SBZ: Herr Kreitmeir, lassen Sie uns über das Thema Lohngestaltung im SHK-Handwerk sprechen. Was verstehen Sie eigentlich unter einer fairen Bezahlung?
Hermann-J. Kreitmeir: Ich verstehe darunter die Bezahlung oder die Entlohnung der tatsächlichen Tätigkeit der Mitarbeiter plus die Möglichkeit, dass ihr darüber hinausgehender Einsatz spürbar honoriert wird. Meine Erfahrung zeigt, das ist heute in nahezu allen SHK-Betrieben, die ich bis jetzt kennenlernen durfte, nirgendwo der Fall. Stattdessen wird per Gießkanne ausgeschüttet bezahlt, nahezu alle gleich.
SBZ: Warum ist das ein Problem? So funktioniert doch die Arbeitswelt.
Kreitmeir: Herr Jäger, jetzt machen Sie mal die Augen auf! Es handelt sich hier doch bloß um die Bezahlung der fleischlichen Präsenz und weniger der Leistung bzw. der tatsächlichen Effizienz. Letztendlich bleibt bei dieser Art der sicher gut gemeinten „Gleichbehandlung“ auch das Eingehen auf die individuellen Talente und Stärken eines Mitarbeiters auf der Strecke.
SBZ: Aber eine „Lohndebatte“ kann doch nun wirklich kein Unternehmer gebrauchen. Das führt doch bloß zu Neid und hemmt den Betriebsablauf.
Kreitmeir: Nein Herr Jäger, das Gegenteil ist der Fall. Wenn der Chef die Dinge so lässt, wie sie sind, leidet die Effizienz des Betriebs. Ich darf Ihnen ein Beispiel aus meiner Beratungstätigkeit nennen. Wenn ich im Rahmen eines Coachings mit den Mitarbeitern eines Handwerksbetriebs spreche und wir aufs Thema Bezahlung kommen, dann ist weniger die Höhe des Stundenlohns bzw. des Gehalts ein kritischer Punkt, sondern mehr die Tatsache, dass eigentlich alle gleich verdienen. Und hier versteckt sich die von Ihnen, Herr Jäger, angesprochene Missgunst: Der Kollege, der sich den ganzen Tag hinter einer Säule versteckt oder der übermäßig viele „Raucherpausen“ nimmt, verdient letztlich genauso viel wie derjenige, der sich täglich richtig verbiegt fürs Unternehmen. Das stößt meistens sauer auf. Denn die Leistungsträger werden im Vergleich nicht wirklich entsprechend der Leistung honoriert.
SBZ: Und was ist die Folge davon?
Kreitmeir: Na, das liegt doch auf der Hand. Es wird bloß Dienst nach Vorschrift gemacht. Die Leute bringen nicht wirklich vollen Einsatz und schalten den Kopf erst nach Feierabend ein. Deshalb sage ich, der Mitarbeiter muss merken, wenn er sich anstrengt, kommt mehr für ihn dabei rum. Wenn er sich also einbringt und wenn er versucht, effizienter zu arbeiten – und zwar im Sinne seines Arbeitgebers, nicht auf sich selbst bezogen. Es ist doch aktuell so in der Praxis: Wer sich reinhängt fürs Unternehmen, wer z. B. schneller und sorgfältiger arbeitet, der hat doch die Wahrnehmung, er bekommt jetzt noch mal einen Auftrag zusätzlich reingedrückt. Die anderen Kollegen lassen sich letztendlich einfach mehr Zeit, aber alle holen sich den in etwa gleich hohen Lohn ab. Finden Sie das gerecht?
SBZ: Nein.
Kreitmeir: Ganz zu schweigen davon, dass neben der finanziellen Anerkennung die mündliche Aufmerksamkeit ebenfalls ausbleibt. Weil die meisten Chefs, in meinen Augen 90 % aller SHK-Unternehmer, ihre Mitarbeiter nur reinrufen und denen eine Rückmeldung geben, wenn etwas schlecht gelaufen ist. Das Wort Anerkennung findet im Großteil aller SHK-Betriebe, die ich bis jetzt kennengelernt habe, nahezu nicht statt.
SBZ: Heißt das, die Betrachtungsweise, alle Mitarbeiter sollten annähernd gleich bezahlt werden für annähernd gleiche Tätigkeiten bei annähernd gleicher Qualifikation, die ist falsch?
Kreitmeir: Ja und nein. Ähnliche Tätigkeiten sollten auf den Grundlohn bezogen gleich bezahlt werden, da bin ich bei Ihnen. Helfer können Sie nicht als Monteur einstufen, das ist ja klar. Aber auf die Grundvergütung bzw. aufs Einstiegsgehalt muss eine leistungsgerechtere Betrachtung der individuellen Fähigkeiten aufgerechnet werden. Das setzt ganz neue Energie bei Mitarbeitern frei.
SBZ: Wie könnte die Gestaltung in der Praxis ausschauen? Nennen Sie doch mal ein Beispiel.
Kreitmeir: Die leistungsgerechte Bezahlung muss für den Mitarbeiter spürbar und sichtbar sein. Damit sie ihre volle Motivationswirkung entfaltet. Das bedeutet für mich ganz konkret, zweimal im Jahr eine Leistungsbeurteilung auszusprechen. Ich sage bewusst „aussprechen“, Chefs müssen mit ihren Angestellten mehr reden. In diesen Beurteilungsgesprächen wird dann anhand von verschiedenen Kriterien deutlich gemacht, warum es den halbjährlichen Bonus gibt und wie hoch der ausfällt. Oder es wird der betreffenden Person erläutert, warum sie dieses Mal eben leer ausgeht. Wichtig ist mir dabei, die Kriterien müssen zwingend auch soziale Kompetenzen beinhalten. Also z. B. eine ausgeprägte Teamfähigkeit oder die ehrliche Identifizierung mit der Firma.
SBZ: Warum zweimal im Jahr?
Kreitmeir: Nur einmal im Jahr ist zu ungerecht. Ein kurzes Beispiel: Wenn der Mitarbeiter von Januar bis September super gut arbeitet, er bringt sich ein etc., der würde normalerweise am Ende eines Jahres eine wirklich gute Leistungsprämie kriegen. Jetzt schießt er im Oktober einen Bock, verursacht z. B. einen Wasserschaden. Jetzt stellen Sie sich vor, seine Beurteilung läuft im November. Was meinen Sie, wie der Mitarbeiter da wegkommt? Deshalb sage ich, ein grober Schnitzer darf nicht die gute Arbeit mehrerer Monate überstrahlen. Das ist in meinen Augen nicht fair, deswegen sollten Chef und Angestellter zweimal im Jahr zusammensitzen und über die Leistungsprämie sprechen. Außerdem hat der Mitarbeiter den Anreiz, ein maues Halbjahr schnell durch ein gutes auszugleichen! Zur Einteilung bieten sich das erste und das zweite Halbjahr an. Das ist meistens eh bei den Mitarbeitern verankert, da erhalten sie normalerweise Urlaubsgeld bzw. Weihnachtsgeld.
SBZ: Also, Chef und Mitarbeiter sprechen miteinander, im positiven Fall über eine Prämie fürs vergangene halbe Jahr. Das motiviert ausreichend?
Kreitmeir: Ein ganz wichtiges zusätzliches Element ist noch ein Schreiben des Chefs an seinen Mitarbeiter. Ein Brief, der untermauert, wie wichtig diese Person fürs Unternehmen in der zurückliegenden Phase war. Es sollte sich um ein individuelles Schreiben handeln, im persönlichen Gespräch vom Chef ausgehändigt. Wissen Sie, das wirkt dann in der Regel sieben bis neun Wochen positiv motivierend nach. Das Schreiben ist psychologisch von enormer Bedeutung. Denn es lesen bis zu sieben unterschiedliche Menschen mit, der Mitarbeiter zeigt seinen Brief mit Stolz herum. Er legt das seiner Frau hin, die Kinder bekommen es mit, Freunden wird es erzählt. Meine Erfahrung als Coach zeigt, eine positive Grundhaltung bleibt über ein ganzes Jahr hinweg bestehen, das gewährleisten diese zwei Prämienrunden.
SBZ: Nun ja, wenn es um positive Bewertungen geht, ist das sicher leicht umgesetzt. Aber wie bereiten sich Chefs auf das Gespräch vor, wenn es eben nichts gibt für den Mitarbeiter? Der hat die Kohle vielleicht schon für seinen Winterurlaub verplant und erfährt eine ziemliche Enttäuschung.
Kreitmeir: Dieses Prämiengespräch ist ja eine Art Spiegel, der dem Mitarbeiter vorgehalten wird. Wenn eine Leistung im zurückliegenden halben Jahr mal nachweislich nicht entsprechend gut war, kann ein Mitarbeiter damit umgehen. Es geht da um Fakten, in der Regel kann jeder schon selbst realistisch erkennen, wo er eigentlich steht. Da fällt selten jemand aus allen Wolken. Das Problem ist nur, diese Art Mitarbeitergespräch ist allen Beteiligten noch ein gutes Stück fremd. Bei der Einführung sollte zwingend ein Coach mit Rat und Tat zur Seite stehen.
SBZ: Was ist mit den Unbelehrbaren, die weiter ihren „Stiefel runterspielen“? Fachkräfte sind doch einfach zu wichtig, um sie so zu verprellen.
Kreitmeir: Ein guter Mitarbeiter zieht seine Lehren aus einer Nullrunde. Er gibt sich Mühe, das künftig zu vermeiden. Aber im Betrieb finden sich auch immer ein, zwei Leute, bei denen es einem als Chef wirklich schwerfällt, die noch irgendwie zu bewegen. Wenn so einer aufgrund seiner Leistung jetzt keine Prämie erhält, muss deutlich werden, es liegt nicht nur an Fehlern, sondern z. B. auch an der Grundeinstellung oder an der Zeiteffizienz. Auch da ist ein positiver Effekt bei der leistungsgerechten Bezahlung zu verspüren. Denn der „Kollege“ wird sich nach außen orientieren, er bekommt nicht mehr die Summe, die er eigentlich will und eventuell auch braucht. In dieser Hinsicht sind die Prämiengespräche ein Regulativ. Meine Erfahrung ist, spätestens nach der dritten Runde sucht sich so jemand draußen einen anderen Job. Dem muss man dann noch nicht mal kündigen und gar eine Abfindung zahlen. Er schafft damit Platz für einen Mitarbeiter, der besser zum Unternehmen passt, der mehr leistet und dann auch gerne mehr verdienen soll.
SBZ: Es ist aber nicht jedermanns Sache, so gegenüber seinen Mitarbeitern aufzutreten.
Kreitmeir: Nein, da liegen Sie richtig. Aber das kann man als Chef lernen. Man muss nur offen genug sein, es sich beibringen zu lassen. Denn diese Art Rückgrat entscheidet mit über das Wohl oder Wehe eines Unternehmens. Und das nicht nur in den Prämiengesprächen.
SBZ: Herr Kreitmeir, besten Dank fürs Gespräch. In der SBZ 4 geht es weiter! Die Ausgabe erscheint am 12. März. Dann sprechen wir u. a. über Möglichkeiten, Leerlauf im Alltag der Mitarbeiter zu unterbinden, und zeigen auf, wie die konkrete Umsetzung einer leistungsgerechten Bezahlung eingeführt wird – unter Berücksichtigung der Prämiengespräche.