Unser Kommunikationsverhalten hat sich stark verändert: Früher wurden kurze Fragen an oder von Freunden und Kollegen, Kunden und Lieferanten meist mit einem Telefonat geklärt, heute geschieht das häufig per (Facebook / Skype-)Chat oder WhatsApp. Und das Fax, das die Informationsgeschwindigkeit erhöhte? Es wurde inzwischen nicht nur im betrieblichen Kontext fast vollständig vom Versenden und Empfangen von E-Mails abgelöst. Doch auch die Tage der Mails sind vielleicht schon gezählt, weil Audio- und Videobotschaften Anlauf nehmen, sie zu verdrängen.
Mängel im Kommunikations-Verhalten können teuer werden
Doch eines blieb beim technischen Fortschritt der Kommunikation oft auf der Strecke: der Mensch, das menschliche Wesen mit seinen Bedürfnissen, Wertvorstellungen und persönlichen Eigenheiten. Als Individuum möchte der Mensch wahr- und ernstgenommen werden, als Kunde möchte er umworben werden, als Mitarbeiter wünscht er sich Wertschätzung und Anerkennung und als Lieferant oder Geschäftspartner benötigt er den Augenkontakt, um Vertrauen zu gewinnen beziehungsweise aufzubauen.
Viele Menschen sind orientierungslos bei ihrer Suche nach Möglichkeiten, die moderne Kommunikationstechnik effizient zu nutzen und zugleich dem Bedürfnis nach Menschlichkeit und persönlicher Beziehung gerecht zu werden. Diese Orientierungslosigkeit und der oft unreflektierte Umgang mit den modernen Kommunikationsmedien können dramatische Auswirkungen auf die Qualität unserer Kontakte und Beziehungen nicht nur im persönlich-privaten Bereich, sondern auch im betrieblichen Kontext haben. Sie führen häufig zum Beispiel zu einem Verlust persönlicher Bindung und Beziehung, was wiederum zum Beispiel zu einem erhöhten Abwandern von Mitarbeitern oder Verlust von Kunden führt. Deshalb hier einige Tipps, wie es auch im digitalen Zeitalter gelingt, mit Menschen eine gewinnende, weil wertschätzende Kommunikation zu führen – unabhängig davon, ob es sich um Kollegen oder Mitarbeiter, Kunden oder Geschäftspartner handelt.
Fünf Tipps für eine gewinnende Kommunikation
Tipp 1 – Human Awareness: Der persönliche Kontakt zählt nach wie vor. Das wird insbesondere bei der Vernetzung über die sozialen Medien gern vergessen. Eine hohe Zahl an digitalen Kontakten mag vielleicht beeindruckend auf Außenstehende wirken, doch die Qualität und nicht die Zahl der Kontakte entscheidet letztlich über die Tragfähigkeit Ihres Netzwerks. Diese Qualität können Sie erheblich steigern, wenn Sie die Kontakte auch offline, also im wirklichen Leben pflegen – vorausgesetzt, Sie beherrschen das moderne Kommunikations-Einmaleins für den direkten, persönlichen Kontakt, was zu Tipp zwei führt.
Tipp 2 – Social Awareness: Empathie gewinnt … ! Empathie wird von den robusteren Zeitgenossen oft falsch verstanden. Überspitzt formuliert sind sie der Auffassung: Ich muss auch lachen, wenn dies mein Gegenüber tut. Und wenn er weint? Doch sollte ich dies ebenfalls tun. Das kann ein Ausdruck von Empathie sein, ist es aber nicht zwangsläufig. Viel wichtiger ist es, dem anderen zuzuhören – um den Menschen zunächst wahr- und anzunehmen. Aus der hieraus erwachsenden Verbindung und Vertrauensgrundlage entwickeln empathische Menschen dann Lösungen oder Ideen, die dem anderen im Idealfall helfen, beispielsweise sein Problem einfacher in den Griff zu bekommen und zu lösen.
Empathie ist wie die Frage, wie eine Person ein bestimmtes Ziel erreicht. Um jemandem die bestmögliche Wegbeschreibung zu geben, ist es wichtig zu wissen:
- Wohin will die Person?
- Wie will sie das Ziel erreichen (zum Beispiel auf schnellsten, kürzesten oder sichersten Weg)?
- Wie ist sie unterwegs (zum Beispiel per Fuß oder mit dem Fahrrad oder Auto)?
- Welche Hilfsmittel stehen ihr zur Verfügung (zum Beispiel ein Stadtplan oder ein Navi)? Und
- Was benötigt sie gegebenenfalls noch für das Zurücklegen dieses Wegs (zum Beispiel eine Wegskizze, eine Fahrkarte, Sprit oder Proviant)?
Dies zu erfragen und zunächst zuzuhören, statt (vorschnell) zu antworten, ist die einfachste Art, Menschen zu gewinnen und tragfähige Lösungen zu finden sowie Partnerschaften aufzubauen.
Tipp 3 – Incident Awareness: Die Wahl des Kommunikationsmediums kann den Verlauf und Ausgang einer Situation entscheidend beeinflussen – unabhängig davon, ob es um das Herbeiführen von Entscheidungen, das Motivieren von Mitarbeitern, das Gewinnen von Kunden oder das Erzielen eines Vertragsabschlusses geht. Erfolgreich sind hier vor allem diejenigen, die den Unterschied zwischen „dringend“ und „wichtig“ erkennen. In der irrigen Annahme immer schnell reagieren zu müssen (= dringend), wird häufig das Potenzial missachtet, das aus der möglichen „Wichtigkeit“ resultiert. Wer schnell reagiert, macht häufiger Fehler und vergisst oft entscheidende Details. Und vor allem bleiben bei der schnellen Kommunikation, so nebenbei, häufig die Wertschätzung und Anerkennung für den anderen auf der Strecke. Kommunikation reduziert sich auf Information.
Ein empfehlenswerter Kompromiss kann sein, bei Anfragen zum Beispiel per E-Mail zunächst mit einer kurzen Nachricht zu reagieren und der anderen Person einen persönlichen Anruf in Aussicht zu stellen – oder eine ausführliche Antwort zu einem späteren Zeitpunkt. Wenn Sie Zeit und Energie in Ihre persönlichen Kontakte investieren, festigen Sie dadurch die Loyalität, das wechselseitige Vertrauen und die Tragfähigkeit Ihres Netzwerks.
Überlegen Sie auch, ob Sie geschäftliche Telefonate wirklich auf offener Straße, beim Autofahren oder im Zug vor den Ohren anderer führen? Haben Ihre (Geschäfts-)Partner nicht mehr Aufmerksamkeit, Konzentration, Wertschätzung und persönliche Zuwendung verdient? Das ist perfekte Überleitung zu Tipp vier.
Tipp 4 – Digital Awareness: Halten Sie und Ihr Unternehmen im realen Leben, was Sie online versprechen? Wenn Sie beispielsweise mit dem Label „vertrauenswürdig“ werben, dann passen Telefonate auf offener Straße, in der Flughafenlobby und im Zug bestimmt nicht zu diesem (Werbe-)Versprechen. Bei der Digital Awareness geht also darum, die Signale und Botschaften, die Sie bei der digitalen Kommunikation aussenden, mit denen im persönlichen Kontakt zu synchronisieren – damit Sie (beziehungsweise Ihr Unternehmen) authentisch und somit glaubwürdig wirken.
Insbesondere die Generation Y und noch stärker die nachrückende Generation Z misst der Authentizität eine sehr hohe Bedeutung bei. Für sie ist die Authentizität einer Person, Organisation oder Marke der zentrale Faktor, ob sie ihr vertrauen oder sich ihr anvertrauen. Dessen sollten sich gerade Führungskräfte, aber auch Verkäufer bewusst sein. Damit es mit dem authentischen Auftreten noch besser klappt, empfehlen sich Zeiten der Selbstreflektion sowie Entspannung, womit wir beim fünften und letzten Tipp angelangt sind.
Tipp 5 – Timeout-Awareness: Terminieren Sie feste Auszeiten, in denen Sie weder am PC sitzen, noch das Smartphone in Betrieb haben. Kümmern Sie sich in dieser Zeit vor allem um sich selbst und die Menschen in Ihrem Umfeld. Und selbstverständlich ist es in Besprechungen auch ein Ausdruck der Bedeutung, die Sie den Menschen, mit denen Sie gerade reden und dem mit ihnen erörterten Thema beimessen, wenn Sie auf Ihre digitale Erreichbarkeit verzichten. Denn nur dann können Sie sich voll und ganz auf die Situation und Ihr Gegenüber konzentrieren. Das sollte – von begründeten Ausnahmen abgesehen – eigentlich selbstverständlich sein. Dies ist es aber leider nicht.
Autor
Barbara Liebermeister ist Managementberaterin, Buchautorin und Vortragsrednerin. Zudem leitet sie das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) in 60596 Frankfurt am Main, Telefon (0 69) 63 80 95 46-15, www.barbara-liebermeister.com