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Chaos statt Kaufrausch

Ein freier Tag…

Wochen dauerte schon die Vorfreude auf einen unbeschwerten Einkaufstag. Mein Chef und Ehemann war unterwegs zu einer Schulung und ich wollte es mir so richtig gemütlich machen. Länger schlafen, Zeitung in Ruhe lesen, kleine Runde mit dem Hund, Kaufrausch. Früh, sehr früh am Morgen weckte mich die hartnäckig mein Gesicht bearbeitende nasse und kalte Schnauze meines Hundes. Er hatte Morgenluft gewittert. Bei der Rückkehr vom Gassigehen steht ein Bautrupp vor der Haustür, schön sortiert nach Farben, der Maler weiß, der Installateur blau, der Dachdecker schwarz. „Das Büro ist da vorne“, beeile ich mich zu sagen. „Wieso Büro? Wir wollen zu Ihnen!“, kommt die Antwort. „Ihr Mann hat uns bestellt, wir sollen die Mauer einreißen, die Fenster entfernen, die Holzlatten an der Decke lösen…“. Den Rest verstehe ich nicht mehr, wie die Orgelpfeifen stapfen sie durch den Flur, hochmotiviert für die Zeit bis zum Frühstück.

Nur eine Stunde Telefondienst...


Im Büro indes stehen die Blaumänner an der Theke. Ach ja, die Arbeitszettel müssen noch schnell verteilt werden. Nach ökologisch-ökonomischen Gesichtspunkten und den Fähigkeiten der Monteure gestern von mir mühsam zusammengestellt. Das Telefon klingelt und die erste Krankmeldung trudelt ein. Zahnarzt, kann ich verstehen. Na, Telefondienst kann ich ja leisten, für eine Stunde versteht sich. Die Geschäfte haben ohnehin noch nicht auf. Mein Blick fällt nach draußen. Dort spielen die Monteure Karten. Und zwar mit den ­Arbeitszetteln! „Das ist mein Kunde“, „Da war ich erst letzte Woche“, „Der Lehrling kommt zu mir auf die Baustelle“ usw.. Meine Wegstrecke, mein Timing – lass sie ziehen, denke ich.

Anruf aus Düsseldorf, wo ist der Azubi? Woher soll ich das wissen? Ach so, ÜBL. Zwei Schubladendurchsuchungen später: Es liegt eine Krankmeldung vor. Ein Fax davon? Warum nicht! Über Handy meldet sich ein Monteur. Es war nur ein kleiner Unfall, verstehe ich immer. Am Auto ist nur ein geringer Schaden. Hauptsache, ihm ist nichts passiert. Warum ich ihn so schlecht ver­stehe? Ach so, er sitzt im Abschleppwagen, da ist die Akus­tik natürlich nicht so gut.

Eine alte Kundin...


Nebenan sitzt mittlerweile Oma Müller und möchte ihre Rechnung bezahlen. Überweisungen und Schecks sind ihr zu modern, sie bezahlt seit Menschengedenken in bar. Zeit hat sie genug und verwickelt die Büroangestellten gerne in ein Schwätzchen. Geschäftstüchtig erwähnt sie noch, dass bei einem Betrag von 48,34 Euro drei Prozent Skonto fällig sind. Ein Anschlussplausch mit der Chefin ist selbstverständlich. Schließlich kommt sie seit Jahren zu uns... Ob ich noch wisse, wie ich mit dem Zwillingswagen durch die Anlagen gefahren sei? Natürlich weiß ich das noch, ist doch erst 25 Jahre her!

Ein Telefongespräch für mich. Die Frau am anderen Ende der Leitung lobt den Monteur, der morgens die Heizung so gründlich gewartet hat. Leider hat sich der gute Mann mit der Hausnummer vertan und die falsche Heizung bearbeitet. Sie sei nur die Schwiegermutter und hatte keine Ahnung … bezahlen würde sie die Stunde nicht. Nein, das hätten wir auch nicht verlangt. Inzwischen läuft das andere Telefon heiß: Die Kundin, die im Nachbarhaus wohnt und seit Stunden wartet, lässt ihren Frust ab. Ein Urlaubstag vergeudet, Termin nicht eingehalten und keine Aussicht auf Erfolg, weil der Monteur bereits anders ver­plant ist.

Eben noch Bescheid sagen...


Es ist Mittag, Zeit für einen kleinen Imbiss. An mir vorbei schieben sich die Handwerker mit Pommes-Schalen, Mettbrötchen und dicken Butterbroten in mein Wohnzimmer. Gemütlich strecken sie die Beine aus und diskutieren die neuesten Gerüchte der Bild-Zeitung. Eigentlich wollte ich ja in der Stadt schön essen gehen, aber zu Hause ist es auch gemütlich. Dann noch den Hund gefüttert, ein Gang um den Block und nichts wie ab. Eben noch im Büro Bescheid sagen und die nächs­ten Stunden gehören mir und meiner Kreditkarte.

Blass streckt mir der Azubi den Finger hin. Blut tropft auf den Fliesenboden und ver­mischt sich mit den Abdrücken, die seine staubigen Schuhe quer durch alle Räume hinterlassen haben. Guter Zuspruch und er verkrümelt sich ins Lager, um die Inventur vorzubereiten. Großes Palaver auf dem Hof. Inmitten einiger Monteure steht ein Mitarbeiter von der Müllabfuhr und es wird das Für und Wider des Containerplatzes debattiert. Wir einigen uns auf den alten Platz und so hat sich das minutenlange Gespräch gelohnt. Ein schweres Gebrumm ertönt und der Lkw vom Großhändler versperrt die Einfahrt. Langsam tuckert er heran und ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass er vielleicht nur ein Kleinteil dabei hat. Die Plane wird zurückgeschlagen und der Anhänger bricht unter der Last fast zusammen. Als ob wir selbst einen Großhandel aufmachen wollten, ist querbeet Material für die folgenden Jahrzehnte bestellt. Die nächsten Stunden sind ver­plant...


Lohnt sich noch der Weg in die Stadt? Wer geht schon nachmittags einkaufen? Vielleicht hätte ich ohnehin keine Lederhose gefunden. Lieber koche ich ganz in Ruhe ein ausgefallenes Gericht für heute Abend. In einer raffinierten Soße brutzelt nach Stunden ein köstliches Hähnchen. Schnell noch die Bluse abgeholt und der Chef und ich werden einen schönen Abend erleben. Prüfend hält die Schneiderin das gute Stück in den Händen. „Dass diese Form wieder modern wird… Vor zwanzig Jahren habe ich mir genau die gleiche Bluse in Ronsdorf gekauft.“ Schön, dass ich modisch so auf dem neuesten Stand bin!

Der gelungene Abschluss...

Wieder zu Hause. Der Wein ist kaltgestellt, der Tisch gedeckt, die Kerzen brennen. Eine letzte Kontrolle beim Braten, die Form rutscht mir aus der Hand und das Hähnchen landet mit einem eleganten Satz auf dem Fußboden. Ich nehme alles wie in Zeitlupe wahr. Der Hund, sonst eine Schlaftablette, schießt unter der Eckbank hervor und freut sich, dass sein Abendessen heute so prompt serviert wird. Ich versuche eine Dose Ravioli zu öffnen. Der geerbte Büchsenöffner gleitet mit einem Ruck ab und aus dem Schlitz in der Dose blubbert eine rote Masse auf meine Bluse. In diesem Moment wird die Tür geöffnet und mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck betritt mein Chef und Ehemann die Küche.


„Ein super Seminar. Das Essen war spitze, die Leute nett und die Seminarleiterin eine gut aussehende junge Frau in einem tollen Lederanzug. Sie hatte aber auch die Figur für Leder, groß und schlank.“ Was wollen mir diese Worte sagen? Es gibt auch weniger große, weniger schlanke Frauen? „Was duftet denn hier wie im Feinschmecker-Restaurant?“ Ich zeige auf die Ravioli. Dazu passt jetzt der gut gekühlte Weißwein. Wir setzen uns an den Tisch und mein Mann bohrt den Flaschenöffner in den Weinkorken. Der bricht in der Mitte entzwei, ­eine Hälfte schwimmt in der Flasche und in der anderen Hälfte steckt zementartig der Korkenzieher. Ich denke daran, dass auf meinem Schreibtisch der Aufkleber liegt „Heute ist mein bes­ter Tag“.

*Name auf Wunsch von der Redaktion geändert

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