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Interview

Wie lassen sich schlechte Photovoltaikmodule erkennen?

Inhalt

SBZ: In welche Richtung hat sich die Produktqualität von Solarmodulen in den letzten zehn Jahren entwickelt?

Willi Vaaßen: Diese Frage muss man im Umfeld einer extrem dynamischen Marktsituation und eines hohen Anpassungs- und Kostendrucks beantworten. Extremer Wettbewerb führte dazu, dass etablierte Firmen mit viel Erfahrung und z. T. qualitativ hochwertigen Produkten vom Markt verschwanden und neue Player Marktrelevanz erreichten. Neue, preiswerte Materialien werden sehr schnell in die Produktion eingeführt. Die Qualitätssicherung hält bei diesen dynamischen Entwicklungen leider nicht Schritt.

SBZ: Welche Konsequenzen hat dies in der Praxis?

Vaaßen: Durch die teilweise ungenügende Test- und Qualifizierungszeit zur Verwendung neuer Materialien werden Risiken eingegangen, die zum Serienversagen führen können. Das passiert oft erst nach einigen Betriebsjahren, stellt aber für die Investoren ein nicht unerhebliches Risiko dar. Wenn man sich die Anzahl der offiziellen (öffentlichen) Rückrufaktionen anschaut, scheint sich die Qualität heutiger Produkte gegenüber denen von vor zehn Jahren verbessert zu haben. Auch deutet eine Abnahme auftretender Fehler bei den Typprüfungen im Labor darauf hin, dass sich die Qualität der PV-Module verbessert haben könnte. Allerdings zeichnen Felderfahrungen nach zum Teil nur wenigen Betriebsjahren leider ein anderes Bild. Hier werden vermeidbare Serienfehler gefunden, die z. T. mehrere Hundert Megawatt von produzierten Modulen betreffen. Diese Fehler werden in der Öffentlichkeit kaum diskutiert, da Beteiligte sich oft über Geheimhaltungsvereinbarungen zur Vertraulichkeit verpflichtet haben.

SBZ: Was sind immer noch die typischen Schwachpunkte bei Photovoltaikmodulen, die immer wieder vorkommen bzw. die Sie in Ihren Tests immer wieder beobachten oder als charakteristisch bezeichnen würden?

Vaaßen: Häufige Schwachpunkte oder auch Fehler an PV-Modulen können zumeist leider erst nach einigen Betriebsmonaten oder -jahren festgestellt werden. Da ist immer noch die potenzialinduzierte Degradation zu nennen, die zu Leistungsverlusten bei nicht geerdeten Systemen bei hoher Spannung führt und sehr von der Auswahl der verwendeten Materialien (z. B. Zellen, Einbettungsmaterial usw.) abhängt. Das können aber auch ungeeignete Rückseitenfolien sein, die sich nach wenigen Jahren auflösen oder an denen sich Rissbildungen zeigen. Beide Phänomene der Folienalterung führen dazu, dass nach einigen Betriebsjahren die Isolationsfähigkeit nicht mehr gegeben ist oder die Langzeitstabilität beeinträchtigt wird.

Mikrorisse in den Zellen oder Zellbrüche, die in der Fertigung oder während des Transportes oder der Installation entstanden sind, können zu (geringen) Leistungseinbußen oder auch vereinzelt zu Hotspots und Lichtbögen führen. Die Verluste sind aber i. d. R. kaum messbar, können sich allerdings über die Erweiterung der Rissbildungen während des Betriebes erhöhen. Manchmal sind die Mikrorisse durch optisch erkennbare sogenannte Schneckenspuren begleitet, die aber mehr oder weniger eine kosmetische Beeinflussung darstellen. Bei den gebäudeintegrierten Modulen kann das allerdings auch eine schwerwiegende Beeinträchtigung sein.

SBZ: Lassen sich die Qualitätsschwächen kategorisieren? Zum Beispiel in eine Gruppe mit schlechten Modulqualitäten von schlechten Herstellern oder in eine andere Gruppe, wo eigentlich gute Qualitäten zu erwarten wären, es aber dann dennoch Montagsmodule gibt?

Vaaßen: Einige Hersteller werden von den Kollegen, die Fertigungsinspektionen durchführen, sehr positiv beurteilt, weil sie sowohl erklärtermaßen Qualitätsanbieter sein möchten als auch dies in den Fertigungen abbilden: durch entsprechende Qualitätssicherung, geeignete Prozesse, die Verwendung qualifizierter Materialien und durch eine transparente, nachvollziehbare Dokumentation aller qualitätsrelevanten Vorgänge.

Interne Tests innerhalb der täglichen Produktion sind wichtig, um systematische Fehlentwicklungen detektieren zu können. Zudem ist der positive Umgang mit Reklamationen und eine Rückkopplung dieser Reklamationen in den Fertigungsprozess ein gutes Indiz für einen Qualitätsanbieter. Leider kommt es aber immer wieder zu Fehlern und Qualitätseinbußen, weil ein Teil der durchaus komplexen Qualitätssicherungsstruktur versagt hat.

SBZ: Wie sind diese Qualitätsschwankungen zu erklären und wie häufig sind sie?

Vaaßen: Das größte Potenzial für Fehler ist die oft sehr große Produktvarianz der Hersteller. So werden unter einer Typbezeichnung mehrere Materialien miteinander kombiniert, z. B. unterschiedliche Gläser und Zellen, Einbettungs- und Rückseitenmaterialien sowie andere Materialien. Diese Komponenten müssen unter allen denkbaren Kombinationen die Anforderungen erfüllen; für all diese Materialien muss es Qualitätssicherungsprozesse geben. Dabei spielen natürlich auch die Zulieferer eine große Rolle: mit Blick auf die Definition der einzuhaltenden Qualität und Produktcharakteristika sowie mit Blick auf die ständige Überprüfung und Dokumentation der Zulieferqualität. Vielfach sind Kosteneinsparungen Grund dafür, auf einzelne kritische Qualitätssicherungsprozeduren zu verzichten oder sie so zu minimieren, dass das Risiko des Versagens nicht mehr berechenbar ist.

SBZ: Früher hieß es, dass die günstigen Module aus China in großen PV-Anlagen verbaut werden, wo es um Masse geht, und die teureren deutschen Qualitätsmodule auf die Dächer in Form von Kleinanlagen wandern. Lässt sich diese Einteilung aus Sicht der Produktqualität so heute noch aufrechterhalten?

Vaaßen: Es gilt generell, dass chinesische Hersteller gute Qualitäten liefern können und auch liefern. Aber eben nicht alle. Ich bin der Meinung, dass sich eine positive Beeinflussung der Qualität über die bereits oben beschriebenen Installateurnetzwerke und durch Investoren großer Anlagen erreichen lässt, da hier Informationen zum Produkt (positive wie negative) nicht nur bilateral ausgetauscht werden, sondern in diesem Fall ein besonderer Hebel über viele Akteure erreicht werden kann.

SBZ: Was würden Sie Fachbetrieben und Installateuren raten, worauf sie achten sollen? Wie können sie sich bestmöglich vor „faulen“ Modulen schützen?

Vaaßen: Es gibt Modul- und Wechselrichterhersteller, die vorbildliche Installateurnetzwerke betreiben, Schulungen durchführen und Produktinformationen liefern. Über solche Netzwerke können Qualitätsanforderungen und entsprechende Informationen transportiert werden. Nicht im Vordergrund sollte die Bewertung von Garantieversprechen stehen, da nicht klar ist, ob der Garantiegeber im späteren Anspruchsfall noch existent ist oder ob der Mangel, z. B. in Fernost, einklagbar ist. Die Fixierung auf die billigsten Produkte ist natürlich in vielen Fällen kontraproduktiv bezogen auf die Qualität.

SBZ: Welche Möglichkeiten gibt es für Installateure, die zum Kauf anvisierten Module vorher zu testen bzw. testen zu lassen?

Vaaßen: Die Möglichkeit, Module beim Kauf testen zu lassen, ist natürlich gegeben. TÜV Rheinland bietet diesen Service. Für Installateure, die kontinuierlich PV-Module kaufen, kann es sinnvoll sein, immer wieder eine kleine Stichprobe testen zu lassen, um eine kontinuierliche Indikation für die Produktqualität zu bekommen. Beim Kauf von mittelgroßen und großen Anlagen ist es aus den oben genannten Gründen sinnvoll, Tests durchführen zu lassen, sofern Konsequenzen, die sich aus den Messergebnissen ableiten, vertraglich vereinbart wurden.

SBZ: Wie zuverlässig bzw. aussagekräftig sind Zertifikate, Gütezeichen und Labels – welche können Sie empfehlen, welche nicht?

Vaaßen: Am Markt existierende Zertifikate beziehen sich zumeist auf die Bauartprüfungen entsprechend der IEC EN 61730 und der IEC EN 61215. Dazu werden einmalig PV-Module getestet, um festzustellen, ob sie den Anforderungen der oben genannten Normen entsprechen. Dass die kontinuierlich produzierten Produkte baugleich und produktionstechnisch gleich zu den getesteten Modulen sind, obliegt der innerbetrieblichen Qualitätssicherung und ist Gegenstand von jährlich wiederkehrenden Fertigungsinspektionen. Dabei ist es wichtig, dass diese Zertifikate von Institutionen ausgestellt wurden, die allgemein anerkannt sind und eine entsprechende Reputation haben. Ein Zertifikat des TÜV Rheinland, das die kontinuierlich gute Qualität im Hinblick auf die Nennleistungsangaben von PV-Modulen bestätigt, heißt „Power Controlled“. Wir haben gerade ein neues Label entwickelt, das auf die erzeugte Energie abhebt, und das in verschiedenen Klimazonen. Das Label ist angelehnt an das Energieverbrauchslabel z. B. für Kühlschränke. In unserem Fall wird über eine ähnliche Darstellung der hohe Energieertrag gewürdigt.

SBZ: Gibt es Überlegungen beim TÜV, über eine Zertifizierung der Hersteller die Produktion und die Module in der Qualität transparenter zu machen?

Vaaßen: Ja, diese Überlegungen und Diskussionen mit Herstellern gibt es immer wieder. Dabei ist es wichtig, dass dies auf die kontinuierliche Produktqualität abhebt. Hier war bisher der Marktdruck nicht groß genug, um so etwas zu etablieren, da ein solches System natürlich Kosten verursacht.

SBZ: Sehen Sie die Gefahr, dass über das neue Interesse an der Photovoltaik (über Eigenstromnutzung und Mieterstrommodelle) die auf den Markt gebrachten Modulqualitäten aufgrund wachsender Nachfrage und Produktionsdruck schlechter werden könnten?

Vaaßen: Nein, wichtig ist, dass die Sensibilität für Qualitätsprodukte geschärft wird, dass Informationen ausgetauscht, Risiken benannt und thematisiert werden und Anforderungen an Module aus dem Markt gestellt werden. Hier haben die Investoren von großen Anlagen und Netzwerke gute Chancen, ihre Qualitätsansprüche durchzusetzen, aber nur, wenn sie auch bereit sind, diese zu bezahlen.