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20 Jahre zentrale Wohnungslüftung

“Komfortlüftung muss sich nicht amortisieren“

SBZ: Herr Fritzsche, 1992 wurde das Unternehmen Heinemann gegründet und vertreibt seitdem deutschlandweit exklusiv Wohnungslüftungsgeräte vom finnischen Hersteller Vallox. Diese Technik war damals kaum bekannt. War da der Start nicht etwas zäh?

Fritzsche: Sicher waren Horst Heinemann bei seiner Firmengründung und die GC-Gruppe als Vertriebspartner damals ihrer Zeit voraus. Inspiriert durch die Erfahrungen mit Wohnungslüftung in Finnland war Heinemann sich aber sicher, dass sich diese Technik auch in Deutschland durchsetzen wird. Der zweite Golfkrieg (1990/91) hatte uns wieder einmal deutlich gemacht, wie abhängig wir vom Primärenergieträger Öl sind – innerhalb kürzester Zeit war der Ölpreis auf ein Fünfjahreshoch geklettert. Die 2. Wärmeschutzverordnung von 1982 hatte sich überlebt, es zeichnete sich eine Verschärfung der Anforderungen an den Baukörper ab. Allerdings dachte damals hierzulande kaum jemand bei der Raumlüftung an die Rückgewinnung von Energie.

Auch das zweite Heinemann-Standbein war Niemandsland, zentrale Staubsauganlagen waren 1992 in Deutschland weitestgehend unbekannt – obwohl die Vorteile doch auf der Hand lagen: Leise, hygienisch und leistungsstark wird der Hausstaub nicht aufgewirbelt, sondern direkt über ein Rohrsystem gefiltert und nach draußen geführt. Zusammen mit einer Komfortlüftungsanlage ist die zentrale Staubsauganlage eine ideale Kombination, um saubere, allergenfreie Raumluft sicherzustellen. Heinemann sorgt also seit 20 Jahren dafür, dass es Menschen zu Hause gemütlich haben und sie hier jederzeit gesunde Luft atmen.

SBZ: Wie sahen damals die Wohnungslüftungsbranche und das Wettbewerbsumfeld aus? Und wie sieht der Markt heute aus?

Fritzsche: 1992 gab es in Deutschland keine Wohnungslüftungsbranche und wir hatten praktisch keinen Wettbewerber. In der Anfangszeit gab es im europäischen Ausland einige Firmen, die sich mit Wohnungslüftung beschäftigten, z.B. J.E. Stork aus den Niederlanden, Genvex aus Dänemark, Smeets aus den Niederlanden. In Deutschland hatte Polytherm (Fußbodenheizung) ein Gerät aus Kunststoff, aus Schweden gab es Abluftwärmepumpen. Insgesamt waren die Verkaufszahlen aber gering; es gab erste Feldversuche zur Sanierung von Wohngebäuden, jedoch überwiegend mit Abluftwärmepumpen.

Im Zeitraum 1994 bis 1999 wurde in Leipzig eine Wohnsiedlung nach dem Niedrigenergiehaus-Standard gebaut, ausgerüstet mit verschiedenen Wohnungslüftungs-Systemen (nur Fenster, Luftheizung, Abluftanlage, Lüftung mit Wärmerückgewinnung), in der von der Uni Kassel das Nutzerverhalten und der Energieverbrauch untersucht worden sind. 1996 war beispielsweise die Realisierung von 96 Wohneinheiten mit KWL-071-Geräten in einer Düsseldorfer Wohnanlage im sozialen Wohnungsbau eine Erfolgsmeldung. Der Titel eines Sonderdrucks über das Projekt zeugt davon, wie groß die Skepsis war: „Weil der Architekt das so wollte!“ Die Wärmeschutzverordnung 1998 belohnte den Einbau einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung mit einem Bonus – der Bauherr durfte bei der Gebäudehülle sparen und zwar um den Faktor 0,8 wenn die Rückgewinnung über 65 % und die Leistungskennziffer mindestens 1:5 war. Dass durch die Wärmerückgewinnung auch Energie gespart werden kann, war jedoch zu dieser Zeit noch nicht in den Köpfen der Verbraucher angekommen, beim Energiesparen wurde praktisch nur an Dämmung gedacht.

SBZ: Vallox verfügt bereits über eine 40-jährige Markt- und Produkterfahrung in Skandinavien. Waren bzw. sind die Vallox-Geräte europäisch oder länderspezifisch?

Fritzsche: Anfangs wurde die für Finnland entwickelte Technik einfach in die Exportländer und somit auch nach Deutschland geliefert. Spätestens Ende der 1990er-Jahre zeichnete sich aber in Deutschland der Wunsch nach ­höherer Energieeffizienz ab. Dies führte – unter maßgeblicher Beteiligung der Heinemann-Ingenieure – zur Entwicklung des damals wegweisenden KWL 090, dem ersten Kompaktgerät mit Kreuz-Gegenstrom-Wärmeübertrager und Gleichstromventilatoren, das drei Jahre vor der ersten Energieeinsparverordnung auf den Markt kam und in der Passivhausszene sofort großen Anklang fand. Diese Technik setzte sich (ähnlich wie der Passivhaus­gedanke) deutschland- und später auch europaweit durch. Schon 1995 haben wir mit dem KWL digit ein Gerät mit elektronischer Regelung und bedarfsgerechter CO2- und Feuchtesteuerung vorgestellt.

Momentan sehen wir allerdings einen starken Trend zu nationalen Regularien, der es allen Herstellern schwer macht, ein Gerät für verschiedene Märkte zu entwickeln. Tendenziell verteuert das die Technik unnötig, bindet Ressourcen und bremst die Marktdurchdringung.

SBZ: Gibt es in Deutschland ausgeprägte Wohnungslüftungs-Regionen?

Fritzsche: Regionale Unterschiede bei der Verwendung von Wohnungslüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung sehen wir in Deutschland kaum noch. Die aktuelle Vorschriften- und Rechtslage sowie handfeste Komfortargumente haben für eine breite Akzeptanz der Technik gesorgt. Bei Modernisierungsvorhaben spielen natürlich Angebot und Nachfrage eine entscheidende Rolle. In Regionen mit Wohnungsüberschuss (Mietermärkte) ist eine Komfortlüftungsanlage ein hervorragendes Verkaufsargument. In Regionen mit Wohnungsmangel wird an der Wohnungslüftung oftmals noch gespart.

Die Arbeit erschweren allerdings regionale und länderspezifische Förderprogramme, da die Grundlagen für die Förderung sehr uneinheitlich sind und oftmals auch zusätzlichen Prüfungsaufwand verursachen. Hier wäre eine einheitliche, bundesweite Regelung äußerst hilfreich und der Sache dienlich.

SBZ: Stimmt die Kritik, dass in Deutschland die Branche bei der Wohnungslüftung nicht von seinen Nachbarländern lernen, sondern alles neu erfinden wollte und die Marktdurchdringung darum nur langsam erfolgt?

Fritzsche: Nein, der Kritik stimme ich nicht zu. Länder, in denen Wohnungslüftungssysteme seit vielen Jahren eingesetzt werden, unterscheiden sich klimatisch deutlich von Deutschland. So basiert in Finnland die Heizlastberechnung beispielsweise auf einer Außentemperatur von bis zu –35 °C. Es bestand also neben dem Komfort eine technische Notwendigkeit, wodurch einfache, kompakte und leise Geräte schnell eine große Marktdurchdringung erreicht haben. In Deutschland und vielen anderen mitteleuropäischen Staaten forderte und förderte man hingegen energetisch höherwertigere Geräte. Uns war es wichtig, die finnischen Qualitäten, wie höchster Hygienestandard und extrem leiser Lauf, mit den hohen energetischen Anforderungen zu kombinieren. Vor diesem Hintergrund entstand die aktuelle Vallox-Gerätepalette, die übrigens auch in Finnland immer mehr Akzeptanz erfährt.

SBZ: Was müsste man an einem Wohnungslüftungsgerät von 1992 nachbessern, um es heute verkaufen zu können?

Fritzsche: Der Kreuzstrom-Wärmeübertrager müsste durch einen modernen Kreuz-Gegenstrom-Wärmeübertrager ersetzt werden und die Wechselstromventilatoren müssten „integrated fans“, also Gleichstromventilatoren mit integrierter Elektronik weichen. Auch die Gehäusedämmung ist heute deutlich besser als vor 20 Jahren. Immer noch aktuell bei Vallox-­Geräten sind der hohe Hygienestandard durch die zwei Filterstufen (G4+F7), das doppel­schalige, pulverbeschichtete Gerätegehäuse und die geringe Schallabstrahlung über das Gehäuse.

SBZ: Apropos Filter. Ihre Schätzung bitte: Um welchen Faktor wird das maximale empfohlene Wechselintervall von Luftfiltern durchschnittlich überschritten?

Fritzsche: Das können wir nicht beziffern. Schade finde ich aber, dass hochwertige Filter nur als Kostenfaktor und nicht als Qualitätsmerkmal gesehen werden. Wenn man sich einen Filter ansieht, der ein Jahr in Betrieb war und sich überlegt, dass der Schmutz im Filter nicht in den eigenen Bronchien ist, dann sollte das schon ein paar Euro pro Jahr wert sein. Handwerker sollten darum den ersten Filterwechsel für einen Aha-Effekt bei den Betreibern nutzen und einen Erinnerungsdienst anbieten.

SBZ: Kontrollierte, maschinelle, komfortable Wohnungslüftung... Wie viele Begriffe kann sich die Branche für die gleiche Sache leisten?

Fritzsche: Technik muss verständlich und begreifbar sein und sie muss sich am Menschen orientieren – ich habe kürzlich in der Biografie von Steve Jobs gelesen, dass der ­Erfolg von Apple unter anderem auf diesem Prinzip basiert. Wer will sich denn gerne kontrollieren lassen und wer möchte Maschinen in seiner Wohnung? Aus diesen Gründen haben wir den Begriff Komfortlüftung geprägt und nutzen ihn durchgängig. Auf die Nomenklatur in Normen und Gesetzen haben wir bedauerlicherweise wenig Einfluss.

SBZ: Heinemann konzentriert sich bisher auf zentrale Lösungen für die Wohnungslüftung. Sind dezentrale Lösungen kein Geschäftsfeld für Ihr Unternehmen?

Fritzsche: Aber sicher doch! Mit dem B80, früher Unoplus, haben wir sogar das energetisch beste und leiseste Gerät auf dem deutschen Markt im Lieferprogramm. Leider geht es im breit aufgestellten Vallox-Portfolio noch unter, aber das kann sich schnell ändern. Für ­gewisse Anwendungen sehen wir diese Lösung durchaus als sinnvoll an, sobald aber mehrere Zimmer mit dezentralen Geräten versorgt werden müssen, überwiegen bei norm­gerechter Ausführung die Nachteile dieser Technologie.

SBZ: Was hat sie 2005 dazu bewogen, auch selbst zum Hersteller zu werden und Luftverteilsysteme zu entwickeln und herzustellen?

Fritzsche: Als Vorbild hat Allaway fungiert: Ein komplettes System bestehend aus Zentralstaubsauger, einem eigens für diese Anwendung entwickelten Rohrsystem und anwendungsspezifischem Zubehör. Um auch bei Wohnungslüftung eine führende Rolle zu behalten, sind wir mit einem innovativen Flexrohrsystem auf den Markt gekommen. Der Erfolg gibt uns Recht, heute ist diese Technologie nicht mehr wegzudenken und wird von uns laufend weiterentwickelt.

SBZ: Wird es demnächst bei Heinemann ein Gerät geben, das die Raumluftfeuchte ganzjährig in einem optimalen Band regeln kann?

Fritzsche: Nein, denn die Physik kann niemand überlisten. Bedingt durch die systemimmanent geringen Luftmengen und das Fehlen von Umluft ist eine Entfeuchtung im Sommer unter den absoluten Feuchtegehalt der Außenluft technisch nicht machbar. Feuchteregelung im Winter ist auch heute schon möglich. Hierfür bieten wir Geräte mit Enthalpiewärmeübertrager und den Vallo­flex-Humo-Hygiene-Luftbefeuchter an.

SBZ: Kommen wir noch zur Marktentwicklung: Können Sie mir sagen, wie viele Wohnungslüftungsgeräte – eventuell sogar aufgeschlüsselt nach Kategorien – 2011 verkauft wurden? Was erwarten Sie für 2012?

Fritzsche: Nach unseren Quellen wurden 2011 etwa 35000 wohnungszentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung verkauft, wovon etwa 5 % mit Wärmepumpe waren. Für 2012 erwarten wir wieder ein Marktwachstum von 10 bis 20 %.

SBZ: In welchem Maß verlangen Bauherren heute Beratung zur Wohnungslüftung? Oder anders gefragt: Gibt es nach der jahrzehntelangen Aufklärungsarbeit einen Sog auf der Nachfragerseite?

Fritzsche: Ja, ganz eindeutig. Hier hat neben vielem anderem auch die in der Öffentlichkeit breit diskutierte DIN 1946 T6 eine Menge dazu beigetragen. Das hat in den letzten Jahren zu einem zweistelligen Anstieg der Verkaufszahlen geführt. Auch die Beratungs­inhalte haben sich verändert. Ging es früher darum, ob eine nutzerunabhängige Wohnungslüftung erforderlich ist oder nicht, wird dies heute nur noch selten infrage gestellt. Heute geht es darum, mit dem Kunden die für seinen Anwendungsfall optimale Lösung erarbeiten zu können. Und da sind natürlich ein breit aufgestelltes Sortiment, mehr als 20 Jahre Erfahrung und die schon in der Überschrift erwähnten Zigtausende von verkauften Vallox-Anlagen eine große Hilfe.

SBZ: Vielen Dank für das Gespräch.

Hintergrund

Horst Heinemann (1946–2001)

Für die Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung hat Horst Heinemann in Deutschland Pionierarbeit geleistet. Auf der ISH 1991 wurde der Grundstein für die bis heute partnerschaftliche Zusammenarbeit der GC-Gruppe, der Heinemann GmbH und Vallox gelegt. 1992 gründete der damalige Industrievertreter Horst Heinemann die Heinemann GmbH, die seitdem Vallox-Geräte in Deutschland exklusiv vertreibt. Mit unzähligen Schulungen und Informationsveranstaltungen und unermüdlichem Einsatz des Außendienstes wurden das Fachhandwerk überzeugt, Berührungsängste abgebaut und so der Weg für die Komfortlüftung geebnet.

Statements

Die drei größten Irrtümer

SBZ: Die drei größten Irrtümer zum Thema Wohnungslüftung sind...

Fritzsche: 1. Lüftung ist Mietersache. 2. Filterwechsel kosten nur unnötig Geld. 3. Systeme ohne Wärmerückgewinnung sind zukunftssicher.

SBZ: Beim Thema Wohnungslüftung wird zu wenig beachtet, dass...

Fritzsche: ... sie den Menschen und ihrer Gesundheit dient und nicht nur ein Kosten-faktor ist. Atemluft ist ein Lebensmittel, das wir genauso schätzen sollten wie sauberes Trinkwasser.

SBZ: Was macht Ihnen am Thema Wohnungslüftung Freude, was ärgert Sie?

Fritzsche: Es ärgert mich manchmal, dass Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung häufig auf wirtschaftliche Aspekte reduziert wird. Bei der heute vorgeschriebenen Bauweise ist die Komfortlüftung so sinnvoll und notwendig wie eine Heizung und muss sich deshalb auch nicht amortisieren.

Es freut mich, dass sich das langsam dreht und auch die Komfort- und Hygieneaspekte beachtet werden. Auch die Immobilienwirtschaft ist sich der Notwendigkeit der Wohnungslüftung als Problemlöser und Verkaufsargument durchaus bewusst. Es ist unsere Aufgabe, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten und beweisbare Softfacts wie niedrige Leerstände, keine Schimmelprobleme und zufriedene Mieter zu kommunizieren.