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Nachhaltigkeit als Erfolgsparameter

Von Effizienz geprägt

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SBZ: Herzlichen Glückwunsch zur Verleihung des Gründerpreises für Ihr Lebenswerk. Haben Sie die Auszeichnung gebührend gefeiert? Wie geht es Ihnen?

Viessmann: Danke der Nachfrage, mir geht es gut. Die Galaveranstaltung im ZDF-Zollernhof bildete einen schönen Rahmen, sodass es eine sehr schöne und würdige Veranstaltung war.

SBZ: Und wie geht es Ihrem Unternehmen? Sie haben den Familienbetrieb zu einem global agierenden Unternehmen ausgebaut.

Viessmann: Insgesamt sind wir mit der Entwicklung sehr zufrieden. Von der Finanzkrise ist nicht mehr viel zu spüren. Insbesondere in Osteuropa hat sich der Markt deutlich belebt. Nicht zufriedenstellend ist die Entwicklung in Deutschland und Frankreich. Dort ist das Modernisierungsgeschäft noch nicht richtig in Gang gekommenen. In beiden Märkten geht die Nachfrage nach Produkten zur Nutzung regenerativer Energien wie Wärmepumpen und Solarthermie recht zäh voran.

SBZ: Rechnen Sie aufgrund der ungeklärten Fördersituation mit einem zusätzlichen Umsatzeinbruch im zweiten Halbjahr des Jahres? Die Fördermaßnahmen sollen ja nach jetzigem Sachstand wohl erst Anfang 2012 in Kraft treten.

Viessmann: Das steht ja noch nicht fest. Der Bundesrat hat zwei Gesetzesentwürfe abgelehnt, jetzt geht es damit wohl in den Vermittlungsausschuss. Darunter ist auch der Entwurf für die steuerliche Abschreibung der energetischen Sanierung von Gebäuden. So wie das angelegt war, hätte es kaum Wirkung gezeigt. Hier hat man seitens der Regierung den Bogen deutlich überspannt. Denn es wären keine Einzelmaßnahmen gefördert worden, sondern nur eine Gesamtsanierung, wenn ein energetisch sanierter Altbau 15 Prozent weniger Energie verbraucht als ein Neubau. Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar und überfordert die meisten Investoren. Eine gesamtheitliche Sanierung eines Ein- oder Zweifamilienhauses erfordert eine Investition in einer Größenordnung von 75000 Euro.

SBZ: Sieht so aus, als wenn die Bundes­regierung die Fördermaßnahmen wohl eher als Feigenblatt anstelle eines wirklichen Anreizprogramms sieht und den Geldbeutel geschlossen halten will.

Viessmann: Es hängt wohl eher mit Interessen in den unterschiedlichen Ressorts und der Verteilung der Kompetenzen zusammen. Weil das Thema Energie, Umwelt und Ressourcenschutz von so existenzieller Bedeutung ist, wäre die Bundesregierung gut beraten, das in einem Ressort zusammenzufassen. Zurzeit entwickeln die verschiedenen mit der Thematik befassten Ministerien ein Kompetenzgerangel, bei dem die Sache auf der Strecke bleibt und in Kompromisslösungen endet. Dies obwohl mit den einzelnen Fachministerien über die Notwendigkeit der in Frage kommenden Maßnahmen Einvernehmlichkeit herrscht. Und auch die Bundeskanzlerin ist sich vollkommen klar über die Bedeutung des Gebäudesektors und nannte ihn in Bezug auf das Energiespar­potenzial bereits mehrfach einen schlafenden Riesen. Wenn dann das Finanzministerium reingrätscht, hat dies nichts mit der sachlichen, umweltpolitischen Notwendigkeit zu tun.

SBZ: Oder funktioniert die Lobbyarbeit nicht richtig?

Viessmann: Das Wort Lobbying hat einen negativen Touch. Unsere Branche hat es nicht nötig, Politiker für ihre Interessen vor den Karren zu spannen. Wir haben es aber verstanden, die Politik sachlich zu überzeugen. Früher hat man bei Energiefragen immer nur von Strom und Verkehr gesprochen. Unsere Branche hat es geschafft, den Politikern zu vermitteln, dass der Gebäudesektor mit einem Energieverbrauch von 38 Prozent am Gesamtenergieverbrauch der größte Verbraucher ist und ein enormes Energieeffi­zienzpotenzial birgt. Mittlerweile ist allen klar, wie wichtig der Gebäudebereich für das Erreichen der energie- und klmapolitischen Ziele ist und welchen Beitrag moderne Anlagentechnik dazu leisten kann.

SBZ: Die Jury hat Sie für Ihre herausragende unternehmerische Leistung geehrt. Sie haben, so die Jury, eine Unternehmenskultur geschaffen, die auf den Grundsätzen der Nachhaltigkeit basiere. Was heißt das konkret?

Viessmann: Um international gesehen auch am Standort Allendorf wettbewerbsfähig sein zu können, mussten wir die Arbeitseffi­zienz, die Materialeffizienz und auch die Energieeffizienz steigern. Durch die Einführung von Lean-Produktion konnten wir die Produktivität deutlich erhöhen. Auf der Materialseite haben wir Stoffkreisläufe geschlossen, sodass wir heute weniger als 1Prozent Abfall haben. Unsere Produkte sind recyclinggerecht, wir haben Wasserverbrauch und Stahlverbrauch nahezu halbiert – also eine ganze Menge getan. Zudem achten wir bei der Entwicklung unserer Produkte darauf, dass sie wenig Energie verbrauchen und die Umwelt schonen. Diese Kombination hat die Jury offensichtlich beeindruckt.

SBZ: Die Hälfte des Wärmebedarfs in Ihrem Werk hier in Allendorf wird inzwischen durch nachhaltig erzeugte Bioenergie aus eigenen, sogenannten Kurzumtriebsplantagen und der Biogasanlage abgedeckt.

Viessmann: Zunächst haben wir durch Steigerung der Energieeffizienz unseren Energieverbrauch um mehr als 20 Prozent reduziert. Wo es machbar war, haben wir zudem fossile Energie durch Erneuerbare ersetzt, sodass wir unter dem Strich 40 Prozent weniger fossile Energie verbrauchen. Sonne und Wind sind nicht stetig verfügbar. Deshalb lag es für uns nahe, auf Biomasse zu setzen. Wir sind hier in einer ländlichen Region mit vielen Brachflächen und haben in Abstimmung mit den Landwirten 170 Hektar angekauft. Wir pflanzen dort Pappeln an, die wir nach drei Jahren ernten. Daraus erzeugen wir Hackschnitzel, die wir energetisch nutzen. Zudem haben wir eine Biogasanlage errichtet, die nach dem Trockenfermentationsprinzip arbeitet und Trockenabfälle wie Grünschnitt verwertet. Damit betreiben wir ein Blockheizkraftwerk. Im nächsten Jahr soll eine zweite Biogasanlage nach dem Nassfermentationsprinzip in Betrieb gehen. Hier kommen u.a. Gras und Mais zum Einsatz. Dieses Biogas wird aufbereitet und als Erdgas ins Netz eingespeist.

SBZ: Darf man Futtermittel und Lebensmittel eigentlich verbrennen?

Viessmann: Die Diskussion Teller oder Tank ist irrelvant. In Deutschland werden nur auf 4 Prozent der Fläche Energiepflanzen für Biogasanlagen angebaut. Seriöse Studien belegen, dass das zur Verfügung stehende Potenzial bei fast 20 Prozent liegt. Weltweit sieht es noch günstiger aus.

SBZ: Auf diesen Flächen könnten doch Lebensmittel angebaut werden. Und Mais muss man nicht unbedingt verbrennen.

Viessmann: Auf einem Teil der landwirtschaftlichen Flächen wurden schon immer Energiepflanzen angebaut. Futter für Zugtiere war ja auch eine Form der Bioenergie. Wenn wir heute Biogasanlagen betreiben, hat das nichts mit der Verfügbarkeit oder gar der Preissteigerung von Lebensmitteln zu tun. Da gibt es ganz andere Punkte, wo man aus ethischer Sicht ansetzen könnte. So wird die Hälfte aller Lebensmittel weggeworfen. Allein, die Mengen an Lebensmitteln, die in Amerika und Deutschland weggeworfen werden, würde ausreichen, um den Hunger leidenden Teil der Weltbevölkerung zu ernähren. Manchen Interessengruppen ist die Bioenergie einfach nicht genehm. Bei uns gibt es genügend Brachflächen, die sich für die Bioenergie sinnvoll nutzen lassen.

SBZ: Ihr Unternehmen hat im letzten Jahr einem Umsatz von 1,7 Milliarden Euro erwirtschaftet. Sie beschäftigen weltweit 9400 Menschen, davon 4000 am Stammsitz Allendorf. Bei der Übernahme des Unternehmens durch Sie vor über 20 Jahren lag der Umsatz im Jahresschnitt noch bei umgerechnet 800 Millionen Euro. Welche Faktoren sind für den Erfolg Ihres Unternehmens noch verantwortlich?

Viessmann: Sicher unsere Grundeinstellung. Nichts ist so gut, dass man es nicht verbessern kann. Wir sehen in Veränderungen nichts Negatives, sondern begreifen den Wandel als Chance. Unsere Mitarbeiter haben in Bezug auf die Ziele des Unternehmens eine klare Orientierung. Ihre Leistungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft und die Loyalität sind ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor. Zudem hat uns die Innovationskraft des Unternehmens zum Technologiesschrittmacher der Branche werden lassen. Wir verfügen über eine Produkt­palette, die allen Anforderungen eines modernen Energiemanagements gerecht wird.

SBZ: Sie führen das einzige Familienunternehmen unter den drei führenden Heiztechnik-Herstellern Europas. In Deutschland sind Sie mit 756 Millionen Euro Umsatz die Nummer 1. Wo liegen die Vorteile im Vergleich zu den Großkonzernen?

Viessmann: Ein börsennotiertes Unternehmen muss sehr auf die Kurspflege achten. Wir können langfristig planen und alle Ziele und Aktivitäten daran ausrichten. Bei einem Familienunternehmen ist die Unternehmenskultur wesentlich stärker ausgeprägt, Inhaber und Mitarbeiter identifizieren sich ganz anders mit dem Unternehmen. Die Mitarbeiter wissen, dass der Inhaber auch das Risiko trägt – und dass schafft Vertrauen. Zudem sind die Entscheidungswege kürzer und Entscheidungen können schneller getroffen werden.

SBZ: Bei einem Familienunternehmen ist die Präsenz des Inhabers ein wichtiger Pluspunkt. Doch wenn Sie allein nur die 100 weltweiten Standorte besuchen wollen, ist Ihr zeitliches Budget schon fast ausgeschöpft. Können Sie sich eigentlich auch hin und wieder noch einmal mit ganz normalen SHK-Handwerksunternehmern unterhalten? Oder reicht Ihnen die Rückmeldung Ihrer Führungskräfte?

Viessmann: Wir haben die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt. Als Vorsitzender des Verwaltungsrats kümmere ich mich natürlich nicht um jeden einzelnen Vorgang im operativen Geschäft. Der persönliche Kontakt zu Kunden ist mir aber nach wie vor sehr wichtig. Dies geschieht meist bei den vielfältigen Veranstaltungen in unserer Akademie oder auf Messen. Und hin und wieder komme ich trotz meiner knappen Zeit auch dazu, Handwerksunternehmer vor Ort zu besuchen. Das ist für mich ganz wichtig.

SBZ: Sie sind jetzt 57 Jahre jung, haben die Zügel fest in der Hand und machen nicht den Anschein, dass Sie sich zur Ruhe setzen wollen. Gestatten Sie mir dennoch die Frage nach der Unternehmensnachfolge. Wird Viessmann ein Familienunternehmen bleiben?

Viessmann: Natürlich hoffe ich, dass die nächste Generation das Unternehmen weiterführt. Meine Tochter Katharina ist 25 und studiert Betriebswirtschaft. Mein Sohn Maximilian ist 22 und wird Wirtschaftsingenieur. Beide sind interessiert ins Unternehmen einzutreten. Sie müssen aber erst einmal entsprechende Erfahrungen sammeln und anschließend auch wirklich einsteigen wollen. Zudem müssen sie die Kompetenz aufweisen, unser Unternehmen führen zu können, denn die soziale Verantwortung für die Mitarbeiter, nicht nur für die 4000 Menschen hier am Standort Allendorf, ist sehr groß. Aber meine Kinder wollen sich dieser Verantwortung stellen und darüber freue ich mich sehr.

SBZ: Wie sehen Sie künftig die Rolle des SHK-Fachhandwerks?

Viessmann: Der Strukturwandel unserer Branche muss auch vom Handwerk mitvollzogen werden. Der Einsatz der neuen Technologien fordert regelmäßige Schulungsaktivitäten, die wir beispielsweise in unserer Akademie anbieten. Nur so können die Anlagen auch künftig fachgerecht geplant, installiert und dann auch betreut werden. Planung, Einbau, Service und Wartung gehören in die Hände des Fachhandwerks – vorausgesetzt, es ist den Aufgaben gewachsen. Dazu müssen die Betriebe ihren Beitrag leisten. Es ist wichtig, dass auch die Handwerker verstärkte Anstrengungen im Aus- und Weiterbildungsbereich unternehmen und den aktuellen technologischen Wandel vollziehen.

SBZ: Sehen Sie neue Technologien heranreifen? Dinge, die es heute noch nicht gibt? Neue Technologien, die unseren Lesern noch nicht bekannt sind?

Viessmann: Nein, revolutionäre Dinge sind nicht in Sicht. Aber das ist auch nicht notwendig. Es bedarf eigentlich keiner neuen Technologien, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Die Brennwerttechnik ist mit einem Wirkungsgrad von 98 Prozent die effizienteste Technik für die energetische Nutzung von Öl- und Gas. Und auch die regenerativen Energien sind auf einem hohen Niveau. Wärmepumpen, solarthermische Systeme, Blockheizkraftwärme oder das neue Mikro-KWK, das wir jetzt im September auf den Markt bringen sind innovative Technologien mit Serienreife. Zukunftsfähige Technologien sind vorhanden. Wir haben kein Innovationsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Und das gilt es zu lösen.

SBZ: Müssten dazu nicht auch die Verbände an einem Strang ziehen und Maßnahmen koordinieren, bzw. unsere Position gegenüber Ministerien und Öffentlichkeit gemeinsam vertreten? Während Sie mit den SHK-Handwerksbetrieben offensichtlich eng und gut zusammenarbeiten, gibt es auf Verbandsebene zwischen dem BDH und dem ZVSHK starke Meinungsverschiedenheiten.

Viessmann: Lediglich bei Messefragen und der Rolle der VdZ gibt es wohl Differenzen. Hier scheinen jedoch zu viel persönliche Befindlichkeiten eine Rolle zu spielen und die Sachargumente nicht den notwendigen Stellenwert zu erhalten. Bei heizungstechnischen und energiepolitischen Sachthemen gibt es keine Reibungspunkte. Ich bin jedoch nicht unmittelbar in die Verbandsarbeit eingebunden, das macht unser Generalbevollmächtigter Manfred Greis – und das macht er sehr gut. Mehr kann und möchte ich an dieser Stelle deshalb nicht dazu sagen.

SBZ: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche wären dass?

Viessmann: Es ist wichtig, dass wir schnell zu einer umweltverträglichen, sicheren und bezahlbaren Energieversorgung kommen.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Politiker endlich ihre Ideologien beiseite legen und die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Zudem wünsche ich mir, dass wir zusammen mit unseren Marktpartnern im Handwerk an den vor uns liegenden Aufgaben wachsen und die Herausforderungen der energetischen Gebäudesanierung gemeinsam meistern.

SBZ: Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Vielen Dank für das Gespräch.

Auszeichnung

Gründerpreis an Dr. Martin Viessmann verliehen

Der Deutsche Gründerpreis für herausragende Unternehmer ist am 28. Juni in Berlin zum zehnten Mal verliehen worden. Für sein Lebenswerk erhielt Dr. Martin Viessmann die wohl bedeutendste Auszeichnung für Unternehmer (SBZ 13/2011). Er habe eine starke Unternehmenskultur aufgebaut und lege ein besonderes Augenmerk auf Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit, begründeten die Juroren die Entscheidung.

Dr. Martin Viessmann, 1979 ins väterliche Unternehmen eingetreten, hat den Betrieb in dritter Generation übernommen. Heute beschäftigt der 57-Jährige weltweit 9400 Menschen, davon 4000 am Stammsitz Allendorf (Eder) in ­Hessen. Mit 22 Gesellschaften für Produktion in 10 Ländern, Vertriebsaktivitäten in 74 Ländern mit 32 eigenen Gesellschaften sowie weltweit 120 Verkaufsniederlassungen ist das Unternehmen weltweit aufgestellt. 56 Prozent des Umsatzes entfallen auf das Ausland.

Der renommierte Preis wird vom ZDF, dem Stern, den Sparkassen und Porsche ausgelobt. Den Direktlink zu einem filmischen Kurzporträt und der Preisverleihung finden Sie auf https://www.sbz-online.de/tags/extras-zum-heft

zur Person

Dr. Martin Viessmann

...studierte Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann. 1979 trat er in das Familien­unternehmen ein. 1989 promovierte er zum Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und wurde im gleichen Jahr Geschäftsführender Gesellschafter der Viessmann Group.

Er engagiert sich ehrenamtlich als Präsident der IHK Kassel und als Schatzmeister des ­Marburger Universitätsbundes e.V.