Auch im Zusammenhang mit zentralen Lüftungs- und Klimaanlagen macht häufig das Sick Building Syndrom (SBS) von sich reden. Zu den Krankheitsbildern gehören Augen-, Schleimhaut- und Hautreizungen oder Unwohlsein. Weniger oft spricht man von schweren Erkrankungen, obwohl zum Beispiel auch Allergien oder Infektionen auf das Konto der Lüftungs- und Klimatechnik gehen sollen.
Dass sich Krankheiten durch die Klimatechnik ausbreiten ist möglich, wenn die RLT-Anlagen nicht nach den spezifischen Anforderungen ausgelegt sind oder die Wartung nicht fachgerecht durchgeführt wird. Doch werden RLT-Anlagen fachgerecht gepflegt, haben Krankheitserreger schlechte Chancen.
Anforderungen an RLT-Anlagen und Servicearbeiten
Bei Lüftungsanlagen, wie sie beispielsweise in Hotels und Bürogebäuden gebräuchlich sind, genügt in der Regel eine Standardinspektion sowie trockenes Reinigen – sofern die Anlagen keinen Befeuchter besitzen. Dieser verdient besondere Aufmerksamkeit, denn in der Befeuchterstrecke einer Zentrallüftung können sich leicht Keimherde bilden. „Hygienereinigung“ und „Hygieneinspektion“ sind Arbeiten, die bei besonderen hygienischen Ansprüchen an RLT-Geräten durchzuführen sind. Sie betreffen zum Beispiel Krankenhäuser, Laboratorien oder Pflegeheime, in denen die Trockenreinigung der Kammern meistens nicht ausreicht.
Die VDI 6022 gibt Anhaltspunkte, welche Bedingungen die RLT-Anlagen und die Servicearbeiten erfüllen müssen, um einen hygienischen Betrieb zu ermöglichen. Das Regelwerk richtet sich an Planer, Bauherren, Architekten, Ausrüster, Installateure, Betreiber, Servicekräfte und Nutzer. VDI 6022 bezieht alle RLT-Anlagen und -Geräte ein, die Aufenthaltsbereiche oder Räume versorgen, in denen sich an mehr als 30 Tagen pro Jahr oder regelmäßig über zwei Stunden pro Tag Personen aufhalten. Der Hygienekontrolle und -inspektion ist aufgrund der Besonderheiten das komplette Blatt 2 gewidmet. Checklisten ergänzen die VDI 6022 und geben dem Anlagenservice Empfehlungen, wie oft welche Arbeitsgänge durchzuführen sind, etwa Sichtkontrollen, Filterwechsel, Reinigungsarbeiten etc. Erhältlich ist die VDI 6022 bei Beuth ( http://www.beuth.de. )
Merkmale, die das Reinigen erleichtern
Um die Wartung und Reinigung nach VDI 6022 zu erleichtern, sollte das Zentrallüftungsgerät von der Vorder- und Rückseite gut zugänglich sein, der Platz darf also nicht als Lager herhalten. Während auf der Rückseite die halbe Gerätebreite oft ausreicht, sollte auf der Vorderseite mindestens eine ganze Gerätebreite Platz sein. Nur so lassen sich Module leicht entnehmen und begutachten oder reinigen. Denn Bauelemente und Einbauten sind laut der Richtlinie so anzuordnen, dass sie wartungsfreundlich sind, insbesondere die Komponenten, die häufig zu kontrollieren sind, etwa Tropfenabscheider und Gleichrichter an Luftbefeuchtern und Kühlern. Abnehmbare große Servicetüren bzw. abnehmbare Paneele oder – bei größeren Geräten – Servicetüren vereinfachen das Säubern ebenso wie glatte Innenflächen, die Schmutz und Biofilmen wenig Haftgrund bieten. Der Übersicht halber empfiehlt VDI 6022 zudem, Schaugläser und eine Innenbeleuchtung vorzusehen – Maßnahmen, die bei großen Geräten mit über 1,3 m lichter Höhe für Ventilator und Luftfilter ohnehin gefordert werden und für Befeuchter obligatorisch sind.
Angeraten ist zudem eine Gerätekonstruktion, die den Filterwechsel ausschließlich staubluftseitig zulässt. Diese Maßnahme schließt eine Kontamination der hinter dem Filter liegenden Luftstrecke aus. Gemäß VDI 6022 kann ein seitlicher Auszug vorgesehen werden. Ab einer Gerätehöhe von 1,6 m müssen Filter von der Roh- und der Reinluftseite zu Reinigungszwecken zugänglich sein, weswegen dann auch auf der Reinluftseite eine Türe vorhanden sein muss. Die Filter selbst dürfen keinen flächigen Kontakt zum Boden haben, daher müssen Taschenfilter – zumindest im Bodenbereich – stehend angeordnet sein. Angaben zum Filterwechsel oder zur Differenzdruckmessung etc. sollten übrigens nicht nur im Serviceprotokoll vermerkt sein, sondern auch auf einer an der Filterkammer befestigten Karte niedergeschrieben werden.
Auch nach den neuen Regeln sollen Wärmetauscher beidseitig zugängig oder ausziehbar sein, um das Reinigen und Desinfizieren zu vereinfachen. Weitere Konstruktionsmerkmale minimieren Feuchtigkeitsansammlungen und somit das Risiko von Keimherden: Korrosionsbeständige Wannen führen anfallendes Kondensat gezielt dem Abwasser zu und eine gute Isolierung beugt der Kondensatbildung vor. Die konstruktiven Vorgaben der VDI 6022 zu erfüllen, mag bei der Gerätanschaffung teuer sein, kann aber zur Verbesserung der Luftqualität beitragen und die Servicearbeiten beschleunigen.
Schutzkleidung ist wichtig für die Hygiene
Einschlägige Regelwerke sehen vor, dass diese Reinigungsarbeiten nur geschultes Personal in Schutzkleidung erledigen sollte. Dass die Mitarbeiter bei manchen Tätigkeiten einem Spurensicherungsteam der Kripo ähneln, hat seinen Grund: Atemmasken und Handschuhe dienen dem Selbstschutz und vermeiden zugleich bei vielen Handgriffen den Eintrag von Schmutz. Die Reinigungs- und Pflegemittel müssen der Gefahrstoffverordnung entsprechen. Das Reinigen geschieht in zwei Schritten: erst trocken (abbürsten, kehren, saugen oder ausblasen), dann feucht mit entsprechender Reinigungschemie. Aerosole Verfahren sind tabu. Zum Schluss wird mit klarem Wasser nachgewischt und getrocknet, ggf. auch desinfiziert. Der Reinigung und Wartung der Zentralanlagen kommt deswegen eine hohe Bedeutung zu, weil das Reinigen des luftführenden Kanalsystems meistens sehr umständlich ist. Trotzdem oder gerade deshalb sollten die Kanäle ausreichend große Querschnitte aufweisen und – was in der Praxis nicht selbstverständlich ist – genügend Revisionsöffnungen besitzen, um im Fall des Falles ein leichtes Reinigen oder Desinfizieren zu ermöglichen.
Zusätzliches Know-how nötig
Mit einer Grundreinigung alleine ist schon viel für die Hygiene getan. Um die Ausbreitung von Keimen oder Pilzen zuverlässig zu unterbinden, ist dennoch die Hygienereinigung notwendig. Diese Arbeiten setzen besondere Kenntnisse voraus, die spezielle Seminare vermitteln. Das Handhaben und Auswerten von Proben verlangt zusätzliches Know-how und eine adäquate Technik, auch Laboranten werden daher in mehrtägigen Schulungen darauf vorbereitet.
Die eigentliche Hygieneinspektion, das heißt das Überprüfen der hygienischen Zustände, erfolgt laut VDI 6022 bei RLT-Anlagen alle zwei (bei Anlagen mit Befeuchter) bzw. drei Jahre (ohne Befeuchter). Oft werden diese Inspektionen aber im Rahmen des jährlichen Service vorgenommen. Sichtkontrollen, physikalische Messungen und Keimzahlbestimmungen legen die Zustände in punkto Hygiene offen. Besondere Beachtung verdienen Luftbefeuchter, insbesondere Umluftsprühbefeuchter: Weil sie nicht dauerhaft in Betrieb sind, können sich dort in den Ruhephasen Bakterien vermehren. Dem wirken üblicherweise zwar Entkeimungsanlagen mit automatisch ablaufenden Spülvorgängen bzw. UV-Bestrahlung entgegen, dennoch gehören sie bezüglich der Hygiene zu den höchsten Risikofaktoren einer RLT-Anlage.
Zur Wartung des Befeuchters gehört neben einem Check auf Verschmutzung und Schäden das Prüfen der Nachspeiseanlage sowie Abschlämmvorrichtung und Tropfenfänger. Zum manuellen Säubern des Befeuchters wird das Wasser abgelassen, eine chemische Reinigung durchgeführt, dann gespült, getrocknet und desinfiziert. Achtung: Der Befeuchter ist auch bei Nicht-Hygiene-Anlagen die Komponente, die in RLT-Anlagen den „besten Keimherd“ darstellt. Die Befeuchterstrecke muss also auch bei Standard-RLT-Anlagen aufmerksam inspiziert und gepflegt werden.
Keimkonzentrationen bestimmen
Bei einer Hygieneinspektion wird an wesentlichen Stellen im RLT-Gerät die Keimkonzentration gemessen, was mit Hilfe von Abklatschproben geschieht (zum Stichwort Abklatschproben siehe Bilderserie). Im Befeuchter sind Dip-Slides (Tauchproben) geeignet, um die Keimkonzentration zu messen. Nach VDI 6022 beträgt die maximal zulässige Gesamtkeimzahl im Befeuchtungswasser einer RLT-Anlage 1000 KBE/ml (Bebrütungstemperatur: 20 °C und 36 °C). Bereits bei der Probennahme können Unerfahrene große Fehler machen. Ein falscher Griff – womöglich ohne Handschuhe – und der Teststreifen ist schon mit Keimen verseucht, bevor er das Befeuchterwasser berührt hat.
Nicht zu vernachlässigen: die ansaugseitigen Filter
Im Sommer und bei hoher Feuchtigkeit können Keime auch auf den Filtern eines Zentrallüftungsgeräts einen Nährboden finden. Eine präventive konstruktive Maßnahme ist etwa eine Wetterschutzhaube, die vor Schlagregen schützt. Dennoch könnte die Luftfeuchtigkeit der angesaugten Luft je nach Wetterlage ein Verkeimen begünstigen. Daher sind Kontrollen der Filter wichtig. Abklatschproben von den dahinter liegenden Flächen geben Aufschluss darüber, ob die Filter eine zu hohe Keimkonzentration aufweisen. Auch hier müssen Probennahme und -auswertung durch Fachkräfte erfolgen. Unabhängig von den Ergebnissen der Untersuchung empfehlen Klimaexperten, den Filter nach sechs Monaten auszutauschen, im Sommer bei Bedarf sogar öfter.
Wenn die RLT-Anlage sich in einem hygienischen Zustand befindet, ist ein Eintrag von Keimen oder Pilzen in das Lüftungsnetz weitgehend ausgeschlossen. Dennoch gehört zu einer Hygieneuntersuchung auch der Blick in die Kanäle. An Revisionsöffnungen kann der Benetzungsgrad gemessen und an den Luftauslässen die Luftreinheit ermittelt werden. Um Schmutz und Keimherde im Kanalsystem zu vermeiden, sieht die Richtlinie VDI 6022 eine entsprechende Konstruktion vor: Verbindungen, Aussteifungen und andere Einbauten sowie Befestigungen sind so vorzusehen, dass Schmutzablagerungen verhindert und das Reinigen leicht und ohne Verletzungsgefahr durchgeführt werden kann. Bei Hohlraum- und Doppelböden gehen die Empfehlungen noch weiter. So ist zum Beispiel ein Staub bindender und abriebfester Anstrich der luftberührenden Flächen angeraten. Damit die schwierig zu reinigenden Stellen sauber bleiben, ist – bis auf wenige Ausnahmen – die dort geführte Luft zuvor mit Filtern der Klasse F9 zu filtern. Diese (und weitere) Vorgaben der VDI 6022 lassen erahnen, wie aufwendig die Reinigung des Kanalsystems ist. Ein gut gewartetes und gereinigtes Zentrallüftungsgerät beugt einem Verschmutzen des Luftkanals wirkungsvoll vor.Auch für diese Arbeiten liefert VDI 6022 passende Regeln.
Damit erst gar keine Mängel auftreten, sollte nur fachkundiges Personal die Routinereinigung und -wartung an RLT-Anlagen vornehmen. Denn wenn sich erst einmal ein Biofilm im Kanalnetz gebildet hat, ist das Reinigen oft sehr teuer: Das Säubern des Kanals ist meistens eine diffizile Sache. Professioneller Service zahlt sich also doppelt aus. Dies gilt es dem Anlagenbetrieber zu vemitteln. Dabei darf die RLT-Gerätereinigung und Hygieneinspektion nach VDI 6022 nur durch geschultes Personal vorgenommen werden. Denn es geht um Gebäude, in denen sich ständig Leute aufhalten, also um die Gesundheit vieler Menschen. Bei einer Untersuchung durch den Arzt sieht es jeder als selbstverständlich an, dass ausgebildete Kräfte Proben nehmen und Laboranalysen durchführen. Bei RLT-Anlagen sollte das nicht anders sein. Auch hier sind im Sinne der Gesundheit ein hohes Maß an Sachverstand und ein „zuverlässiger Befund“ gefordert.
Die VDI 6022
Blatt 1 der VDI 6022 trägt den Titel „Hygiene-Anforderungen an Raumlufttechnische Anlagen und Geräte”, Blatt 2 erläutert ergänzend die „Messverfahren und Untersuchungen bei Hygienekontrollen und Hygieneinspektionen”. In diesem Blatt sind unter anderem die Untersuchungsmethoden beschrieben, die bei der Probennahme und Laboranalyse von Wasser-, Luft- und Oberflächenproben anzuwenden sind. Zudem ist genannt, wie die Staubflächendichte ermittelt wird. Vorausgesetzt wird in dem Regelwerk, dass die Proben von fachkundigen Laboren nach dem aktuellen Wissenstand und mit geeigneter Technik ausgewertet werden. Weitere Infos gibt es unter http://www.beuth.de.
Weitere Informationen
Michael Gertmann ist Geschäftsführer der GEA Happel Service GmbH, Siemensring 44h, 47877 Willich, Telefon (0 21 54) 9 16 30, E-Mail: gertmann.michael@gea-happel-service.de, http://www.gea-lufttechnik.de