Angesichts der Corona-Pandemie steigt die Bedeutung der Klima- und Lüftungstechnik. Die ISH 2021 wird die Branche in ihrer gesamten Angebotsbreite präsentiert – von der Wohnungslüftung bis zur Reinraumtechnik. Welche Trends und Techniken künftig an Bedeutung gewinnen werden und wie die moderne Raumlufttechnik der Frankfurter Messehallen zu einem sicheren Messebesuch beiträgt, das erläutert Günther Mertz, Geschäftsführer des Fachverbands Gebäude-Klima, im Interview mit unserer Redaktion.
SBZ: In einem halben Jahr öffnet die ISH 2021 ihr Tore. Im Zuge der Corona-Pandemie mit einem angepassten Hygienekonzept für Messehallen und Ausstellerstände. Schutz vor Infektionen verspricht nach gängiger Meinung von Experten auch eine effektive Lüftung. Können die Frankfurter Messehallen hier punkten?
Günther Mertz: Die Messe Frankfurt hat ein überzeugendes Sicherheits- und Hygienekonzept präsentiert, das weit über die ohnehin schon hochgesteckten verordnungsrechtlichen Anforderungen hinausgeht. Was die Raumlufttechnik in den Messehallen anbelangt, konnten wir uns bereits bei mehreren Besichtigungen in den Technikzentralen davon überzeugen, dass die Messe Frankfurt die Messlatte in Bezug auf Komponenten- und Anlagentechnik, Effizienz, Instandhaltung und FM schon immer sehr hoch gelegt hat. Dieses Qualitätsniveau kommt jetzt dem Anlagenbetrieb in der Tat zugute: In den Messehallen kann ein bis zu fünffacher Luftwechsel sichergestellt und die Anlagen mit 100 % Außenluft gefahren werden. Für die aktuelle Situation ein wahrlich beruhigender und auch ermutigender Umstand. Denn spätestens, seitdem die Virenübertragungswege durch Aerosole identifiziert und kommuniziert wurden, wissen wir die Bedeutung der Lüftungstechnik neu einzuschätzen.
„Was die Raumlufttechnik in den Messehallen anbelangt, konnten wir uns bereits bei mehreren Besichtigungen in den Technikzentralen davon überzeugen, dass die Messe Frankfurt die Messlatte in Bezug auf Komponenten- und Anlagentechnik, Effizienz, Instandhaltung und FM schon immer sehr hoch gelegt hat.“
SBZ: Speziell der Schutz vor Viren und Bakterien wird sich künftig in entsprechenden RLT-Lösungen für den Einsatz in privaten, gewerblichen oder öffentlichen Gebäuden widerspiegeln. Auch wenn die Hersteller ihre Neuheiten gern bis zum Messestart zurückhalten: welche Entwicklungen erwarten Sie als Insider?
Mertz: Für einen hygienisch einwandfreien Betrieb von RLT-Anlagen hat die Branche schon immer alle technischen Voraussetzungen zur Verfügung gestellt. Sicherlich wird in Anbetracht der aktuellen Situation dem Betrieb der Anlagen künftig ein größeres Augenmerk geschenkt, insbesondere in Bezug auf Instandhaltung, Reinigung, bedarfsgerechte Filtertechnik und Außenluftanteile. In Sachen UVC-Entkeimung im Zuluftstrom werden wir auf der ISH 2021 sicherlich einige Neuerungen sehen, obwohl auch diese Technik wahrlich nichts Neues ist.
SBZ: Wird das Thema Raumlufthygiene - und damit auch die Reinigung und Inspektion von RLT-Anlagen - durch Corona künftig einen höheren Stellenwert erfahren, vielleicht sogar das Thema Energieeffizienz auf Platz 2 verweisen?
Mertz: Wir haben als Verband gegenüber der Politik, dem Verordnungsgeber und gegenüber dem Anlagen- und Gebäudebetreiber schon immer massiv dafür plädiert, die Themen „Energieeffizienz“ und „Innenraumluftqualität“ unbedingt gleichrangig zu behandeln. Diese Forderung haben wir auch bei zahlreichen ISH-Sonderschauen und ISH-Symposien argumentativ und plakativ untermauert. Die aktuelle Pandemie wird sicherlich massiv dafür Sorge tragen, dass Reinigung und Inspektion einen deutlich größeren Stellenwert erhalten werden, aber, nochmal betont, auch außerhalb irgendwelcher Pandemiezeiten müssen Gesundheit und Sicherheit der Menschen im Gebäude im Vordergrund stehen. Es kann einfach nicht sein, dass wir in Klassenzimmern C02-Werte von bis zu 3500 ppm messen.
SBZ: Noch einmal das Thema Energieeffizienz: Bessere Filter bieten ein Mehr an Schutz, weil Sie kleinere Partikel wie auch Mikroorganismen abscheiden können. Dafür aber steigt der Widerstand im Netz und damit auch die erforderliche Leistung der Ventilatoren. Lässt sich dieser gordische Knoten auflösen?
Mertz: Sicherlich wird manche Anlage bzw. manches Zentralgerät Probleme bekommen, wenn man nun plötzlich höherwertige Filter einbaut. Bei den Geräten und Anlagen, die schon bei der Planung auf hohe Filterqualität und hygienischen Betrieb ausgelegt wurden, dürften sich die Probleme in Grenzen halten. Aber, wie immer, ist jeder Einzelfall anlagenspezifisch zu betrachten. Und ich bin mir sicher: Unsere hochqualifizierten Gerätehersteller und Anlagenbauer werden immer eine Lösung finden.
SBZ: Blicken wir auf die ISH 2021: Die Weltleitmesse ist immer auch ein Schaufenster der Branche. Welche Trends im Bereich Klima und Lüftung sehen Sie generell für das kommende Jahr?
Mertz: Vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung der Ökodesign-Richtlinien wird das Thema Energieeffizienz sicherlich nochmals einen breiten Raum einnehmen. Auch in der energetischen Sanierung werden Lösungswege aufgezeigt, was wir als Verband wiederum mit der Präsentation der Kampagne „Ventilatortausch macht’s effizient“ dokumentieren wollen. Und, wie erwähnt, wird sicherlich auch das Thema UVC-Bestrahlung des Zuluftvolumenstroms im RLT-Gerät ein herausragendes Messethema werden. Einen weiteren thematischen Schwerpunkt werden mit Sicherheit die alternativen, natürlichen Kältemittel bilden. Für mich ist aber wichtig, dass sich die Klima- und Lüftungsbranche wieder in ihrer gesamten Angebotsbreite präsentiert – von der Wohnungslüftung bis zur Reinraumtechnik. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass das in der bewährten Form auch wieder realisiert werden wird. So hatte sich der Herstellerverband Raumlufttechnische Geräte e. V., der immerhin rund 90 % des Marktes repräsentiert, klar und öffentlich zu ISH bekannt.
SBZ: Aufgrund des angepassten Hygienekonzeptes werden die Hallen und auch die Messestände nicht mehr so überfüllt sein wie in der Vergangenheit. Sehen Sie das als Hemmnis oder eher als Chance für Hersteller und Besucher?
Mertz: Für uns in der Klima- und Lüftungstechnik stand schon immer Qualität vor Quantität, was vorrangig mit unseren Zielgruppen zusammenhängt. Hierbei fokussieren wir insbesondere die Bauabteilungen der Immobilienwirtschaft und der Industrie, die Gebäude- und Anlagenbetreiber, die Planer und Architekten sowie die Baubehörden der verschiedenen Gebietskörperschaften. Dicht gedrängte Stände lassen das Herz des Marketingleiters höherschlagen, für den technisch orientierten Vertriebschef unserer Branchensegmente zählen jedoch andere Kriterien.
Lesen Sie auch: Covid-19: Risiko im Klassenzimmer