Zettelwirtschaft hat keiner gerne – erst recht nicht unterwegs oder auf der Baustelle. Digitale Zeiterfassungssysteme rationalisieren die Zeiterfassung, Auswertung und vermeiden Ärger mit unleserlichen oder verloren gegangenen Stundenzetteln. Außerdem ermöglichen sie eine komfortable, rechtskonforme Erfassung und Dokumentation von Arbeitszeiten, wie sie das seit Jahresbeginn geltende Mindestlohngesetzes für alle Mitarbeiter mit einem Bruttolohn unter 2958 Euro, also auch von geringfügig beschäftigten Minijobbern, fordert (siehe auch: www.der-mindestlohn-gilt.de).
Software statt Stundenzettel
Digitale Stundenzettel haben viele Vorteile: Zeit- und Tätigkeitsnachweise erfolgen zeitnah, nachvollziehbar und entsprechend einer vorgegebenen Abfolge, sodass nichts vergessen wird. Dazu werden am Smartphone, Tablet-PC oder einem speziellen Erfassungsgerät Arbeitszeiten, Tätigkeiten und andere Daten nach einem vordefinierten Schema abgefragt. Dank zeitnaher Vor-Ort-Erfassung und Schritt-für-Schritt-Eingabe lassen sich Arbeitsaufwand, Kostenstellen und Kostenträger unmittelbar verknüpfen. Eingabefehler, Ungenauigkeiten oder gar Manipulationen sind so nahezu ausgeschlossen.
Die erfassten Daten werden entweder nach der Rückkehr ins Büro eingelesen, direkt vom Einsatzort per SMS versandt oder über eine mobile Internetverbindung online an den Firmen-Server übergeben. Ist im System eine GPS-Standortlokalisierung integriert, nach Absprache und schriftlichem Einverständnis des betroffenen Mitarbeiters aktiviert, sind beispielsweise Plausibilitätsprüfungen möglich. Das beugt unlauteren Stundenabrechnungen und Missbrauch vor, wodurch sich das System schon innerhalb weniger Monate amortisieren kann. Controlling-Funktionen ermöglichen eine zeitnahe Kostenauswertung laufender Projekte. So erhält man schnell einen Überblick, in welchen Bereichen es Abweichungen von Soll- und Istzeiten gibt, sodass man rechtzeitig gegensteuern kann.
Zeiterfassung als Teil des mobilen Büros
Dass der mobile Einsatz von Hard- und Software nicht nur im Hinblick auf die Zeiterfassung Vorteile bietet, haben insbesondere SHK- und Elektrobetriebe früh erkannt. Sie sind im Baubereich quasi die Vorreiter des „Mobile Computing“. Das hängt damit zusammen, dass diese Unternehmen beim Kunden häufig Service- und Wartungsarbeiten ausführen müssen: Vor Ort werden Wartungsarbeiten dokumentiert, Aufmaße angefertigt, Mitarbeiter, Maschinen und Material koordiniert oder Arbeitszeiten und Tätigkeiten erfasst. Die mobile Zeiterfassung ist damit Teil einer Gesamtlösung (und damit in der Regel auch nicht separat einsetzbar). Darüber hinaus lassen sich Termine organisieren oder wichtige Funktionen der Branchensoftware nutzen. Informationen werden genau dort eingegeben oder abgerufen, angezeigt oder modifiziert, wo sie gerade anfallen oder benötigt werden.
Rationalisierungsvorteile bietet beispielsweise der „Mobile Auftrag“. Damit lassen sich Aufträge an Servicemitarbeiter versenden, vor Ort individuell anpassen, durch eine vom Kunden unterschriebene Arbeitszeit- und Tätigkeitsangabe sowie ein mobiles Aufmaß ergänzen und als fertig bearbeiteter Auftrag zurück an die Bürozentrale versenden. So kann sofort die Rechnung gestellt werden, was die Rechnungsstellung beschleunigt und die Unternehmens-Liquidität verbessert.
Einen Schritt weiter in Richtung Mobilität geht das „Mobile Büro“. Dabei werden alle im Büro verfügbaren Unternehmens- und Projektdaten sowie wichtige oder sämtliche Programmfunktionen der Branchensoftware auch mobil zur Verfügung gestellt. Dadurch lassen sich Aufmaße, Angebote und Auftragsbestätigungen, Materialbestellungen, Termine und Ressourcen etc. praktisch genauso mobil managen, wie vom Büro-PC aus. So können schon vor Ort Entscheidungen getroffen, Maßnahmen eingeleitet und Aktivitäten koordiniert werden, was den Unternehmens-Workflow erheblich beschleunigt. Wichtig ist, dass sich die Menüoberfläche automatisch anpasst, je nachdem, welches Mobilgerät mit welcher Displaygröße man gerade einsetzt. Die Benutzerführung und Eingabemasken sollten aber stets identisch sein, damit man sich nicht ständig neu zurechtfinden muss.
Anforderungsprofile vereinfachen die Auswahl
Rund 90 Anbieter allgemeiner und bau-/branchenspezifischer Lösungen listet das „Informationsportal für die mobile Zeiterfassung“ (www.mobile-zeiterfassung.info) auf. Von der einfachen Tabellenkalkulation, über die branchenneutrale mobile Zeit-, Fahrzeugdaten- und Standorterfassung – bis hin zu branchenspezifischen Lösungen reicht das Angebot. Unterschiede gibt es in der Konzeption, aber auch, wie erfasst wird, was erfasst wird, bzw. wie detailliert Zeiten und Tätigkeiten aufgenommen werden. Auch die Anbindung an die Branchensoftware oder Zusatzfunktionen wie die Mitarbeiter- und Fahrzeugortung oder Zutrittskontrolle etc. ist unterschiedlich. Deshalb ist die Aufstellung eines individuellen Anforderungsprofils wichtig: Je präziser man eigene aktuelle und möglichst auch künftige Anforderungen definieren kann, desto besser lässt sich die Anzahl der infrage kommenden Lösungen eingrenzen. Benötigt man beispielsweise auch die Standortdaten der Mitarbeiter, um sie wegeoptimiert an den nächsten Einsatzort zu schicken, ist eine GPS- und Kommunikationsfunktion erforderlich, die nicht alle Systeme bieten.
Berücksichtigt werden sollten auch die eigenen betrieblichen Gegebenheiten, Arbeitsweisen, aufgabenspezifischen Anforderungen, aber auch die Akzeptanz der Mitarbeiter. Letztere ist auch gefragt, wenn es um die Erfassungshardware geht. Der Trend geht eindeutig zum Smartphone, auch weil diese Geräte flexibel sind und über Zusatzfunktionen wie Mobiltelefon, Digitalkamera etc. verfügen. Tablet-PCs oder Convertibles (Mischung aus Tablet und Netbook) haben mit ihrem größeren Display Vorteile, wenn Aufmaße erfasst, Arbeiten dokumentiert oder Projektdaten angezeigt werden sollen. Speziell für die Zeiterfassung entwickelte Geräte sind zwar robuster und in der Bedienung einfacher, aber in ihren Einsatzmöglichkeiten eingeschränkt.
Wichtig bei der Hardware sind die Robustheit, die Abmessungen, das Gewicht, die Betriebs-/Ladezeit des Akkus und nicht zuletzt die Einfachheit der Bedienung. Zu den weiteren Unterscheidungsmerkmalen gehört auch das Softwarekonzept: Handelt es sich um eine auf speziellen mobilen Endgeräten lauffähige Kaufsoftware oder um eine webbasierte Mietsoftware für Smartphones oder Tablets? Während sich die einmaligen Investitionskosten pro Mitarbeiter zwischen etwa 100 und 1500 Euro bewegen, beläuft sich die Miete auf etwa 5 bis 15 Euro/Monat (jeweils ohne Hardware). Teilweise kostet die Auswertungssoftware extra und manchmal werden zusätzlich auch monatliche Wartungsgebühren erhoben. Da die Lizenzmodelle der einzelnen Anbieter sehr unterschiedlich sind, lassen sich die Kosten nicht ohne Weiteres vergleichen. Viele Anbieter haben daher hier keine Angaben gemacht. Deshalb sollte man nach einer Vorauswahl bei den in Frage kommenden Anbietern individuell nach den Gesamtkosten pro Mitarbeiter fragen.
Mitarbeiter „mitnehmen“
Arbeitszeiten zu dokumentieren kostet auch Zeit – und Geld. Nicht nur in Eingabe-, Auslesegeräte, Software und Schulungen muss investiert werden, auch die Erfassung der Daten erfordert von jedem Mitarbeiter Disziplin und einige Minuten seiner täglichen Arbeitszeit. Grundsätzlich sollte deshalb nur das erfasst werden, was später auch ausgewertet wird. Schließlich steigt mit der Genauigkeit der Erfassung auch der Eingabeaufwand. Sind häufige Eingaben erforderlich, können sie den Arbeitsfluss hemmen. Sind Mitarbeiter nur selten beim Kunden oder auf der Baustelle und müssen diese häufig wechselnde Tätigkeiten ausführen, wird die Erfassung einzelner Zeitabschnitte schnell zu aufwendig. Sind jedoch mehrere Mitarbeiter häufig (mindestens einen Tag pro Woche) an verschiedenen Standorten unterwegs, hat die mobile Zeiterfassung gegenüber Stundenzetteln klare Vorteile.
Bevor man sich entscheidet, sollte jedoch zunächst geprüft werden, welches mobile Zeiterfassungssystem mit der aktuell im Betrieb eingesetzten Branchen- und Lohnsoftware am besten kommuniziert. Die meisten Anbieter von SHK- oder Elektro-Branchenprogrammen offerieren eigene Zeitwirtschafts-, respektive mobile Auftragserfassungssysteme. Diese sollte man bevorzugen, da sie funktionell und datentechnisch in die Branchensoftware am besten eingebunden sind. Eine erfolgreiche Einführung setzt auch eine vorbereitende Mitarbeiter-Aufklärung voraus. Vor Einführung sollten die Vorteile digitaler Stundenzettel vermittelt werden. Insbesondere sollte deutlich werden, dass eine digitale Zeiterfassung die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und letztlich die Arbeitsplatzsicherheit jedes einzelnen Mitarbeiters festigt.
Checkliste
Worauf Sie achten sollten!
Softwarekonzept: Handelt es sich um eine Kauf- oder Mietsoftware, eine native App oder eine Web-App? Ist sie in eine Branchensoftware eingebunden?
Einsatzbereiche: Was erfasst die Software: Zeiten, Geräte-/Fahrzeugdaten, GPS-Standort, Material, Massen/Mengen, Aufmaße, Aufträge, Ressourcen, Büro/Unternehmensdaten?
Datenerfassung: Was wird erfasst: Beginn + Ende, Pausen, Aufträge, Tätigkeiten etc.? Sind Gruppenbuchungen mit einem Gerät möglich? Funktioniert die Datenerfassung auch offline?
Datenübergabe: Wie werden die Daten übergeben – per Docking-Station, SMS, WLAN oder Mobilfunk?
Identifikation: Wie identifizieren sich die Mitarbeiter – per PIN-Eingabe, Barcode, Chipkarte oder Fingerprint?
Hardware: Womit wird erfasst – per Handy, Smartphone, Tablet-PC oder einer speziellen Hardware? Was kostet ggf. die Hardware?
Auswertung: Was (Kostenstellen, Nachkalkulation, Zeitkontenabgleich etc.) und wie wird ausgewertet (tabellarisch, grafisch)? Gibt es eine Schnittstelle zur eigenen Lohn-/Branchensoftware?
Preise/Rabatte: Was kostet das System pro Gerät/Mitarbeiter (inklusive Erfassungs- und Auswertungssoftware sowie ggf. Hardware), einmalig oder pro Monat? Gibt es laufende Nebenkosten (für Wartung, Pflege etc.). Wird ein Mehrfachlizenz-Rabatt gewährt?
Info
Übersicht hilfreicher Websites
www.mittelstand-digital.de Rubrik „Mobiles Arbeiten“
www.mobile-zeiterfassung.infoInformationsportal zum Thema
www.wikipedia.deSuchwort: „Mobile Zeiterfassung“
BMWi, NEG, MÜKE (Hrsg.): Mit Hammer, Säge und Smartphone. Mobiles Arbeiten im Handwerk, Eigenverlag, Münster 2011, Download: www.mittelstand-digital.de/de/wissenspool/mobilesarbeiten/publikationen.html
Autor
Dipl.-Ing. Marian Behaneck war viele Jahre lang in Dokumentation, Marketing und PR der Bausoftware-Branche tätig. Er ist Fachautor zahlreicher Publikationen zu Hardware, Software und IT im Baubereich; 76751 Jockgrim, E-Mail: behaneck@gmx.de