In den letzten Jahren hat sich bei den SHK-Großhandelsunternehmen einiges getan. Der dreistufige Vertriebsweg erfreut sich allen früheren Diskussionen und pessimistischen Prophezeiungen zum Trotz heute einer hohen Akzeptanz. Die Branchenzahlen sprechen für sich, dem Fachgroßhandel geht es gut. Was hat sich
geändert?
SBZ: In den letzten Jahren haben viele Hersteller versucht, über den Onlinehandel neue Vertriebswege zu erschließen. Wie bewerten Sie für die Branche das Thema Onlinehandel seitens der Hersteller?
Dr. Michael Pietsch: Natürlich gehen Hersteller heutzutage verstärkt in die B2C-Ansprache, um eine höhere Markenpräsenz und emotionale Verbundenheit mit der Marke zu schaffen. Es kann aber nicht erfolgversprechend sein, dem Großhandel oder dem Handwerk Wettbewerb zu machen. Das wäre die Vorgehensweise, wenn ein Hersteller seine Produkte online direkt an den Endkunden verkauft. Wir haben keine „steckerfertigen“ Produkte, die unsere Hersteller verkaufen, sondern es sind immer Produkte, die einer handwerklichen Dienstleistung bedürfen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Handwerk und Handel diese Dienstleistung für Produkte übernehmen, die außerhalb des dreistufigen Vertriebsweges vertrieben werden. Also müsste der Hersteller in diesem Fall selbst montieren lassen. Aber zu einem Bad oder einer Heizungsanlage gehören viele Komponenten und welcher Hersteller kann alles aus einer Hand anbieten? Daher glaube ich, dass das nicht erfolgversprechend ist.
SBZ: Und Onlinevertrieb für den Fachgroßhandel, wie sehen Sie den?
Dr. Pietsch: Das ist ein Teil der Weiterentwicklung des klassischen Großhandels und ein weiterer Kanal, der besetzt werden sollte, um nicht anderen Versendern den Markt zu überlassen. Die Frage ist immer, was der Kunde möchte. Will er den klassischen Großhandel mit dem gesamten Service-Portfolio? Oder möchte er am Ende auf einen einfachen Beschaffungsweg für die reine Produktbestellung zurückgreifen? Heutzutage kann man sich nicht mehr auf einen der beiden Wege festlegen. Sondern es ist eine Koexistenz unterschiedlicher Vertriebskanäle. Aber für uns klassisch ausgerichtet immer B2B.
SBZ: Lange stand der dreistufige Vertriebsweg in der Kritik. Inzwischen hat der Großhandel seine Stärke gefunden und seine Aufgaben neu definiert. Was ist da in den vergangenen Jahren passiert?
André Kellinghaus: Jeder der Marktteilnehmer, also Hersteller, Industrie, Handel und auch der Fachhandwerker, hat sich in den letzten Jahren stärker auf seine Kernkompetenz besonnen und diese Stärken weiter ausgebaut. Für uns als Großhändler ist es sehr wichtig, uns darauf zu konzentrieren, welchen Mehrwert, welche Hilfestellung wir dem Handwerker in dieser Dreiecksbeziehung bieten können, damit er noch erfolgreicher wird, als er es bereits in der Vergangenheit war. Die Produkte sind komplexer geworden und wir tun gut daran, gemeinsam mit Herstellern und Handwerk mit unseren gebündelten Kompetenzen diese Komplexität im Zuge der Vermarktung aufzubrechen und damit für den Endkunden einfache und gute Komplettlösungen anbieten zu können.
Dr. Pietsch: Viele Großhändler, so glaube ich, sind erheblich professioneller geworden. Unter anderem durch Investitionen in die Logistik und durch die flexibleren Wege einer einfachen Onlinebestellung. Die Zeitfenster für Bestellungen sind deutlich größer, als sie es früher einmal waren. So können Bestellungen auch außerhalb der regulären Arbeitszeit getätigt werden. Zudem ist im Rahmen der digitalen Welt die Lieferzuverlässigkeit spürbar gestiegen. Und bezüglich der Lieferprobleme der Hersteller puffern wir mit unserem Lagerbestand einiges ab, sodass Handwerker Baustellen vernünftig zu Ende bringen oder planen können. In Hochzeiten der Pandemie, als z. B. internationale Lieferketten gerissen sind, ist deutlich geworden, wie wichtig der Großhandel in Deutschland ist. Wir konnten die Lieferungen erheblich länger strecken, da unsere Lagerbestände drei bis vier Monate ausreichen.
SBZ: Hilfestellung für den Handwerker? Welche Dienstleistungen werden denn vom Fachhandwerk besonders gerne angenommen?
Kellinghaus: Heutzutage ist das Handwerk mit einer Vielzahl an Themen konfrontiert, die im Beratungsprozess beim Endkunden Berücksichtigung finden sollten. Wir können dabei helfen, diese inhaltlich zu sammeln und so vorzubereiten, dass der Fachhandwerker gegenüber dem Endkunden nicht nur einzelne Produkte, sondern konzeptionelle Gesamtlösungen verkauft. Neben der technischen Beratung können viele Fragen, die im Tagesgeschäft auftreten, von unseren Mitarbeitern kompetent geklärt und konkrete Hilfestellungen gegeben werden.
SBZ: Und welche Dienstleitungen würden Sie dem Handwerk bevorzugt anbieten?
Kellinghaus: Schon vor Jahren haben wir als Pietsch-Gruppe damit begonnen, Dienstleistungspakete zu schnüren, mit denen wir Hilfestellungen für unsere Handwerker anbieten. Im Rahmen unseres Partnerprogramms success4you, das wir vor fünf Jahren ins Leben gerufen haben, bieten wir beispielsweise im Zuge des Erstkontaktes für eine Baderneuerung hilfreiche Tools und Hilfestellungen bis hin zur kompletten Badplanung. Selbstverständlich erfolgt das alles in enger Abstimmung mit dem Fachhandwerkspartner. Wir geben ihm die Tools an die Hand, die er für den Beratungsprozess benötigt, und er kann sich auf seine technische Kernkompetenz und eine gute Kundenbetreuung fokussieren. Ebenso geben wir Planungsunterstützung im Bereich Technik. Gerade hier haben wir unsere Kapazitäten in den vergangenen Jahren stetig ausgebaut und verfügen über ein Team, bestehend aus kompetenten Planern. Und natürlich sorgen wir auch im gesamten Rahmen des Digitalisierungsprozesses dafür, dem Handwerker möglichst viele nützliche Tools und Informationen zur Verfügung stellen zu können.
Dr. Pietsch: Es ist nun mal so, dass die Anforderungen an das Handwerk immer komplexer werden, sowohl die Produkte an sich, als auch die Vielfalt der Produkte, die Programmierung von Anlagen oder das Wissen über Förderrichtlinien et cetera. Wir sehen unsere Aufgabe darin, mit Spezialisten das Handwerk zu unterstützen, damit dieses sich inmitten wachsender Produktvielfalt und wachsender technischer Anforderungen zurechtfindet.
SBZ: Wie sieht es insgesamt für die Branche aus? Welche Dienstleistungen werden von den Handwerkern besonders akzeptiert?
Dr. Pietsch: Ein Teil des Konzentrationsprozesses, den wir in den vergangenen Jahren im Großhandel erlebt haben, ist auch darauf zurückzuführen, dass nur die Unternehmen dauerhaft überleben können, die den SHK-Handwerkern nicht nur reine Produkte anbieten, sondern gleichzeitig einen konkreten Mehrwert bieten. Und das bedeutet auch, Mehrwert an Leistungen, für die das Handwerk einen Bedarf hat. Logistik ist sicher die eine Funktion. Service und Beratung ist die andere. Die Ausstellungsfunktion ist die dritte. Sie hat sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt und wurde immer weiter perfektioniert. Ausstellungen sind die Schaufenster der Branche. Und sie werden auch dauerhaft benötigt, denn wer die eigenen vier Wände modernisiert, der möchte bestimmte Dinge auch anfassen oder die Haptik spüren, bevor er sich für den Kauf entscheidet. Für den Fachhandwerker selbstverständlich ist heute, dass der Großhandel Abhollager für den Sofortbedarf hat, inklusive eines nutzerfreundlichen Onlineportals für Bestellungen rund um die Uhr. Händler, die in diese Mehrleistungen nicht investieren konnten, sind auf der Strecke geblieben. Der Konzentrationsprozess wird noch nicht zu Ende sein, weil der Handwerker eigentlich einen perfektionierten Fachgroßhandel in der Lieferkette haben möchte. Plus Beratung, wenn er nicht weiterkommt.
SBZ: Wo wird zukünftig der Erstkontakt zwischen Endkunden und Fachschiene stattfinden – wird der sich noch stärker zum Großhandel hin verlagern?
Kellinghaus: Der erste Kontakt zum Endkunden erfolgt heutzutage digital. Schon der Hersteller muss die Reise des Kunden vom ersten Kontakt bis zum Kauf eines Produktes mit der Fachkompetenz in seinem Sortimentsbereich begleiten. Der Fachhandwerker sowieso, denn er hat während der gesamten Prozesskette den direkten Kontakt zum Endkunden. Eine extrem wichtige Bedeutung, den ersten Kundenkontakt digital herzustellen, kommt dem Fachgroßhandel zu. Wir als Pietsch-Gruppe geben sehr viele Informationen über den digitalen Weg an die Endkunden weiter. Diese digitalen Vorinformationen, die der Kunde erhält, können dann, zum Beispiel im Sanitärbereich, über die Ausstellungen gefestigt werden. Das wäre sozusagen der analoge Prozess, die digitalen Informationen in Beratungen vor Ort zu vertiefen und in Paketen entsprechend zu bündeln, um dann in der engen Abstimmung mit dem Handwerker zu einem perfekten Ergebnis zu kommen.
SBZ: Wie sieht es im Bestellbereich für das Fachhandwerk aus? Schreitet auch hier die Digitalisierung voran und wird das Telefon demnächst zu einem Auslaufmodell?
Dr. Pietsch: Zwar ist schon zu erkennen, dass gerade im täglichen Bestellbereich Standardprozesse mehr und mehr online abgerufen werden. Wir sind jetzt bei rund 50 % Onlinequote der Auslieferungsumsätze. Für unsere Branche ist das schon ein sehr guter Wert. Allerdings glaube ich, dass das Telefon für den persönlichen Kontakt auch weiterhin genutzt wird. Denn neben den Standardprozessen gibt es Spezialfragen, die nicht so schnell digital abgebildet werden können. Wir haben dafür Experten und die möchte der Kunde selbst kontaktieren, um Probleme und deren Lösung persönlich zu besprechen. Standardprozesse dagegen werden zunehmend digitaler werden, weil dies viel Zeit und Ressourcen spart.
SBZ: Zum Abschluss eine Frage zum Umweltschutz, wie bedeutsam ist der in der Pietsch-Gruppe?
Kellinghaus: Kern unserer gesamten Strategie in der Unternehmensgruppe und unserer gesamten Ausrichtung ist für uns das Thema Nachhaltigkeit. Herr Dr. Pietsch hat dies über Jahre hinweg gefördert und gefordert. Durch den Green Deal der Europäischen Kommission kommt dem noch mal eine ganz andere Bedeutung zu. Unter dem Namen GoGreen entwickeln wir ganzheitliche Konzepte zur Nachhaltigkeit. Teil davon ist auch die Green Company. Hier haben wir bereits einige Ansätze entwickelt, die wir künftig noch weiter ausbauen möchten. Beispielsweise setzen wir verstärkt auf Elektrofahrzeuge in unserer Fahrzeugflotte, trennen im Unternehmen den Müll, achten auf funktionelle, energiesparende Beleuchtung und setzen Photovoltaikanlagen ein.
Für unsere Handwerker haben wir mit der GreenLine Pakete geschnürt, mit denen der SHK-Handwerker in der Beratung einen großen Mehrwert für den Endkunden bringt, indem er diese Pakete erklärt, offeriert und auch die Auswirkungen erläutert, die bezüglich Nachhaltigkeit durch entsprechende Entscheidungen des Kunden entstehen. Und im Lieferverkehr optimieren wir sehr stark die Logistikprozesse. Unsere Disponenten machen das täglich, um dafür zu sorgen, dass wir durch möglichst wenig gefahrene Kilometer unsere Warenströme abbilden. Das hat auch eine entsprechende Auswirkung auf unsere CO2-Bilanz, auch wenn wir hier noch am Anfang stehen. Man kann auch in der gesamten Branche kritisch die Frage stellen, ob eine zweite oder eine dritte Anlieferung an einem Tag unbedingt notwendig ist.
SBZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Info
Die Unternehmensgruppe Pietsch
Die Pietsch-Gruppe besteht aus einem Unternehmensverbund aus acht Firmen, die gleiche und unterschiedliche Kompetenzbereiche haben. Die Kurt Pietsch GmbH & Co. KG, die Pietsch Haustechnik GmbH, die Elspermann Großhandels GmbH & Co. KG, die Mülheimer Handel Haustechnik GmbH & Co. KG, die Handelspart Armaturen GmbH, die thiele & fendel Bremen GmbH & Co. KG und die thiele & fendel Hamburg GmbH & Co. KG bedienen das klassische SHK-Geschäft und stehen ihren Kunden in unterschiedlichen Gebieten täglich als Partner zur Seite. Die Logistik4You GmbH & Co. KG ist für alle logistischen Prozesse und Anliegen der Unternehmensgruppe Pietsch verantwortlich. Sie sorgt für einen reibungslosen Ablauf bei der täglichen Belieferung der Kunden. Die B&C Industrietechnik GmbH & Co. KG setzt ihren Fokus auf die Industriekunden der Pietsch-Gruppe und bietet maßgeschneiderte Lösungen für die Industrietechnik.