Warum die Heizungswartung teurer wird, wenn Daimler
Kurzarbeit meldet.
Seit Corona in unser aller Leben trat (bzw. wahrscheinlich aus China eingeschleppt, in Österreich kräftig vermehrt und in Italien, solange es ging, ignoriert wurde), geht es in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft drunter und drüber. Das ist nichts Neues. Neu ist allerdings, dass es sogar die deutsche Politik und die für gewöhnlich noch schwerfälligere Ministerialbürokratie hinbekommen, einen Zahn zuzulegen und Dinge auf die Füße zu stellen, die bisher undenkbar oder nicht abzusehen waren. Auf einmal können Sitzungen digital abgehalten, Abstimmungen virtuell vorgenommen und Verordnungen im Wochenrhythmus geändert oder erstmals erlassen werden.
Wir leben – trotz der gesetzlich verordneten Lethargie – in einer sich schnell ändernden Welt: Was man heute noch darf, kann morgen schon verboten sein. Was morgen verboten ist, kann übermorgen wieder erlaubt sein. Um die Verwirrung komplett zu machen: Es gelten in jedem Bundesland andere Vollzugs- und Hygienebestimmungen. Und da soll sich noch einer auskennen!?
Diesem Durcheinander haben wir es auch zu verdanken, dass das Kurzarbeitergeld wieder eingeführt bzw. großzügig erweitert wurde. Aber man vergaß, wichtige Detailfragen zu klären. Nach dem Motto: „Wo Elefanten tanzen, leidet das Gras“ (ein naheliegender Sinnspruch, denkt man an die Figur der beteiligten Personen in Berlin). Schnell waren sich die Minister Peter Altmaier und Hubertus Heil einig: Der deutschen Wirtschaft muss geholfen werden – typisch deutsch: Man hilft der Wirtschaft von außen und traut ihr keine Selbsthilfe zu.
Also wurde das Kurzarbeitergeld (KuG) erst bis zum 31. Dezember 2020 und jetzt sogar bis Ende nächsten Jahres beschlossen. Was man in der Eile vergaß: Vom KuG werden zwar einige Sozialabgaben durch die Arbeitgeber gezahlt und abgeführt, allerdings erhalten die Berufsgenossenschaften (gesetzliche Unfallversicherung) keine Abführungen daraus. Es ist einerseits logisch, dass jemand, der nicht arbeitet, auch nicht gegen Berufsunfälle versichert sein muss, aber leider haben die Berufsgenossenschaften (BG) sehr hohe laufende Ausgaben – nicht für Klopapier oder Büroklammern, wie man vielleicht meinen könnte.
In der Mehrzahl sind dies Renten, die sie monatlich berappen müssen. Weil die BG-Rentner aber leider nicht auf ihre Zahlungen verzichten, wenn beispielsweise bei den großen Autobauern die Bänder kurzarbeitsbedingt stillstehen, geraten die Berufsgenossenschaften in Schieflage. Konstant hohen Ausgaben der BG stehen stark verminderte Einnahmen gegenüber. Die Aktionäre und der Arbeitsdirektor bei Daimler freuen sich, weil sie einige Millionen weniger an die Berufsgenossenschaften zahlen müssen, die ihrerseits aber die Kohle dringend brauchen, um die Rentner, die eben kein sozial verträgliches Frühableben praktizieren wollen, bei Laune zu halten.
Zusätzlich sind diejenigen Beitragszahler der BG, die keine Kurzarbeit angemeldet haben, die Dummen. Weil sie, mangels Kurzarbeit, zum einen weiter schön brav ihr Scherflein monatlich bei der BG abliefern und zum anderen nächstes oder übernächstes Jahr mit kräftigen Beitragserhöhungen konfrontiert sein werden. Diese Beitragszahler sind z. B. Handwerksbetriebe und andere Mittelständler, die nicht oder nicht so sehr vom Lockdown betroffen sind. Betriebe, die an ihrem Personal festhalten, weil sie ihre Mitarbeiter noch persönlich kennen – und zwar alle.
Kurz gesagt: Es zahlen die Kleinen, die ihre steigenden BG-Kosten an den Endkunden weitergeben müssen, die Zeche für die Großen, die teilweise ihre Hausaufgaben schon vor der Coronakrise nicht gemacht hatten. Nicht jedes Band, das bei den Autobauern in Deutschland zurzeit einstaubt, steht allein wegen Corona still. Die Regierung hat es gut gemeint, das muss man zugeben. Aber der Volksmund weiß auch: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.“ Etwas mehr Detailverliebtheit, wie z. B. damals bei der Einführung des Mindestlohngesetzes, dem derzeit diskutierten Lieferkettengesetz und, Achtung Ironie: bei der Einführung der EU-Karamellbonbon-Verordnung, wäre hier besser und vor allem notwendig gewesen.
Der Mittelstand als viel gepriesenes Rückgrat der deutschen Wirtschaft muss erneut die Schlampigkeit der Politik und die Skrupellosigkeit von Dax-Konzernen ausbaden. Doch nächstes Jahr, wenn die ersten BG heftig wackeln, die Politiker abwiegeln, weil Gefahr in Verzug war, und den kleinen Betrieben die saftige Rechnung präsentiert wird, ist gottlob bald Bundestagswahl.
Das findet zumindest Ihr
Dr. Wolfgang Schwarz
Hauptgeschäftsführer Fachverband SHK Bayern