Die energetische Sanierung von Gebäuden ist auch im SHK-Handwerk ein zentrales Thema. Denn die fast vollständige Abdichtung der Gebäudehülle mit neuen Fenstern und einem Wärmeverbundsystem auf den Außenwänden macht den Einbau einer kontrollierten Wohnraumlüftung notwendig. Dena und das Land Schleswig-Holstein haben ein Programm aufgestellt, mit dem Bauherren und Modernisierer die Energieeffizienz ihrer Gebäude nachhaltig verbessern können. Wer die Voraussetzungen erfüllt, erhält Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen, die oft maßgeblicher Faktor für eine Investitionsentscheidung sind. „Ohne öffentliche Fördermittel ist eine Sanierung mit einem so umfangreichen Maßnahmenpaket wirtschaftlich kaum zu finanzieren“, sagt Bautechniker Reinhard Schnell, der für die Siedlungsbaugesellschaft Hermann und Paul Frank das Sanierungskonzept entwickelte.
Umfangreiches Maßnahmenpaket
Als Grundlage der energetischen Sanierung wurde in dem Zwölf-Familien-Doppelwohnhaus am Bräutigamweg 9 bis 11 zunächst durch Dämmung von Fassade, Keller- und oberster Geschossdecke sowie durch Fenstertausch der spezifische Transmissionswärmeverlust der Gebäudehülle auf 0,30 W/m²K gesenkt. Der damit stark gesunkene Heizwärmebedarf der zwölf Wohneinheiten wird nach wie vor aus dem benachbarten Heizhaus über Nahwärme gedeckt, da hier mit geringem Aufwand eine ausreichend effiziente Optimierung möglich war.
Ein wesentlich höheres Energiesparpotenzial ergab sich jedoch bei der Warmwasserversorgung. Vor der Sanierung wurde das Warmwasser dezentral über für die damalige Bauzeit moderne, mittlerweile aber nicht mehr zeitgemäße Speicher in den Badezimmern und Küchen erzeugt. Heute wird die Warmwasserversorgung nahezu vollständig mit Solarthermie sichergestellt. Dafür speisen sechs thermische Solarkollektoren vom Typ Aurotherm je einen zentralen 750-Liter-Speicher pro Haushälfte.
Primärenergiebedarf auch im Altbau auf unter 40 kWh/m²a senken
Doch die Abdichtung der Gebäudehülle, die Optimierung der Nahwärmeversorgung und die Warmwasserbereitung über Solarthermie reichten noch nicht aus, um die ehrgeizige energetische Zielvorgabe zu erreichen. Hinzu kam, dass die gegen Wärmeverluste sanierte Gebäudehülle nicht nur die Energiebilanz verbessert, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf das Raumklima in den Wohnungen hat. „Eigentlich kennen alle Wohnungsbaugesellschaften das Problem, dass es nach solchen energetischen Sanierungen in einzelnen Wohnungen zu Schimmelbildung kommen kann, weil nicht oder nicht richtig gelüftet wird“, bringt Reinhard Schnell das Thema aus Sicht des Vermieters auf den Punkt. Um beide Anforderungen – Primärenergiebedarf auf unter 40 kWh/m²a senken sowie ausreichende Wohnungslüftung sicherstellen – zu erfüllen, entschied sich Schnell in enger Abstimmung mit Fachhandwerker Lischewski bereits in der Planungsphase für die Installation einer kontrollierten Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung.
Mit den Mietern auf Tuchfühlung
Die Herausforderung dabei: Die gesamte Sanierung des Mehrfamilienhauses, über drei Monate Bauzeit hinweg, fand in bewohntem Zustand statt. „Die Installation einer zentralen KWL-Anlage, die beispielsweise vom Keller aus alle Wohnungen versorgt, verbot sich damit praktisch von selbst. Das Verlegen von Lüftungsleitungen durchs ganze Haus mit den entsprechenden Wanddurchbrüchen wäre für die Mieter nicht zumutbar gewesen – und für die Siedlungsbaugesellschaft kaum finanzierbar“, erläutert Lischewski die Problematik.
Deshalb wurde in dem Kieler Mehrfamilienhaus mit Recovair von Vaillant ein eigentlich zentrales Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung quasi dezentral eingesetzt, indem jede Wohnung mit einem der kompakten Geräte ausgestattet wurde. Jedes der insgesamt zwölf Lüftungsgeräte versorgt nun wiederum zentral alle Räume einer Wohnung mit Frischluft und führt über die Wärmerückgewinnung rund 95 Prozent der Wärme aus der Abluft den Räumen wieder zu.
Baulicher Aufwand erstaunlich gering
Der bauliche Aufwand zur Installation der Lüftungsanlagen war erstaunlich gering. Unter geschickter Ausnutzung der Wohnungszuschnitte wurden die kompakten, wandhängenden Lüftungsgeräte in der jeweils am Ende des Flurs liegenden Abstellkammer positioniert. „Im Gegensatz zu meinen ursprünglichen Befürchtungen waren die Mieter bereit, im Austausch gegen die nicht mehr benötigten alten Boiler im Bad die Stirnseite ihrer Abstellkammer für die Lüftungsgeräte frei zu machen“, erläutert Klaus Lischewski. Auch der mit jeweils nur knapp 70 Zentimetern lichter Breite sehr schmale Türrahmen der Abstellkammern erwies sich nicht als nennenswertes Hindernis. Mit den kompakten Außenmaßen von 708 (H) x 683 (B) x 440 (T) Millimetern und dem geringen Gewicht von 38 Kilogramm ließen sich die Geräte problemlos in die Abstellräume einbringen.
Die Verlegung der Lüftungskanäle vom Lüftungsgerät in die Wohnräume erfolgte ausschließlich unter der Flurdecke. Dabei griff das Fachhandwerksunternehmen statt auf die üblichen runden Lüftungsrohre auf besonders flache Ovalrohr-Lüftungskanäle zurück, die sich dank der variablen Luftanschlüsse mit einem zusätzlichen Übergangsadapter einfach am Recovair Gerät anbinden ließen. Durch entsprechend flache Wanddurchbrüche direkt unter der Decke wurden die Zu- und Abluftkanäle dann vom Flur aus in die einzelnen Räume geführt. Klaus Lischewski: „Durch diese Art der Leitungsführung konnten die eigentlichen Wohnräume bis auf die Lufteinlässe komplett unangetastet bleiben. Und die nachträglich um nur wenige Zentimeter abgehängte Flurdecke lässt die Lüftungskanäle elegant verschwinden.“
Ansonsten folgt die Lüftungsanlage dem klassischen Prinzip: Küche, Bad und WC sind an den Abluftkanal angeschlossen, Schlaf- und Wohnräume mit dem Zuluftkanal verbunden. Nachträglich eingebaute Luftgitter in den Türen sorgen zudem dafür, dass die Luft innerhalb der Wohnung gleichmäßig zirkulieren kann. In den Zimmern weisen lediglich die Einblasdüsen als Weitwurfventil auf die Lüftungsanlage hin, denn sowohl Luftströmungen als auch Geräuschniveau des Lüftungssystems sind so marginal, dass sie weder zu spüren noch zu hören sind.
Luftaustausch, Raumklima und Energiebilanz
Neben dem Effekt, dass Feuchtigkeit und Schimmel in den Wohnungen kaum eine Chance haben, trägt die Lüftungsanlage mit ihrer Wärmerückgewinnung auch zur positiven Energiebilanz des Mehrfamilienhauses bei. Rund 95 Prozent der Wärme aus der Abluft werden über einen Wärmetauscher wieder der Zuluft zugeführt. Auf diese Weise deckt die Anlage rund 20 Prozent des benötigten Heizwärmebedarfs. „Mit einem Primärenergiebedarf nach der Sanierung von exakt 39,6 kWh/m²a haben wir den ehrgeizigen Zielwert von maximal 40 kWh/m²a sogar knapp unterschritten“, resümiert Bautechniker Schnell. Und er zieht gemeinsam mit Fachhandwerker Lischewski eine weitere positive Bilanz: „Nicht zuletzt aufgrund der intelligenten Planung und der steckerfertigen Anschlusstechnik des Lüftungssystems konnten wir die Sanierungsmaßnahmen, in kürzester Zeit erledigen. Und die damit einhergehenden kleinen Unannehmlichkeiten haben die Mieter angesichts des Komfortgewinns und der deutlichen Senkung der Nebenkosten letztlich schnell vergessen.“ Durch praxisgerechte Systeme verliert der nachträgliche Einbau einer kontrollierten Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung den Nimbus, nur bei Neubauten attraktiv zu sein.
Info
Baustellentafel Bräutigamweg
Sanierung des Zwölf-Familien-Doppelwohnhauses am Bräutigamweg 9 bis 11 in Kiel
Bauherr + Planung: Siedlungsbaugesellschaft Hermann und Paul Frank mbH & Co. KG, 24143 Kiel, https://www.frankgruppe.de/
Ausführende Firma: Lischewski Versorgungstechnik GmbH, 24147 Kiel, https://www.lischewski.de/
Durchgeführte Maßnahmen
Dämmung der Fassade mit 20 cm Wärmedämm-Verbundsystem WD WLG 032
Dämmung der obersten Geschossdecke 14 cm WLG 025
Unterseitige Dämmung der Kellerdecke 10 cm WD WLG 025
Fenster-Austausch mit Dreischeiben-Wärmschutzverglasung U = 0,8 W/m²K
Lüftungsanlage Recovair mit Wärmerückgewinnung
Solaranlage Aurotherm mit Warmwasserbereitung
Erneuerung der Wärmeverteilung (Heizkörper)
Verglasung der Loggien
Zentralisierung der Warmwasserversorgung
Komplettmodernisierung der Bäder und Küchen
Einbau von Wohnungswasserzählern
Erneuerung der Elektro-Wohnungsverteilung
Extras
Die einzelnen Anlagenkomponenten
Zwei Solarkollektoren Aurotherm
Brutto-Kollektorfläche 2,51 m²; Aperturfläche 2,35 m²
Gewicht 38 kg
Jahresertrag > 525 kWh/m²
3,2 mm starkes Antireflexglas mit 91 Prozent Lichtdurchlässigkeit
Serpentinenabsorber aus Aluminiumblech und Kupferrohr
Abmessungen 2033 x 1233 x 80 mm
Vaillant-Trinkwasserstation
Trinkwassererwärmung im Durchflussverfahren
bis zu 40 l/min
Leistungskennzahlen von 3,5–9
Edelstahl-Plattenwärmetauscher
selbstlernende Mikroprozessorregelung
Pufferspeicher Aurostor VPS S
Solar-Pufferspeicher mit 750 Liter Inhalt
Einbindung der Trinkwasserstation im oberen Speicherbereich
Wärmeübergabe der thermischen Solaranlage über Glattrohr-Wärmetauscher
stabile Temperaturschichtung durch Prallbleche an allen seitlichen Anschlüssen
acht seitliche Anschlüsse für individuelle Be- und Entlademöglichkeiten
abnehmbare Wärmedämmung für leichteren Transport und Einbringung