Die Mehrwertsteuer wird ab dem Stichtag befristet für ein halbes Jahr um drei Prozentpunkte von 19 auf 16 % sinken. Beim ermäßigten Satz sind es zwei Prozentpunkte, hier sinkt der Satz von sieben auf fünf Prozent. Die Politik setzt darauf, dass die Preissenkung an die Kunden weitergegeben wird, um den Umsatz anzukurbeln. Kann das aufgehen? Und was gilt für Anzahlungen, lange Projekte und Gutscheine?
Was sagt das Handwerk zur Mehrwertsteuersenkung?
Vertreter aus dem Handwerk äußern sich durchweg positiv. Für Endkunden sind zwar die Bruttobeträge relevant, trotzdem wird sich die Senkung um drei Prozentpunkte auf die Rechnung durchschlagen und sie dürften 1 zu 1 von der geringeren Umsatzsteuer profitieren. Allerdings bedeutet das für die einzelnen Betriebe trotzdem Mehrarbeit, da sie ihre Rechnungssysteme umstellen müssen.
Nach Einschätzung von Rainer Reichhold, Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstags, setze das Konjunkturpaket trotzdem „wichtige, branchenunabhängige Impulse“. Auch Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, äußert sich positiv und nennt das Konjunkturpaket „einen guten Mix von Instrumenten zur Krisenbewältigung, Konjunkturstärkung und Zukunftssicherung“.
Eher kritisch sieht das Baugewerbe die Steuersenkung: Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa, sieht denn auch vor allem „eine zusätzliche bürokratische Belastung“ durch die kurzfristige und temporäre Umstellung der Steuersätze. „Ob dieser Mehraufwand durch die konjunkturelle Wirkung gerechtfertigt ist, bleibt abzuwarten“, äußert sich Pakleppa.
Wann gilt welcher Steuersatz?
Für die Entstehung der Umsatzsteuer und die richtige Anwendung des Steuersatzes kommt es darauf an, wann die Leistung tatsächlich ausgeführt und vom Auftraggeber abgenommen worden ist (Lieferung = Verschaffung der Verfügungsmacht, sonstige Leistung = Zeitpunkt der Vollendung). Damit ist weder der Tag der Rechnungstellung noch der Tag der Zahlung maßgeblich.
Es gilt also: Leistungen, die bis zum 30. Juni erbracht und abgenommen werden, erscheinen mit 19 % (bzw. 7 %) auf der Rechnung. Leistungen, die im Zeitraum zwischen Juli und Dezember erbracht und abgenommen werden, müssen mit 16 % ausgezeichnet werden, und ab dem 1. Januar 2021 gilt wieder der alte Steuersatz.
Wie wird die Senkung an Kunden weitergegeben?
Unternehmen mit Ladengeschäften müssen ihre Kassensysteme an die neue Umsatzsteuer anpassen bzw. anpassen lassen und ihre Waren neu auszeichnen. Aber auch reine Dienstleister im Handwerk, die ihre Rechnungen nicht manuell erstellen, müssen ihre IT ändern (lassen).
Allerdings hat der Bundeswirtschaftsminister eine Billigkeitsregelung bei der Preisauszeichnung eingeführt. Danach können Geschäfte auch pauschale Rabatte an der Kasse gewähren, ohne die Preise einzeln zu ändern. Auf dem Kassenbon muss allerdings der korrekte Steuersatz ausgewiesen werden.
Wie geht man mit Anzahlungen bzw. Vorausrechnungen um?
Bei bereits erhaltenen Anzahlungen für Leistungen, die erst ab dem 1. Juli 2020 erbracht werden, müssen Handwerker Berichtigungen bei der Umsatzsteuer und beim Vorsteuerabzug vornehmen. Denn der Umsatzsteueranteil in der Anzahlungsrechnung betrug 19 %. Der Betrieb bekommt also die zuviel bezahlte Umsatzsteuer zurück. Wurde eine Vorausrechnung ausgestellt, muss diese berichtigt werden.
Hat ein Betrieb Anzahlungen geleistet und erhält die Leistung oder Lieferung erst im zweiten Halbjahr, muss er ebenfalls eine Vorsteuerberichtigung durchführen. Denn er hat als abziehbare Vorsteuer aus der Anzahlung 19 % zurückerhalten, hat aber später nur Anspruch auf effektiv 16 % Erstattung. Die Differenz will das Finanzamt gerne zurück haben und Betriebe erhalten eine korrigierte Vorausrechnung.
Was ist mit Projekten, die sich länger hinziehen?
Eine gute Nachricht vorneweg: Bauprojekte, die ein Betrieb vor dem 1. Juli begonnen hat und die erst im zweiten Halbjahr fertiggestellt, abgenommen und zur Gänze abgerechnet werden, werden mit 16 % Umsatzsteuer belastet. Im Gegenzug gilt aber auch: Wird ein Bauvorhaben – ob unplanmäßig oder planmäßig – erst nach dem 31. Dezember 2020 fertig und erfolgt eine abschließende Rechnung, ist der gesamte Auftrag mit 19 % Umsatzsteuer abzurechnen.
Damit (Privat-)Kunden trotzdem von der Steuersenkung profitieren, können auch Teilleistungen abgerechnet werden. Hier kommt der Steuersatz zur Anwendung, der zum Zeitpunkt der Abnahme der Teilleistung gültig ist. Bei Abschlagsrechnungen wird die Umsatzsteuer fällig, die zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs gilt. Das bedeutet auch: Unternehmen konnten bereits vor der Absenkung Abschlagsrechnungen mit 16 % ausstellen, wenn das Geld frühestens am 1. Juli 2020 eingeht.
Muss die Senkung weitergegeben werden?
Nein, kein Unternehmen ist verpflichtet, die drei Prozentpunkte an Kunden weiterzugeben. In dem Fall lassen Betriebe die Preise, wie sie sind, und führen einfach weniger Umsatzsteuer an das Finanzamt ab und freuen sich über die zusätzliche Liquidität. Allerdings werden die meisten (privaten) Kunden, die die Mehrwertsteuer letztendlich zahlen müssen, schon erwarten, dass auch sie profitieren – sonst könnte es sein, dass sie zur Konkurrenz gehen.