SBZ: Herr Sproten, wie ausgeprägt ist im nordrhein-westfälischen SHK-Handwerk der Wunsch nach einer richtig großen Fachmesse mit echten Begegnungen im September?
Sproten: Die Betriebe signalisieren uns deutlich, dass sie sich wieder eine Messe in Präsenz wünschen. Jetzt, wo die Coronamaßnahmen auslaufen und wärmere Jahreszeiten anstehen, wächst dieses Gefühl stetig. Trotz der widrigen Umstände hat der Verband engen Kontakt zu den Innungen und Fachbetrieben gehalten. In vielen Videomeetings, aber auch bei ersten Präsenzterminen merkt man deutlich, das Handwerk will den direkten Austausch. Den hatte es ja auch während der gesamten Pandemie mit seiner Kundschaft. Im direkten Umgang miteinander lassen sich Geschäftsbeziehungen so viel besser ausloten, Produkte individueller erklären und die Branche in ihren Facetten erleben. Die SHK Essen ist die Plattform dafür. Außerdem ist die erste Septemberwoche arbeitstechnisch ein denkbar guter Zeitraum für den Messebesuch: kurz nach den Sommerferien und direkt vor der Heizperiode.
SBZ: Die Verlegung der Messe aus dem März raus und in den September hinein darf im Blick zurück als goldrichtige Entscheidung bewertet werden. Aber dennoch: Wie schwer ist dem Fachverband SHK NRW als Messeträger das Verschieben gefallen?
Sproten: Wir haben ja bereits zum zweiten Mal in den September verschoben und damit schon zu Beginn der Pandemie 2020 einen Septembertermin ins Visier genommen. Auch dieses Mal ist es uns gemeinsam mit der Messe Essen nicht leichtgefallen, aber wir waren entschlossen, schnell die bestmögliche Lösung zu finden. Der organisatorische Aufwand war und ist bei jedem Messeanlauf hoch, da gilt es, auch das eigene Team mitzunehmen und neu zu motivieren. Wir freuen uns, dass auch das Gros der Aussteller diesen Weg mit uns gemeinsam geht.
SBZ: Warum werden alle Beteiligten – Aussteller und Besucher – von dem neuen Termin profitieren?
Sproten: Wenn nach drei Jahren wieder die Möglichkeit besteht, in einer der umsatzstärksten Regionen Europas Produkte, Technologien und Know-how zu präsentieren, ist zu erwarten, dass sowohl Aussteller als auch Besucher von einer solchen Veranstaltung profitieren. Die SHK Essen ist und bleibt eine Begegnungsmesse und gerade dieser Umstand bietet beste Voraussetzungen, wieder näher zusammenzurücken.
Natürlich wissen wir, dass die Teilnahme der Industrie immer häufiger von Konzernvorgaben und Betriebsräten abhängig ist. Manche fahren aber auch einen kalkulierten Test, wie gut man durchs Jahr kommt – auch ohne Messebeteiligung. Dass gerade internationale Unternehmen immer neue Ideen und Kommunikationskanäle eruieren, ist klar. Aber wenn sie Präsenzmessen infrage stellen, wage ich zu bezweifeln, ob sie sich mit der Zielgruppe „SHK-Handwerk“ überhaupt befasst haben. SHK-Handwerksunternehmen müssen nämlich anders von Produkten überzeugt werden, als es so manche Marketingspezialisten an Hochschulen lernen. Man ist da im Handwerk sehr sensibel. Noch stehen alle Tore offen, sich als Aussteller anzumelden.
SBZ: Könnte die SHK Essen auch dauerhaft eine „September-Messe“ bleiben?
Sproten: Die SHK Essen ist bekannt dafür, die erste Messe des Jahres zu sein, die Produktneuheiten der Branche präsentiert. Aus diesem gewichtigen Grund halten wir alle zwei Jahre an dem Frühjahrstermin fest. Wie sich das Anfang 2024 darstellt, werden wir sehen.
SBZ: Neben dem wortwörtlichen Erfassen und Begreifen von neuen Produkten und Konzepten nimmt zur SHK Essen auch das begleitende Fachprogramm großen Raum im Messegeschehen ein. Themen wie Hygiene und Energiewende werden in all ihren Facetten aufgegriffen. Sind nicht schon allein die Fachvorträge und Themeninseln an sich einen Besuch wert?
Sproten: Lassen Sie es mich einmal auf den Punkt bringen: Im Fokus der gesamten Aktivitäten stehen die Aussteller. Ihre Produkte und Präsentationen sind das Herz der Messe. Die flankierenden Themeninseln greifen aktuelle und relevante Zukunftsthemen auf und führen damit immer zu einem Zugewinn für Besucher und Aussteller.
Das Thema „Hygiene“ ist so wichtig wie nie. Entsprechend Zeit war es, das „6. Deutsche Forum innenraumhygiene“ im Rahmen dieser Messe aufleben zu lassen. Es findet statt in Kombination mit dem „Treffpunkt Trinkwasser“ unseres gut vernetzten Partners, der Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach, kurz Figawa. Hier treffen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf aktuelle technische Entwicklungen in den Bereichen Trinkwasser, Raumluft und Schadstoffe. Besucher haben die Möglichkeit, bei Vorträgen und an den Ständen der begleitenden Ausstellungen mitzudiskutieren.
Im Sinne der Energiewende und des Strebens nach Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern kommt dem Forum „Wasserstoff-Praxis“ in Halle 2 eine besondere Rolle zu. Die Figawa hält hier Exponate und Vorträge bereit und informiert über Anwendungsfelder, Geräte, Komponenten bis hin zu Regelwerken und Genehmigungen. Dies alles geschieht im Schulterschluss mit dem Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH), auf dessen fachliche Expertise sich ebenfalls alle Besucher freuen können.
Weiterhin eine große Rolle spielt der Ausstattungsbereich Bad. Besonders interessierte Innenarchitekten und Planer profitieren nicht nur von dem Angebot eines organisierten Designrundgangs mit Fokus auf die Badgestaltung. Gerade für diese Zielgruppe sind weitere Aktivitäten geplant.
Gemeinsam mit der VdZ (Wirtschaftsvereinigung Gebäude und Energie) präsentiert die SHK Essen außerdem einen eigenen Ausstellungsbereich für Start-ups. Dort stellen junge Gründer der Fachöffentlichkeit ihre innovativen Entwicklungen, Produkte und Dienstleistungen vor und geben Besuchern einen Eindruck von der Zukunftsfähigkeit der Branche.
SBZ: Darüber hinaus wirft die Messe ein Schlaglicht auf die brennenden „internen“ Themen des Fachhandwerks. Eng verknüpft sind ja z. B. Ausbildung und Fachkräfteengpass. Was hat die Messe dazu im Programm?
Sproten: Alle Branchenakteure brauchen Nachwuchskräfte und es gibt wahrlich keine bessere Gelegenheit als die SHK Essen, um jungen Menschen Geschmack am Beruf zu machen. Entsprechend offen sind wir diesbezüglich für Kooperationen. Wir haben einiges vor:
Die Azubi-Lounge, in direkter Nachbarschaft zu unserem Fachverbandsstand in Halle 2, wird erneut zum Treffpunkt für junge Menschen auf der SHK Essen. Wir sind sehr zuversichtlich, zahlreiche Abschlussklassen allgemeinbildender Schulen und Berufsschulen für einen Besuch gewinnen zu können. Das volle Paket, inklusive Schüler- und Azubi-Rallyes über das Messegelände, ist in Planung. Das Interesse am krisenfesten Job des Klimaretters wächst. Ein Plus von 5,7 % an Neuverträgen im Ausbildungsjahr 2020: Die wieder steigenden Ausbildungszahlen beim Anlagenmechaniker SHK in NRW markieren einen Trend, den wir im Sinne aller Ausbildungsbetriebe weiter befeuern wollen.
Außerdem planen wir für die Mitarbeiter von Innungsfachbetrieben wieder täglich Monteurtage. In zwei Stunden am Vormittag vermitteln Experten aus unserem Team herstellerneutrale fachliche Updates, die speziell auf Kundendienstmonteure und -monteurinnen zugeschnitten sind.
Der Campus SHK-Bildung in Halle 2 bringt Anbieter unterschiedlichster Fort- und Weiterbildungsangebote mit Messebesuchern zusammen, die sich beruflich weiterentwickeln wollen. Daran angelehnt findet erstmals das SHK-Bildungsforum statt. Es spricht alle maßgeblichen Akteure im Bereich Ausbildung an. Geladene Berufsschullehrer, Ausbilder, Vertreter der Innungen und Akteure aus Industrie und Handel diskutieren gemeinsam über die Anpassung der Ausbildung an neue Erfordernisse in der SHK-Branche.
SBZ: Zu all den Fach- und Sachthemen möchte ich noch mal auf die pandemiebedingte Begegnungsarmut zu sprechen kommen. Das Zwischenmenschliche ist ein Stück weit auf der Strecke geblieben. Aber ist es nicht unverzichtbar, um Vertrauen aufzubauen und die Basis für eine verlässliche Geschäftsbeziehung zwischen Handwerk und Industrie zu legen?
Sproten: Homeoffice war für das Handwerk keine Option. Gerade SHK-Fachbetriebe haben während der Pandemie unter der Einhaltung aller Schutzmaßnahmen weitergearbeitet und damit die vielfältigen Kontakte zu ihren Kunden – dem Endverbraucher – gepflegt. Das Handwerk leidet nicht an „Begegnungsarmut“, aber sehr wohl die Branchenpartner untereinander. Nun erwartet das SHK-Handwerk eine Messe in Präsenz mit Niveau und führenden Herstellern. Das Unternehmertum in NRW ist tatkräftig, anpassungsfähig und meinungsfreudig. Diese Betriebe entscheiden letztlich, mit wem sie arbeiten und welches Produktsortiment sie anbieten und verbauen.
SBZ: Kann die Messe zudem eine gute Gelegenheit sein für einzelne Hersteller, verloren gegangenen Rückhalt beim Fachhandwerk wiederzuerlangen?
Sproten: Gerade in den letzten Monaten sind einige Hersteller dem Irrglauben verfallen, am Handwerk vorbeiarbeiten zu können. SHK Essen heißt Gesicht zeigen. Die Messe bietet den Beteiligten alle Möglichkeiten, sich über Angebot und Nachfrage klarzuwerden und zu informieren. Es geht nicht nur darum, Produkte vorzustellen, sondern auch ringsherum seine Partner zu sehen, Erwartungen zu formulieren und den Startschuss für ein neues Miteinander zu geben. Wir hoffen, dass möglichst viele diese Chance in den kommenden Wochen noch erkennen und nutzen werden.