Rückblende: Joachim Kreuz ist sauer. Gerade eben hat Freiburgs Obermeister die regionale Zeitung aufgeschlagen und findet eine Anzeige der Badenova, in der der südbadische Energieversorger den Endverbrauchern das Mikro-BHKW zum Kauf anbietet. Damit wird das Versorgungsunternehmen für die Handwerksbetriebe zum Wettbewerber, obwohl der den Markt ursprünglich gemeinsam mit dem regionalen Handwerk angehen wollte. Nach einigen letztlich ergebnislosen Gesprächsrunden von Handwerksvertretern und Badenova-Experten ging das Versorgungsunternehmen in die Offensive, kaufte 100 WhisperGen-BHKWs und versuchte sich im Verkauf, der mit rund 20000 Euro nicht ganz billigen Paketlösung. Montiert werden sollen die Geräte dann von einigen wenigen Handwerksbetrieben, die sich zum Einbau bereiterklärten. Das Gros der Betriebe dagegen brachten die Aktivitäten des Versorgers auf die Palme. Die früher eher partnerschaftliche Arbeitsteilung im Energiebereich zwischen Energieversorgern und Handwerk war empfindlich gestört.
Renditen bei Strom und Gas schmelzen
Doch warum nimmt die Badenova es in Kauf ihre Absatzmittler zu verärgern? Mit Nachdruck streben derzeit Energieversorger quer durch Deutschland in neue Geschäftsfelder. Konzerne, Regionalversorger und Stadtwerke versuchen auf bisher unbekanntem Gelände Fuß zu fassen. Denn der immer härtere Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten lässt die Gewinne der Ex-Monopolisten schrumpfen. Dazu kommen staatliche Regulierungsbemühungen, auch im Bereich der Netze die einstigen Traumrenditen beim Strom- und Gastransport zu minimieren. So ist der Badenova-Gewinn in den letzten Jahren von 60 Milllionen Euro auf 53,8 Millionen Euro im letzten Jahr zurückgegangen.
Inzwischen konkurrieren in Südbaden 120 Stromanbieter und 70 Erdgasanbieter im Marktgebiet gegeneinander. Beim Erdgas, das rund zwei Drittel des Badenova-Umsatzes ausmacht, hat dies bei rückläufigen Handelsmargen zu einem Absatzrückgang um rund 11 Prozent geführt. Aus Wettbewerbsgründen musste Badenova trotz 2009 gestiegener Beschaffungskosten beim Erdgas Preissenkungen von durchschnittlich 27 Prozent realisieren.
Um dies zu kompensieren wollte der Freiburger Regionalversorger die Gewinnmargen u.a. mit dem Verkauf von Geräten wieder aufbessern und bietet seit März 2010 Mikro-Blockheizkraftwerke zum Einbau in Privathäuser an. Dabei fungiert die Badenova – gegen den Willen des SHK-Handwerks – als Generalunternehmer, der für seine Kunden von der Energieberatung und Planung bis zur Inbetriebnahme und Wartung der Kleinkraftwerke alles erledigt. Zudem gab es Überlegungen, Pelletheizungen, Photovoltaikanlagen oder Wärmepumpen nach gleichem Strickmuster folgen zu lassen.
Innungen liefen Sturm
Nachdem die anfänglichen Bemühungen um eine kooperative Einigung fehl schlugen, liefen die betroffenen südbadischen Innungen Sturm gegen den ungleichen Wettbewerb. Kommunale Versorger dürfen laut baden-württembergischer Gemeindeordnung außerhalb ihrer angestammten Aufgaben nur dann tätig werden, wenn der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen Privatanbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Dies war in Südbaden eindeutig nicht der Fall. Trotzdem gab es angesichts der allgemeinen Finanznot für das Handwerk seitens der Kommunen keine Unterstützung. Zählen doch die Städte Freiburg, Offenburg, Lörrach, Breisach, Waldshut-Tiengen und Lahr neben der Thüga AG zu den Gesellschaftern und Nutznießern der bisher gut fließenden Erlöse. Somit war das SHK-Handwerk auf sich allein gestellt und erhielt sogar noch Gegenwind vom Freiburger Handwerkskammerpräsident Paul Baier. Der hatte im Radio Pro-Badenova-Position bezogen und Stimmung gegen das SHK-Handwerk gemacht.
Schulterschluss der organisierten Betriebe
Auch nach mehreren ergebnislosen Konfliktgesprächen mit den Badenova-Vorständen Mathias Nikolay und Dr. Thorsten Radensleben gelang es nicht, die Interessen der beiden Parteien unter einen Hut zu bringen. So stellten die sieben betroffenen südbadischen Innungen und ihre 500 Mitgliedsbetriebe klare Forderungen an die Badenova. Kernforderung: Kein Verkauf der Geräte und keine Generalunternehmertätigkeit durch die Badenova, sodass der Kunde auch Kunde des Handwerks bleibt. Mit Hilfe des mittlerweile zur Unterstützung gerufenen SHK-Fachverbandes formulierten die Innungen Ende September eine entsprechende Resolution, die von den Spitzenvertretern der Innungen den beiden Badenova-Vorständen überreicht wurde. Ein weiterer Termin wurde vereinbart, an dem die Badenova endlich Farbe bekennen sollte, ob sie künftig eine partnerschaftliche Kooperation mit den SHK-Betrieben eingehen will – oder nicht.
Showdown in der Badenova-Zentrale
So trafen sich Mitte November der Badenova-Vorstand, die Spitzenvertreter der Innungen und des Fachverbandes noch einmal zu einem klärenden Gespräch in der Badenova-Zentrale. War es das geschlossene Auftreten der SHK-Berufsorgansation oder die Einsicht, dass auch Versorger nicht auf Dauer gegen den erklärten Willen des gesamten SHK-Handwerks erfolgreich sein können? Oder waren es die Angebote überregionaler Versorger, die mit den südbadischen SHK-Betrieben kooperieren wollten?
Letztlich bleibt es das Geheimnis von Mathias Nikolay und Dr. Thorsten Radensleben, was sie zum Umdenken veranlasst hat. Die Vorstände sind doch noch zur Einsicht gekommen, dass eine Partnerschaft und Aufgabenteilung von Handwerk und Badenova für alle Beteiligten die bessere Lösung ist. Dementsprechend versicherten Dr. Thorsten Radensleben und Mathias Nikolay den handwerklichen Spitzenvertretern Mitte November, dass
- die Badenova großes Interesse an der kooperativen Zusammenarbeit mit dem regionalen Handwerk hat
- die Badenova keinen Verkauf von Geräten beim Endkunden mehr durchführen wird
- das Projekt WhisperGen mit dem Verkauf des Mikro-BHKW direkt an die Hausbesitzer seitens der Badenova nicht weiter forciert wird und Badenova lediglich die bereits georderten Geräte absetzen will
- bei künftigen Marketingaktionen der Badenova eine vorherige Abstimmung und eine einvernehmliche Regelung mit den Innungen erfolgen soll.
- um neue Geräte-Technologien (Pelletkessel Guntamatik mit Pelletbehälter und Förderschnecke) voranzutreiben will Badenova Handwerksbetrieben Geräte zum Kauf anbieten und hier lediglich eine Großhandelsfunktion erfüllen.
Angesichts dieser Aussagen der Badenova-Spitze macht sich eine sichtbare Erleichterung im Tagungsraum breit. Freiburgs Obermeister Joachim Kreuz erklärt, dass das Handwerk nun auch seinen Kunden guten Gewissens wieder die Badenova als regionalen Energieversorger empfehlen kann. Manfred Stather, Freiburger Innungsmitglied und in seiner Funktion als Vorsitzender des FVSHK-Baden-Württemberg dabei, sprach von einer schweren Lern- und Anfahrphase, die unter den neuen energiepolitischen Rahmenbedingungen zu erheblichen Irritationen geführt habe, aber doch noch zu einem für beide Parteien guten Ergebnis geführt habe. Letztlich sei es ein Sieg der Vernunft, der es den regionalen Marktgrößen ermögliche, die Kunden – jeder auf seinem Gebiet – gemeinsam zu bedienen und auch gemeinsam Markt zu machen. Nun gilt es, die getätigten Absichtserklärungen mit Leben zu füllen und die neue Partnerschaft am Markt unter Beweis zu stellen. DS
Abgeblasen
Auch EnBW vorübergehend auf dem falschen Dampfer
Die Neuordnung der energiepolitischen Rahmenbedingungen und der gestiegene Wettbewerb der Versorger führen regelmäßig zu Irritationen im Markt. Dass die Ausflüge von Versorgern aufs Terrain des Handwerks dabei nicht zwangsweise reibungslos verlaufen, hat auch die EnBW schon festgestellt. Erst im Februar 2010 hatte der Konzern nach erheblichem politischen Druck und Intervention durch den Fachverband SHK-Baden-Württemberg ein Projekt abgeblasen, bei dem Schornsteinfeger im Gegenzug zur Vermittlung von Gaskunden Provisionen erhalten sollten.
Kommentar
Freiburger Signale
Zu einer guten Ehe gehört es, dass es auch mal richtig kracht. Und das hat es in Freiburg getan. Bedingt durch den neuen Wettbewerb der Energieversorger untereinander schrumpfen die einst prall gefüllten Fressnäpfe auf ein normales Maß zurück. Da ist es keine Überraschung, dass die unter Erfolgsdruck stehenden Vorstände sich nach neuen Geschäftsfeldern umsehen. Dies offensichtlich ohne die komplexen Zusammenhänge der SHK-Branche ausreichend durchleuchtet zu haben. Denn für Handwerksbetriebe ist die freie Produktwahl, die Kalkulationsfreiheit und die Kopplung von Verkauf und Montage von immenser Wichtigkeit. Denn welcher SHK-Handwerksunternehmer will sein Geschäft schon wie ein Tankstellenpächter betreiben?
Kein Wunder, dass die Obermeister der sieben betroffenen südbadischen Innungen so heftig reagiert haben. Ohne den gemeinschaftlichen Auftritt, wäre es bei der Badenova wohl kaum zum Umdenken gekommen. Daran sieht man, wie wichtig eine starke Berufsorganisation und gemeinschaftliches Auftreten ist.
Und es zeigt, dass die neue Wettbewerbssituation dem Handwerk auch neue Möglichkeiten eröffnet. Die Auseinandersetzung blieb anderen Energieversorgern nicht verborgen. Gleich mehrere Anbieter bekundeten Interesse an einer „privilegierten“ Partnerschaft mit den südbadischen Innungen und lockten die Handwerker mit gemeinsamen Marketingaktionen und Vermittlungsprovisionen für Gas und Strom. Wie wäre die Absatzkurve der Badenova wohl verlaufen, wenn sie an dem Geräteverkauf im Wettbewerb zum Handwerk festgehalten hätte?
Auch in anderen Regionen arbeiten Versorgungsunternehmen an Konzepten, mit denen sie auf Teilgebieten mit dem Handwerk in den Wettbewerb treten. Das Beispiel Badenova zeigt, dass dies mit dem SHK-Handwerk nicht zu machen ist. Denn bekanntlich gehen nur die dümmsten Kälber zum Metzger selber.
Dirk Schlattmann SBZ-Chefredakteur
Extras
Resolution und Richtline
Auf SBZ-Online finden Sie die dreiseitige Resolution der südbadischen Innung im vollen Wortlaut. Zudem gibt es dort eine Grundsatzerklärung über die Zusammenarbeit von Gasversorgern und Handwerksbetrieben, die von den Landesinstallateurausschüssen erarbeitet wurde.