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Meister der Systeme werden

SBZ: „Wir sind der Point of Sales!“ lautet Ihr Jahresmotto für das Handwerk. Aber das ist doch eigentlich klar. Warum trotzdem die ausdrückliche Betonung?

Marc Schulte: Wir wollten ein Zeichen setzen. Wir erleben mit unseren Mitgliedern, dass die Absatzfunktion des Handwerks von zwei Seiten angegangen wird. Zum einen von Großhandelskonzernen, die selbst mehr oder weniger direkt verkaufsaktiv werden. Zum anderen durch Industrieunternehmen, die mehr und mehr den direkten Weg zum Kunden suchen. Neu ist die Qualität des Ganzen: da sickert nicht nur etwas durch, das kann man schon eher mit Dammbrüchen vergleichen.

SBZ: Was sind die Ursachen?

Schulte: Viel Druck kommt aus dem Internet und von den dort transparenten Preisen. Da findet sich natürlich immer jemand, der es billiger kann. Dem Endverbraucher an der Preissuchmaschine wird nicht klar, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Aus dem Produkt Wasserhahn kommt ja ohne qualifizierten Anschluss kein Wasser. Und die Branche hat das Defizit, dass sie Stundenlöhne über Produktpreise subventioniert. Auch die Ausstellungen des Großhandels werden ja irgendwo hineingerechnet – obwohl sie nicht verkaufen. Unter diesem Druck weichen Geschäftsmodelle und Treueschwüre auf.

SBZ: Was spricht denn für den Handwerker als einzige Einzelhandelsinstitution?

Schulte: Auch wenn uns die Internetshops etwas anderes weismachen wollen: Ohne das Handwerk sind die Produkte nur die halbe Miete. Zur Armatur gehört die fachgerechte Montage, zum spülrandlosen WC die Abstimmung auf den Spülkasten, zur Nachfüllstation von Heizungswasser der normgerechte Systemtrenner, der das Trinkwasser schützt – und den Kunden vor Regressansprüchen. Dabei geht es um komplexe Lösungen und hohe Werte. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen – aber wenn ich morgens meinen Kaffee trinke, dann lege ich Wert darauf, dass die Trinkwasserverordnung bei der Installation der Küchenarmatur eingehalten wurde.

SBZ: Beim Kaffee sind wir einer Meinung. Sie befürchten also Qualitätsverluste für den Endkunden durch die neuen Einzelhandelsinitiativen von Industrie und Großhandel?

Schulte: Das auch. Diese Branche ist so erfolgreich, weil Profis auf allen Vertriebsstufen zusammenarbeiten. Die bei uns in Deutschland eingesetzte Technik ist der weltweite Benchmark. Das ist auch das Ergebnis professioneller Planung und professionellen Einbaus und dass die Industrie darauf bauen kann, dass das Handwerk die Technologie verarbeiten kann. Ich glaube aber auch, dass diese Gewaltenteilung – Industrie, Großhandel, Handwerk – Sinn macht und dass der Sprung aus der virtuellen Welt des Internets in den Heizungskeller oder das Bad noch so manches ungelöste Problem zeitigen wird.

SBZ: Lässt sich das Problem mit den Online-Preisvergleichen auf Produktebene umkehren?

Schulte: Jedes Pendel schwingt irgendwann zurück. Aber das wird dauern. Zunächst brauchen wir ehrliche Stundenlöhne, dann sind unsere Produktpreise wettbewerbsfähiger. Zum anderen wird die Haustechnik ja komplexer und vernetzter. Die Erkenntnis, dass das Produkt nichts ist, das System aber alles, wird in Zukunft auch den Bauherrn erreichen. Und dann trennt sich auch die Spreu vom Weizen beim Handwerker: Das Komplettbad war nur der Anfang. Wer einen neuen Wagen kauft, fragt nicht nach dem Stundenlohn des Autosattlers. Da müssen wir hin.

SBZ: Kann das Handwerk denn den Point of Sales überhaupt für sich beanspruchen?

Schulte: Es wäre illusorisch zu behaupten, dass man heutzutage noch etwas für sich beanspruchen könnte. Ware ist wie Wasser, die findet ihren Weg. Schon heute werden ja einfach einzubauende Produkte „cash and carry“ vertrieben – Brausen zum Beispiel. Aber überall, wo der professionelle Einbau für Sicherheit, Ästhetik und dauerhafte Lösungen steht, da sind wir vorn und haben die Expertise. Überall wo Planung oder Gestaltung wichtig ist, müssen wir unseren Markt verteidigen. Wir haben genug gute Bäderbauer bei Garant, die das vorleben.

SBZ: Und die Handwerks-Kollegen, die sich anderen Geschäftsmodellen wie „Elements“ zuwenden?

Schulte: Die lassen sich möglicherweise auf eine unumkehrbare Abhängigkeit und das Ende des Unternehmerdaseins ein. Die Absatzfunktion, die hier aufgegeben wird, ist ja die zentrale Schnittstelle des Unternehmens zum Markt. Verstörender aber finde ich, dass hier Großhandelsorganisationen, die ihre beherrschende Marktposition letztlich der Partnerschaft mit Industrie und Handwerk zu verdanken haben, jetzt genau gegen diese Partner arbeiten – mit Scheinmarken und dem Ziel, die gesamte Wertschöpfungskette zu beherrschen. Die größten Nutznießer des Systems wenden sich gegen das System. Man sollte nicht vergessen, dass gerade diese Marktpartner sich bis heute als Gralshüter des dreistufigen Vertriebswegs inszenieren.

SBZ: Sie kritisieren das Konzept hart, der Markt scheint es aber angenommen zu haben.

Schulte: Erstaunlich, wie gelassen diese Entwicklung beide Seiten – Industrie und Handwerk – wegstecken. Vielleicht ist die Gelassenheit ja nur vordergründig? Die Industrie benötigt die Markt beherrschenden Großhandelsorganisationen, um Volumen absetzen zu können und die Handwerker mögen in ihrer angestammten Region ja eine Bedeutung haben. Landes- und bundesweit fehlt ihnen jedoch jegliche Durchschlagskraft. Um ein gewichtiges Wort mitreden zu können, müssen sie sich aus wirtschaftlichen und strategischen Interessen heraus wesentlich stärker organisieren.

SBZ: Was kann das Handwerk tun? Über das „stärker Organisieren“ hinaus?

Schulte: Wir müssen Meister der Systeme werden – das ist die Zukunft. Das einzelne Produkt muss in den Kontext und darf nur im Kontext verkauft werden. Das kann auch bedeuten, dass wir auf manche Armatur in der Ersatzbeschaffung verzichten müssen. Aber wenn etwas nicht zu retten ist, muss man sich auf das konzentrieren, was zukunftsträchtig ist. Ein echter und akzeptierter Point of Sales im Handwerk ist das allemal.

Info

Point of Sale

Point of Sale bezeichnet den Ort oder Punkt, an dem tatsächlich ein Verkauf stattfindet. Im stationären Einzelhandel spielt er die zentrale Rolle. Der Begriff umfasst Geschäftsräume und Ausstellungen ebenso wie den generellen Absatz von Produkten.

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