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Werbung mit der Brechstange

Der Sachverhalt ist zu komplex, um ihn mittels eines Brandversuchs
abschließend beurteilen zu können.

Was darf Werbung? Zunächst ist klar, diese Faustregeln sind einzuhalten: Werbung muss wahr sein, sie muss als solche klar gekennzeichnet werden, sie muss erkennbar von redaktionellen Texten getrennt sein und sollte nicht verschleiert werden. Unter diesen Voraussetzungen darf und sollte Werbung vor allem: Aufmerksamkeit erzielen. In Zeiten, in denen Informationen aller Art auf verschiedenen Wegen fast wasserfallartig auf Konsumenten niederprasseln, da will jedes Unternehmen, jeder Verband und jede Institution gangbare Wege finden, Werbebotschaften zielsicher herausstechen zu lassen. Das ist eine Herausforderung. Umso mehr, je komplizierter die Botschaft ist.

Keine Panik, das hier wird jetzt kein Exkurs zum kleinen Einmaleins des Marketings. Ich hole nur so weit aus, um eine Grundlage zu schaffen für den weiteren Text. Werbung benötigt in der Regel einen Blickfang (für die Anglizismenliebhaber: einen Eyecatcher), um potenziellen Empfängern der Botschaft sofort ins Auge zu springen. Das können markante Aussprüche sein, fesselnde Bilder oder ganze Videos. In gewisser Weise darf Werbung auch provokant gestaltet sein – als lebhaftes Beispiel fallen mir dazu immer die schockierenden Kampagnen der Bekleidungsmarke Benetton aus den 90er-Jahren ein. Bis auf die Frage nach Geschmack und Anstand ist daran wenig auszusetzen, solange die zu Textbeginn erwähnten Grenzen nicht überschritten werden.

Dennoch ist der Übergang von „vertretbar“ zu „geht gar nicht“ ein fließender. Diese Erfahrung durften wir bei der SBZ kürzlich machen. (Sie merken schon, wir nähern uns langsam dem Kern dieses Kommentars an.) Der SBZ-Ausgabe Nr. 9 lag eine Broschüre bei, deren Werbebotschaften auch auf sbz-online.de und in unserem Newsletter platziert waren. Auftraggeber war das IZEG (Informationszentrum für Entwässerungstechnik). Dabei handelt es sich um einen Verband der Hersteller gusseiserner Entwässerungsrohre. Die Kernaussage: Abwasserrohre aus Kunststoff stellen einen Schwachpunkt dar beim Verhindern einer Brandweiterleitung vom betroffenen ins tieferliegende Geschoss. Das hat der Verband mittels eines einmaligen Brandversuchs festgestellt. Um es vorwegzunehmen: Im Kern haftet dieser Aussage zumindest ein Funken Wahrheit an. Wir rollen das Thema in dieser SBZ ab Seite 38 auf mit dem Beitrag: „Muss eine Abschottung auch nach unten gegeben sein?“

Aber unter welchen Umständen genau eine potenzielle Brandweiterleitung als ernsthaftes Risiko zu betrachten ist und wie häufig dieser Fall tatsächlich in der Realität eintritt, dazu ist der Sachverhalt zu komplex, um ihn mittels eines Brandversuchs abschließend beurteilen zu können (wie vom IZEG getan). Noch dazu von einem Verband, der eben die gusseisernen Rohrhersteller vertritt, die Kunststoffrohr-Anbieter aber außen vor lässt. Und zu allem Überfluss wurde dieser Versuch als bezahlte Werbung in einer reißerischen Art präsentiert und veröffentlicht, der eigentlich jeden konstruktiven Austausch beider Fraktionen von vornherein unterhöhlt.

Das ist insofern bedauerlich, da es offensichtlich Handlungsbedarf in diesem Detail gibt bei der Ausgestaltung des Brandschutzes, seiner normativen Prüfung und der Ableitung der Richtlinien daraus. Denn was hängenbleibt nach dieser Kampagne – beabsichtigt oder nicht – ist, dass eine ganze Produktgruppe, nämlich Abwasserrohre aus Kunststoff, als Schwachstelle tituliert werden. Das trifft auf den im Brandversuch des IZEG konstruierten Fall zu, aber eben nicht generell. Diese Unterscheidung liegt mir sehr am Herzen. Deshalb bin ich äußerst erleichtert, dass Sie meinen ausführlichen Kommentar dazu tatsächlich bis hierhin gelesen haben. Wir bei der SBZ hätten es lieber gesehen, das Thema wäre mit mehr Fingerspitzengefühl angegangen worden, anstatt rigoros die Brechstange auszupacken … Das bewirkt letztlich bloß eine zunehmende Verunsicherung beim eh schon anspruchsvollen Thema Brandschutz.

Also, schauen Sie bei Abschottungen künftig noch ein wenig genauer hin, damit sie richtlinienkonform und den anerkannten Regeln der Technik entsprechend unterwegs sind. Zur Sicherheit!

Ihr

Dennis Jäger
SBZ-Chefredakteur

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