserer Gesellschaft ist die Wertschätzung der Bevölkerung gegenüber den Handwerksmeistern immer weniger geworden. „Geiz ist geil“ war für eine ganze Zeit das Trendthema in Deutschland. Und damit wurde es zum Sport, auch die Preise für Leistungen von Handwerkern und anderen Dienstleistern immer stärker infrage zu stellen. Die eigene Handwerksleistung muss in Zukunft wieder mit mehr Selbstbewusstsein (also: Ich weiß, wer ich bin als Marke) und den richtigen Argumenten (hier: Markenwerten) verkauft werden. Denn nur damit wird klar, dass die Arbeit des Handwerkers ihren Wert hat und dass es sich auch für junge Leute lohnt, diese Berufe zu erlernen.
SBZ: Wenn Sie all Ihre Erfahrungen aus zurückliegenden Coachings zusammennehmen, was, glauben Sie, erzielt die stärkste Wirkung auf die lokale Kundschaft?
Ruckdeschel: Das Vertrauen in Kompetenz und nachhaltige Verlässlichkeit eines Handwerksmeisters und seines loyalen Teams.
SBZ: Warum reicht es nicht, sich allein auf diesen Punkt zu konzentrieren?
Ruckdeschel: Handwerksbetriebe unterscheiden sich hauptsächlich durch Menschen. Nur die genaue Herausarbeitung der ganz individuellen Werte dieser Menschen schafft die Basis, dies täglich im Team zu leben und zu beweisen. Und das ist auch die Basis dafür, dass dieses Coaching zu einer dauerhaften Eigenmotivation beim Handwerksmeister und, wenn es dem Team richtig nahegebracht wurde, auch bei diesem führt.
SBZ: Sie meinen also, eine professionell angelegte Kommunikationsstrategie ist im 21. Jahrhundert auch für kleine Handwerksbetriebe unverzichtbar, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern?
Ruckdeschel: Ja. Denn es geht gerade in unserer Zeit, in der jeder täglich mit dutzenden Werbebotschaften konfrontiert wird, darum, die richtigen Kunden und die richtigen Azubis und Mitarbeiter zu gewinnen und dauerhaft zum Botschafter der eigenen Marke zu machen.
SBZ: Wie verhindern Sie, dass die Effekte aus Ihrem Coaching nicht mit der Zeit verpuffen und der Unternehmer bei Null anfängt?
Ruckdeschel: Der Chef und seine Mitarbeiter müssen am Ball bleiben. Aber das müssen sie nicht alleine. Wir unterstützen weiter. Unsere Coaches nehmen in den zwei Monaten, welche dem Coaching folgen, noch zweimal Kontakt mit dem Handwerksmeister auf, um ihn nach seinen Fortschritten in Bezug auf die Umsetzung der ersten Aufgaben zu fragen und ihn dabei gegebenenfalls zu unterstützen. Weiterhin kann der Handwerksmeister auch ein monatliches Telefon-Nachcoaching für die nächsten zwölf Monate buchen.
SBZ: Herr Ruckdeschel, besten Dank für das Gespräch.
TIPP
Die eigene Wahrnehmung hinterfragen
Sind Sie eine lokale Marke? Diese Fragen helfen, die eigene Bedeutung in der Region als Fachbetrieb besser einzuschätzen. Je mehr Fragen Sie mit ja beantworten können, desto besser ist Ihre Lage:
- Denkt ein Interessent in Ihrer Region, der nach einem neuen Bad oder einer neuen Heizung sucht, zuerst an Ihren Betrieb?
- Weiß ein Interessent, der an Ihren Betrieb denkt, was Sie und Ihre Firma ganz besonders gut können?
- Sind Sie und Ihre Mitarbeiter in der Lage, Ihren Betrieb mit seinen Alleinstellungsmerkmalen einem Interessenten in zwei Minuten selbstbewusst vorzustellen? Und zwar Chef und Mitarbeiter mit den gleichen Argumenten?
- Haben Sie ein klares Bild, wie Ihr Betrieb in fünf Jahren aussehen soll? Wenn ja, kennen Ihre Mitarbeiter diese Vision?