Wie stellt sich die derzeitige Situation im deutschen Wohngebäudebestand im Hinblick auf die Gebäudedämmung, die Qualität der Fenster, die Art der Beheizung und die Lüftung und Klimatisierung dar? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Forschungsprojekts „Datenbasis Gebäudebestand“, das federführend vom Institut für Wohnen und Umwelt (IWU), Darmstadt, und dem Bremer Energie Institut (BEI) durchgeführt und mit Mitteln des Bundesamts Bauwesen und Raumordnung (BBR) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert wurde (siehe Literaturhinweis). Die Daten für die repräsentative Studie wurden vom Herbst 2009 bis zum Frühjahr 2010 bundesweit von 415 Bezirksschornsteinfegern erhoben, die dazu anhand von umfangreichen Fragebögen Besitzer von Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern sowie Wohnungsbaugesellschaften befragten. Dabei ergaben sich 7510 ausgefüllte Fragebögen (7364 Wohngebäude und 146 Nichtwohngebäude mit Wohnungen), die anschließend analysiert, nach einer Vielzahl von Kriterien ausgewertet (Alter des Gebäudes, Lage, Bauphysik, Gebäudeausstattung, Gebäudetechnik etc.) und in dem 180 Seiten starken Studienbericht dargestellt wurden. Ein Anteil von 65 % der erhobenen Gebäude waren Ein- und Zweifamilienhäuser mit Baujahren vor 2004, 28 % waren Mehrfamilienhäuser und 7 % Neubauten (ab 2005).
Zähe Entwicklung bei Lüftungsanlagen im Bestand
Nachdem die Ergebnisse der Fragebögen auf die gesamte Bundesrepublik hochgerechnet waren, ergaben sich für mechanische Lüftungsanlagen und Raumklimageräte im Wohngebäudebestand folgende ernüchternde Resultate: Im gesamten Wohngebäudebestand sind lediglich 1,5 % der Gebäude mit mechanischen Lüftungsanlagen ausgestattet. In rund 50 % dieser Anlagen arbeitet eine Wärmerückgewinnung.
Allerdings stellt sich dieses Ergebnis sehr stark differenziert dar, wenn man in die Analyse auch das Gebäudealter einbezieht:
- In Altbauten (Baujahr bis 1978) sind mechanische Lüftungsanlagen mit einem Anteil von 0,4 % quasi nicht existent. Von diesen wenigen Anlagen ist lediglich ein Viertel mit einer Wärmerückgewinnung ausgestattet. Diese sehr geringe Zahl an Anlagen in Altbauten scheint darauf hinzudeuten, dass die Gebäudebesitzer bislang den finanziellen und bautechnischen Aufwand scheuen, eine Lüftungsanlage nachzurüsten.
- Ein wenig besser ist die Situation bei Neubauten. Immerhin 9,1 % der seit 2005 errichteten Wohngebäude besitzen eine mechanische Lüftungsanlage, davon haben knapp 83 % eine Wärmerückgewinnung. Hier scheint sich bei den Bauherren, einhergehend mit den Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV), langsam aber sicher die Erkenntnis durchzusetzen, dass die kontrollierte mechanische Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung in den nahezu luftdichten Gebäuden eine wirksame Maßnahme zum Energiesparen, zur Vermeidung von Schimmelbildung und zur Förderung der Gesundheit darstellt, die sich auch rasch amortisiert.
- Jeweils etwa 31 bis 32 % der in der Studie erhobenen Lüftungsanlagen wurden bis 1999 bzw. nach 2005 in den Gebäuden installiert. Die verbleibenden 37 % entfallen auf Gebäude mit Baujahren von 2000 bis 2004.
Eine aktuelle Markterhebung, die gemeinsam von FGK und BDH (Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik e.V.) durchgeführt wird, hat ergeben, dass im Jahr 2010 in Deutschland rund 31000 Anlagen zur kontrollierten Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung verkauft wurden. Da diese Zahl um 27 % über dem Vorjahr liegt, besteht Anlass zur Hoffnung, dass es tatsächlich einen steigenden Trend zur mechanischen Wohnungslüftung gibt.
Großes Potenzial bei Raumklimaanlagen
Bei der aktiven Raumkühlung von Wohngebäuden, zum Beispiel mit mobilen oder Split-Raumklimageräten, sieht die Situation noch schlechter aus als bei Lüftungsanlagen. Lediglich 0,9 % der Wohngebäude werden mechanisch gekühlt, wobei der Anteil der Raumklimageräte in Neubauten nach 2005 mit 1,6 % ein wenig höher liegt als der Bundesdurchschnitt. Von den in der Studie erhobenen Raumklimageräten haben 20 % ein Baujahr vor 1999, 17 % wurden zwischen 2000 und 2004 installiert und weitere 63 % nach 2005. Eine weitere Analyse erübrigt sich hier, denn angesichts dieser Zahlen muss man resümieren: Die Klimatisierung von Wohngebäuden ist in Deutschland nicht vorhanden.
In Deutschland werden jährlich zwischen etwa 150000 und 250000 mobile und Split-Klimageräte verkauft, die genaue Zahl ist nicht bekannt. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen (siehe Tabelle). Aussagen von führenden Anbietern zufolge, die in der FGK-Arbeitsgruppe Raumklimageräte organisiert sind ( http://www.raumklimageraete.de ), ist diese Verkaufszahl über die Jahre hinweg aber stets auch stark von den sommerlichen Temperaturen abhängig: Ist es im Mai und Juni bereits sehr heiß, steigen die Verkäufe von Split- und mobilen Klimageräten sprunghaft an. Kommt das heiße Wetter erst im August oder im September, hat das kaum Einfluss auf die Verkäufe von Klimageräten. Warum im reichen Deutschland, das etwa 20 % des gesamten europäischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, auch im Vergleich zu anderen Staaten so wenig Raumklimageräte verkauft werden, ist und bleibt ein ungelöstes Rätsel.
Perspektiven trotzdem gut
So ernüchternd die Ergebnisse der Studie auf den ersten Blick auch sein mögen: Wenn bislang lediglich 1,5 % der Wohngebäude mit einer mechanischen Lüftungsanlage und nur 0,9 % mit einer Raumklimatisierung ausgestattet sind, ergibt sich daraus im Umkehrschluss ein riesiges Potenzial zur Nachrüstung von Lüftungs- und Klimageräten. Hier gilt es anzusetzen und den Hausbesitzern aufzuzeigen, welche energetischen und gesundheitlichen Vorteile solche Anlagen bieten können, wie und mit welchem Aufwand und auch zu welchen Kosten diese Systeme auch nachträglich in ihren Gebäuden installiert werden können.
Hier kämpft der Fachverband Gebäude-Klima mit seinen beiden Arbeitsgruppen Kontrollierte Wohnungslüftung ( https://kwl-info.de/ ) und Raumklimageräte ( http://www.raumklimageraete.de ) und den darin aktiven rund 75 Fachfirmen seit Jahren mit Informationsveranstaltungen, Broschüren und einer breiten Öffentlichkeitsarbeit an vorderster Front, um diese schlummernden Potenziale zu wecken. Und die Chancen, hier in den kommenden Jahren noch erfolgreicher sein zu können, stehen angesichts der steigenden Zahl an energetischen Modernisierungen im Gebäudebestand, der immer heißeren Sommer und den immer strengeren gesetzlichen Auflagen zur Gebäude-Energieeffizienz nicht schlecht.
Extras
Der 180 Seiten umfassende Forschungsbericht „Datenbasis Gebäudebestand – Datenerhebung zur energetischen Qualität und zu den Modernisierungstrends im deutschen Wohngebäudebestand“ über das vom Institut für Wohnen und Umwelt (IWU), Darmstadt, und dem Bremer Energie Institut durchgeführte Projekt steht als PDF-Datei auf http://www.iwu.de im Bereich Forschung – Energie zur Verfügung oder bei uns im Internet unter:
Autor
Günther Mertz ist Geschäftsführer vom FGK, Fachverband Gebäude-Klima e.V., 74321 Bietigheim-Bissingen, Telefon (0 71 42) 78 88 99-0, info@fgk.de, https://www.fgk.de/