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Großbaustelle kommunale Wärmeplanung

Seit Beginn des letzten Jahres sind knapp 11.000 Städte und Gemeinden im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung (KWP) verpflichtet, den kommunalpolitischen Entscheidern, Bürgern und Unternehmen Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wie die Wärmeversorgung künftig bis 2045 klimaneutral organisiert werden kann. Das bundesweite Mammutprojekt wird zusammen mit der Energiewende als die größte gesellschaftspolitische Herausforderung seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Mit mehr als 50 % des deutschen Endenergieverbrauchs ist dafür der Gebäudebereich klimapolitisch nicht unerheblich relevant.

Rechtlich verbindlich sind die Empfehlungen aus dem strategischen Planungsverfahren allerdings nicht – es müssen in den kommunalen Gremien erst konkrete Beschlüsse zu den geplanten Transformationsmaßnahmen erfolgen. Einerseits bedeutet dies, dass moderne Heizungs- und Ofensysteme nach wie vor vom Handwerk verbaut werden dürfen, andererseits können von den Kommunen auch ihre Nah- und Fernwärmepläne weiterverfolgt werden. Nach wie vor sehr oft mit Anschluss- oder Benutzungszwängen und Verbrennungsverboten.

Klar ist aber auch, dass mit der KWP generell vor Ort die Weichen in die Zukunft gestellt werden. Und der Aus- und Neubau von Wärmenetzen scheint nicht nur politisch übergreifend, sondern auch aus kommunaler Sicht bei den KWP-­Maßnahmen erste Wahl zu sein, wenn man nach den ersten vorliegenden Wärmekonzepten aus Baden-Württemberg geht. Doch sind die KWP-Ergebnisse auch realistisch durchdacht und vor allem bezahl- und umsetzbar? Wie wirkt sich das Verfahren auf den Wärmemarkt aus? Ein kritischer Blick auf die KWP vor Ort lohnt sich insofern aus vielerlei Gründen.

KWP: Das ist der Stand der Dinge

Nach Angaben des Kompetenzzentrums Kommunale Wärmewende (KWW) in Halle sind bereits mehr als ein Drittel der deutschen Kommunen mit der recht aufwendigen kommunalen Wärmeplanung befasst, bundesweit existieren mindestens 160 fertige Wärmepläne (­Status November 2024). Der dena-Ableger geht nach Interviews mit knapp über 1000 Kommunen davon aus, dass die Kosten für Landgemeinden und Kleinstädte höher liegen als in den Großstädten und von einem halben bis fast sieben Euro pro Einwohner reichen können. Der zusätzliche Personalbedarf ist hingegen mit einer Vollzeitstelle bei Kommunen unter 100.000 Einwohnern geringer als der Mehrbedarf in Großstädten mit eineinhalb bis etwa zweieinhalb zusätzlichen Vollzeitstellen.

Auf Basis des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) erhofft man sich im Rahmen von fünf vordefinierten Umsetzungsphasen einerseits, tiefe Einblicke in die bisherige Nutzung von Energieträgern, in Energieverbräuche sowie Einsparungspotenziale zu erlangen. Andererseits ist es das vordergründige Ziel, den künftig maximal möglichen Einsatz erneuerbarer Energien definieren zu können. Über den Ansatz des Verfahrens regional in den Kommunen erhofft man sich außerdem durch die Beteiligung maßgeblicher Interessengruppen, dass am Ende die Akzeptanz für all die notwendigen Transformationsmaßnahmen hoch ist.

In der Praxis: Baden-Württemberg ist Vorreiter

Mit seiner Planung einer treibhausgasneutralen Wärmeversorgung bis 2040 ist das Land ­Baden-Württemberg bundesweit Vorreiter bei der kommunalen Wärmeplanung, daher liegen aus dem Ländle auch erste Ergebnisse für vorsichtige Trends und Optimierungen vor. Bis Ende des Jahres 2023 sollten auf Basis des baden-­württembergischen Klimaschutzgesetzes neun Stadtkreise und 95 große Kreisstädte – insgesamt 104 Kommunen – ihre Wärmepläne abgeben. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Auswertung der Wärmepläne sowie möglicher Herangehensweisen wurden die Ergebnisse und Umsetzungsdetails vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu), gemeinsam mit der ­Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW), wissenschaftlich untersucht. Die Ergebnisse hat man im Oktober 2024 beim Wärmegipfel des Umweltministeriums in Stuttgart präsentiert, sie sollen auch bundesweit die Wärmewende in den Kommunen unterstützen.

Aber: Wie verlässlich sind die ersten KWP-Ergebnisse?

Untersucht wurde, wie die Wärmepläne erstellt wurden, zu welchen Ergebnissen man gekommen ist und was das für Folgen für die Wärmestrategie in Baden-Württemberg hat. Die Herangehensweise der Kommunen war, nicht überraschend, sehr unterschiedlich. Für die Bestandsanalysen kamen sehr vielfältige, aber auch heterogene Datenquellen zum Einsatz. Ganz wichtig und vorne mit dabei: meist gebäudescharfe Daten des Schornsteinfegerhandwerks. Die Datenerhebung und -verarbeitung gestaltete sich allerdings grundsätzlich teilweise herausfordernd.

Ifeu und KEA-BW attestieren den bewerteten Potenzialanalysen für den künftigen Einsatz erneuerbarer Energien generell eine gute Qualität mit überwiegend plausiblen Größenordnungen der Ergebnisse. Vor Ort wurde in der Regel recht umfassend analysiert, allerdings setzte man sehr vielfältige Methoden und Vorgehensweisen ein. Dadurch ergibt sich eine zum Teil große Schwankungsbreite der gemeldeten Potenziale. Im ­Detail:

  • Energieträgerspezifische Angaben in Wärmenetzen sind teils unvollständig bzw. nur bedingt repräsentativ.
  • Biomasse-Potenziale sind oft sehr generisch und haben wenig Ortsbezug.
  • Potenziale aus (grünem) Wasserstoff, sonstigen grünen Gasen sowie tiefer Geothermie im Allgemeinen sind nicht bzw. nur punktuell quantifiziert, Potenziale aus Umwelt- (53) und Abwärme (87) wurden für 126 Kommunen angegeben.
  • Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wird oft nicht betrachtet.
  • Insgesamt gesehen wird Baden-Württemberg eine funktionierende Wärmeplanung bescheinigt. Wobei Vereinfachungen bei der Datenerhebung und Verarbeitung vor allem für kleine Kommunen durch Standardisierung und Digitalisierung wünschenswert wären. Es gibt also prozessoptimierend noch einiges zu tun.

    Wärmenetze: erste Wahl der Kommunen bei KWP-Maßnahmen

    Mit Blick auf die bis 2040 zu reduzierende Wärmebereitstellung sinkt der Endenergiebedarf nach Angaben in den Wärmeplänen aufgrund sehr ambitionierter Energieeinsparungen insgesamt um ein Drittel. 45 % des Energiebedarfs (ca. 18 TWh/a) sollen nach Ansicht der Kommunen über den Wärmenetzausbau erzielt werden. Gefolgt von den Wärmepumpen mit erheblichen Zuwächsen auf ca. 10,5 TWh/a und Biomasse, nahezu unverändert bei 4 TWh/a.

    Zur Datenermittlung für die Ausweisung von Wärmenetzgebieten wurden teils deutlich differierende Mindest-Wärmedichten (Linien-/Flächendichten) zugrunde gelegt. Ortsspezifische Anpassungen können bspw. aufgrund örtlicher Gegebenheiten (abweichende Baukosten pro Trassenmeter Rohrleitung oder auch Wärmegestehungskosten z. B. durch Erschließung großer Abwärmequellen) gerechtfertigt sein. Für die Erzeugung der Fernwärme wird vornehmlich auf Biomasse, Umweltwärme und Abwärme gesetzt.

    Mit Blick auf die bis 2040 zu reduzierende Wärmebereitstellung sinkt der Endenergiebedarf nach Angaben in den Wärmeplänen aufgrund sehr ambitionierter Energieeinsparungen insgesamt um ein Drittel. Fossile Energieträger sollen dann gar keine Verwendung mehr finden.

    Bild: ifeu

    Mit Blick auf die bis 2040 zu reduzierende Wärmebereitstellung sinkt der Endenergiebedarf nach Angaben in den Wärmeplänen aufgrund sehr ambitionierter Energieeinsparungen insgesamt um ein Drittel. Fossile Energieträger sollen dann gar keine Verwendung mehr finden.

    Neu- und Ausbaupläne: für Wärmenetze unrealistisch

    Folgt man den Plänen der Wärmenetzbetreiber, dann sollen in den kommenden Jahren sogar jährlich 100.000 Gebäude an Wärmenetze angeschlossen werden. Die Zahl der über Wärmenetze versorgten Gebäude würde sich von rund 1,3 Millionen im Jahr 2020 auf etwa 3,6 Millionen im Jahr 2045 verdreifachen. Doch sind diese Modellüberlegungen wie auch die kommunalen Pläne für Wärmenetze angesichts der notwendigen enormen Investitionskosten überhaupt realistisch und zukunftsfähig?

    Ein Blick in aktuelle Kostenschätzungen wirft Fragen auf. Aus einer aktualisierten Studie der Prognos AG, die im Auftrag des Energieeffizienzverbandes AGFW und des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) erstellt wurde, geht hervor, dass bis 2030 insgesamt 43,5 Milliarden Euro in den Ausbau und die Modernisierung der Fernwärmeinfrastruktur investiert werden müssten. Man muss nicht wirklich ein Baufachmann sein, um einschätzen zu können, was dies vor Ort für die Kommunen bedeutet.

    Fehlende Angaben: Hemmnisse, Herausforderungen bei der KWP

    Wenn man mit kommunalen Akteuren spricht, ist davon auszugehen, dass die Transformationskosten und die Verfügbarkeit notwendiger Arbeitskräfte vor Ort in der KWP recht schnell zu einem schwierigen Thema der Wärmeplanungen werden. Eventuell finden sie sich vielleicht gar nicht oder nur unpräzise in den Berichten wieder. Gegenüber der KWW erwiesen die Äußerungen einiger Kommunen einen Mangel, was die Berücksichtigung der finanziellen Umsetzbarkeit in den Wärmeberichten betrifft (Kosten, Wirtschaftlichkeit, Finanzierung der Umsetzung). Außerdem war die Angabe konkreter Zeit- und Ablaufpläne der Umsetzungsmaßnahmen z. B. in Absprache mit einem Energieversorger nicht ausreichend, was allen Beteiligten wiederum die Orientierung, um konkret zu planen, erschwert.

    Bei einer Umfrage des Fraunhofer CINES vornehmlich unter Energieversorgern und Verwaltungsbehörden (Juli bis September 2024) wurden hinsichtlich der Aspekte für eine erfolgreiche Wärmeplanung die Themen „ausreichend Personal“ und „Ausgestaltung von Umsetzungsmaßnahmen“ als zentrale Herausforderungen der Wärmeplanung bestätigt.

    Wärmenetze: ungeeignete Gebiete früh ausweisen

    Der Neu- und Ausbau von Wärmenetzen ist nicht unproblematisch. Alles in allem sollten hinreichend Gründe vorliegen, erste, früh zu ermittelnde KWP-Ergebnisse – also die weiterhin dezentral und individuell zu beheizenden Gebiete – ebenso schnell zu veröffentlichen. Dies hat für alle Beteiligten Vorteile: Kommunen, Bürger und z. B. Handwerk. Um Aufwand und Kosten zu reduzieren, empfiehlt die Allianz Freie Wärme den Kommunen, bereits im Rahmen der frühen Eignungsprüfung nach § 14 WPG die Gebiete direkt öffentlich auszuweisen, die sich nicht für Wärmenetze eignen. Bei der KWP muss nämlich hinsichtlich eines späteren Echtzeitbetriebes genauso berücksichtigt werden, dass der wirtschaftliche Betrieb von Wärmenetzen keinen Automatismus darstellt.

    Akzeptanz durch Transparenz schaffen

    Zudem können Kommunen, Energieversorger, Fachhandwerk, die Innungen und andere Institutionen vor Ort schon früh und gemeinsam die benötigte Transparenz und Akzeptanz gegenüber den Bürgern schaffen, die es für die Umsetzung der Transformationsmaßnahmen braucht. Zu diesem Zweck müssten bereits in den ersten regionalen Infoveranstaltungen neben dem KWP-Verfahren alle zugelassenen GEG-konformen Heizungs- und Ofentechniken vorgestellt werden. Doch Vorsicht, sind die Informationen unvollständig oder falsch, wachsen in der Bevölkerung recht schnell Verunsicherung und Ablehnung.

    Infoveranstaltungen zahlen sich aus

    Um dies zu vermeiden, können die Kreishandwerkerschaften, SHK-, Ofenbau- und Schornsteinfegerinnungen mit Unterstützung der Freien Wärme vor Ort fachgerecht helfen, weil ihre Betriebe die lokalen Bedingungen bestens kennen. Gute, auch das Veranstalterimage prägende Infoveranstaltungen zur KWP, den Wärmetechniken und Fördermitteln müssen nicht aufwendig und teuer sein. Die Themen betreffen viele Gruppierungen vor Ort, die, angefangen bei den Kommunen, beispielsweise auch potenzielle Sponsoren für das Event sind. Eine Initiative in Richtung Bürger und Kommune lohnt sich vielfach, schließlich lässt das GEG ja eine Vielzahl von heiztechnischen Lösungen zu, die von den Heizungsbauern zügig installiert werden können. Diese modernen Heizungen zahlen sofort aufs Klima ein und steigern die Energieeffizienz gegenüber der veralteten Heizung.

    Kommunale Planungen beobachten und aktiv werden

    Die Allianz Freie Wärme rät daher, in den regionalen Medien auf Veröffentlichungen und Hinweise der kommunalen Gremien zu achten. Bevor die kommunale Wärmeplanung startet, werden im Gemeinde- bzw. Stadtrat entsprechende Entscheidungen getroffen und Beschlüsse gefasst. Parallel können auch weiterhin Pläne für Nah- und Fernwärmenetze wie etwa für kalte Nahwärme insbesondere für Neubaugebiete auf- und umgesetzt werden, dann sind Anschluss- und Benutzungszwänge sowie Verbrennungsverbote meist vorprogrammiert und nicht mehr weit. Nur wenn man sich diesbezüglich schon früh einbringt, kann man versuchen, nachteilige Entwicklungen für das Handwerk und die Bürger zu verhindern. Denn im schlimmsten Fall findet dann die individuelle Heizungs- und Ofentechnik auf Jahre hin nicht mehr statt.

    1 Das strategische Planungsverfahren arbeitet sich durch die Republik, die Herausforderungen an Kommunen sind hoch.

    2 Die klimaneutrale Transformation der Wärmeversorgung bedingt massive Investitionen; zentrale Fragen für die erfolgreiche Umsetzung bleiben offen.

    3 Klar ist: Das Fachhandwerk muss auf allen Ebenen des Verfahrens mit dabei sein, um das Schlimmste zu verhindern.

    Im Gespräch bleiben: Die Innung SHK Dillenburg und die Kreishandwerkerschaft Lahn-Dill hatten Herbst 2024 eine gut besuchte Infoveranstaltung rund um die KWP angeboten. Mit dabei: Experten, Energieversorger und die Lokalpolitik.

    Bild: Innung SHK Dillenburg

    Im Gespräch bleiben: Die Innung SHK Dillenburg und die Kreishandwerkerschaft Lahn-Dill hatten Herbst 2024 eine gut besuchte Infoveranstaltung rund um die KWP angeboten. Mit dabei: Experten, Energieversorger und die Lokalpolitik.

    Jetzt aktiv werden!

    Ein Blick auf die Aktivitäten rund um die kommunale ­Wärmeplanung vor Ort lohnt sich, um:

  • Fachhandwerk, Innung, Kreishandwerkerschaft einzubringen
  • KWP-Umsetzung kennenzulernen
  • kompetente Beteiligung zu erreichen
  • die frühe Ausweisung künftiger Wärmetechnik (dezentral oder Wärmenetz) zu kennen
  • Informationen zu GEG-konformen Lösungen und Fördermitteln zu geben.
  • Weitere Informationen zu KWP, Wärmenetzen und Info­veranstaltungen stellt die Allianz Freie Wärme ­bereit, Jürgen Bähr, E-Mail info@freie-waerme.dewww.freie-waerme.de.

    Empfehlenswert ist auch der „Praxisleitfaden Kommunale Wärmeplanung“. Dieses und weitere Servicematerialien stehen unter: https://www.freie-waerme.de/service/downloads/

    Gastautor

    Jürgen Bähr
    ist Leiter Marketing und Pressearbeit bei der Allianz Freie Wärme. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von Initiativen, Unternehmen und Verbänden aus den Bereichen Heizen und Wärme.

    Bild: Bähr

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