Zunehmender Wettbewerb, ständige Kommunikation, Informationsüberfluss und Innovationsdruck sind Zeichen der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung hin zur modernen Leistungsgesellschaft. Aus dem demografischen Blickwinkel werden aktuelle Herausforderungen von Schlagworten wie Fachkräftemangel, alternde Belegschaft und Demografie-Tarifverträge charakterisiert. Im nächsten Jahrzehnt steigt ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung in das Rentenalter ein. Der Anteil qualifizierter Führungskräfte ist rückläufig – bereits heute ist jede dritte Führungskraft älter als 50 Jahre.
Eine Investition in Programme zur Förderung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit eigener Mitarbeiter gewinnt als effiziente Strategie zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit an Bedeutung. Doch daneben steht die Frage nach dem Wie. Vor dem Hintergrund der Anforderungen der Wohlstandsgesellschaft wird die Steuerung des Zusammenhangs zwischen menschlichem Gesundheitsverhalten und der Produktivität zum zentralen Managementthema im 21. Jahrhundert.
Aktueller Forschungsstand liefert neue Investitionsgründe
Aus finanzieller Unternehmensperspektive stellt sich primär die Frage: Welchen Nutzen bringt die Investition in die Gesundheit der Mitarbeiter? Maßgeblich sind folgende Punkte:
- Das Vorhandensein verhaltensbedingter Risikofaktoren bei Mitarbeitern ist mit erhöhten Kosten für das Unternehmen verbunden
- Verhaltensbedingte Risikofaktoren lassen sich durch Gesundheitsmanagementprogramme sowohl reduzieren als auch vorbeugen
- Investition in Gesundheitsförderung spart Unternehmen Kosten und steigert deren Produktivität
- Altersbedingter Rückgang der Leistungsfähigkeit lässt sich durch Lebensstiloptimierung stark verlangsamen.
Gesundheitsrisiken schmälern das Produktivitätspotenzial
Aus der Analyse von zwölf aktuellen Studien und Metaanalysen zum Zusammenhang des gesundheitsförderlichen Lebensstils und der Produktivität in Unternehmen ergibt sich ein klares Bild. Nämlich:
- Der durchschnittliche Produktivitätsverlust pro Gesundheitsrisiko beträgt zwischen 2,4 und 10 %
- Bei durchschnittlich 2,6 Risikofaktoren pro Mitarbeiter ergibt sich (je nach Durchschnittsgehalt) ein jährlicher Produktivitätsverlust von rund 5500 Euro, aufgrund von Fehlzeiten und dem Er-scheinen am Arbeitsplatz trotz Krankheit
- Das Kosten-Nutzen-Verhältnis für Interventionsmaßnahmen liegt zwischen 1 zu 3,27 und 1 zu 5,56.
Das Abbauen und Vorbeugen von Risikofaktoren erzeugt demnach gesteigertes Produktivitätspotenzial für Unternehmen.
Vermeidbare Gesundheitsgefahren
Verhaltensbedingte Risikofaktoren bilden aktuell die fünf häufigsten Gesundheitsrisiken deutscher Arbeitnehmer:
- Hoher Blutdruck
- Rauchen
- Hoher Body-Mass-Index
- Hohe Blutzuckerwerte
- Hohe Blutfettwerte.
Neben den Risikofaktoren lassen sich auch Krankheiten, funktionale Einschränkungen und erhöhtes Sterblichkeitsrisiko durch einen gesunden Lebensstil vorbeugen. Das Risiko des Auftretens von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselkrankheiten, insbesondere Schlaganfall, Bluthochdruck und Diabetes, sowie einigen Krebsarten und Osteoporose wird reduziert.
Nach den Ergebnissen einer Erhebung des Robert-Koch-Insituts zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland trifft ein hoher Bedarf an Gesundheitsförderung auf mangelhafte Umsetzung: Die Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zur körperlichen Aktivität werden lediglich von rund 25 % erfüllt. Übergewichtig sind 53 % der Frauen und 67 % der Männer. Weitere 30 % rauchen.
Effektives Gesundheitsmanagement
Die nachhaltige Steuerung des Gesundheitsverhaltens der Arbeitnehmer mit verfügbaren Mitteln und Kontrollmechanismen stellt Arbeitgeber vor eine komplexe Aufgabe. Es gilt, die Produktivität zu steigern und zugleich das Engagement, die Arbeitsbeziehungen und die Mitarbeiterzufriedenheit kontinuierlich auf hohem Niveau zu halten.
Neuere Definitionen der Gesundheit nennen die Anpassungsfähigkeit an Veränderung als Schlüssel der Gesundheitsförderung. Demnach sollte jede Führungskraft und jeder Mitarbeiter Gesundheit für sich selbst als positiven Wert und erstrebenswertes Ziel betrachten und ihr Verhalten daran ausrichten.
Erfolgsfaktoren, die beispielhaft gelebt werden
Einer der führenden amerikanischen Experten im betrieblichen Gesundheitsmanagement BGM identifiziert in einer aktuellen Studie gemeinsame Merkmale von Erfolgsstrategien:
1. Gesundheitskultur
Unternehmen haben durch ihr soziales System einen spezifischen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Betriebserfolg. Der Anteil gemeinsamer Überzeugungen, Werte und Regeln sollte möglichst hoch sein. Ziel ist es, Gesundheit in den Grundwerten des Unternehmens zu verankern. Demnach wird Gesundheitsmanagement ein Bestandteil der Unternehmensstrategie, fließt in Entscheidungen ein, spielt eine Rolle in täglichen Operationen und bekommt eigene Ressourcen. Gesundheit ist für die Mitarbeiter permanent spürbar. Eine entsprechende Arbeitsumgebung stimuliert dauerhaft gesundheitsförderliches Verhalten und fördert die Bildung entsprechender Gewohnheiten.
2. Führungskräfte sind aktive Vorbilder
Führungskräfte leben aktiv ein gesundheitsförderliches Verhalten vor und repräsentieren eine gesunde Firmenkultur. Ihre Vorbildfunktion ist eine der tragenden Säulen des Erfolgs. Sie demonstrieren Eigenverantwortung, indem sie sich eigene Gesundheitsziele setzen und diese öffentlich kommunizieren. Das Unterstützen der Mitarbeiter beim Managen ihrer persönlichen Gesundheitsstrategien ist Bestandteil des Arbeitsalltags. Durch stimmiges Verhalten, Empathie und Engagement sowie Unterstützung und Wertschätzung werden Grundprinzipien geschaffen, die von allen gelebt werden.
3. Transparente Kommunikation
Eine tägliche aktive und positive Konfrontation mit dem Thema Gesundheit ist das Kommunikationsziel. Darüber hinaus ist wieder die Rolle der direkten Führungskraft entscheidend. Persönliche Nachrichten von zumindest bekannten Vorgesetzten werden als bedeutender wahrgenommen. Direktes Feedback sowie gemeinsames Feiern von Erfolgen und Teilen im Team bildet Vertrauen. Strategische Kommunikationstechniken optimieren das Erfassen der Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeiter. Sie bauen auf Verhaltensänderungsmodellen auf und können individuelle Motive erfassen.
4. Effektive Standortbestimmung
Um zielgerichtet und maßgeschneidert Gesundheitsförderungsstrategien entwickeln zu können, empfiehlt es sich, vorab eine umfassende Standortbestimmung durchzuführen. Dieses erfasst den aktuellen Lebensstil, analysiert Anforderungen des Arbeits- und Freizeitalltags und erfragt persönliche Ziele. Anschließend lassen sich spezifische und passende Maßnahmen entwickeln. Umso durchdachter diese formuliert sind, desto wahrscheinlicher ist die nachhaltige Umsetzung, da alle beeinflussenden Faktoren bereits eingerechnet wurden.
5. Maßnahmen nach aktuellen Methoden ergreifen
Der Einsatz theoriegeleiteter Konzepte und Modelle zur Verhaltensänderung verspricht Erfolg bei der Umsetzung im Unternehmensalltag. Um Verhalten steuern zu können, ist zunächst Gesundheitskompetenz erforderlich. Darüber hinaus muss eine Person gewillt sein, Wissen aktiv anzuwenden, also beständig gesundheitsförderliche Optionen im Alltag zu verfolgen.
Das Aufbauen einer neuen Gewohnheit und so auch der Aufbau eines gesundheitsförderlichen Lebensstils geschieht unter ständigem, teilweise unterbewusstem Abwägen von Vor- und Nachteilen. Deshalb sind niedrige Einstiegs- und Umsetzungsschwellen für die Integration in den beruflichen und privaten Alltag Erfolg fördernd. Lässt sich auch das soziale Umfeld mit einbeziehen, sind wichtige Barrieren überwunden.
6. Messungen und Evaluierung
Da die Gesundheit sich erschwert von harten Kennzahlen bemessen lässt, ist der Einsatz von Hilfen zur Bestimmung erforderlich. Ziele und Strategien der Mitarbeiter lassen sich zum Beispiel schriftlich besser festhalten und der Zielerreichungsgrad leichter erkennen.
Auch der subjektiv erlebte Gesundheitszustand ist wichtig für die Leistungsfähigkeit. In den USA zum Beispiel setzen Unternehmen methodisch hochwertige Fragebögen ein, um die gesundheitlichen Risiken der Mitarbeiter regelmäßig zu erheben, die damit verbundene wahrgenommene Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit abzufragen und anschließend bedarfsgeleitete Folgemaßnahmen abzuleiten.
Gesundheitsmanagement steigert den Vermögenswert
In einer groß angelegten Studie aus dem Jahr 2016 wurde der Einfluss von Gesundheitsmanagement auf die Wertentwicklung von Unternehmensaktien untersucht. Zugegeben, das Beispiel ist jetzt ein Stück weit weg vom Handwerk, aber Unternehmen, die eine hohe Aktivität aufwiesen, hatten immer langfristig in den Aufbau eines strategischen Gesundheitsmanagements investiert.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Gesundheitsmanagement viele Potenziale birgt – für den Einzelnen und das Unternehmen. Es steigert das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, kann die Unternehmenskultur positiv beeinflussen. So führt es insgesamt zu steigender Unternehmensproduktivität und Unternehmenswertentwicklung.
SBZ TIPP
So bleiben Mitarbeiter leistungsfähig
Mehr Informationen zum Thema betriebliches Gesundheitsmanagement BGM für Mitarbeiter im Fachhandwerk bietet der 3. Präventionskongress „BGM Praxiscamp“ am Donnerstag, 18. Mai, und Freitag, 19. Mai, in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Die Autorin dieses Beitrags spricht dort zum Thema „Mit persönlich betriebenem Gesundheitsmanagement die Produktivität nachhaltig steigern“. Das zweitägige Programm beinhaltet außerdem weiterführende Punkte zu:
- Ohne Mehrkosten besser schützen – praxisgerechter Arbeitsschutz im Handwerk
- Sicher und gesund mit System: Konzept des INQA-Projektes NOAH.in und Vorgehensweise für Fachhandwerksbetriebe
- Erfahrungen aus der Praxis – Joachim Kreuz, Bad & Heizung Kreuz GmbH, Gewinner Deutscher Arbeitsschutzpreis 2011
- Psychische Gesundheit
- Was muss der Unternehmer tun?
- Die Rolle der Krankenkassen in der betrieblichen Prävention.
Die Veranstaltung wird von der SBZ empfohlen. Weitere Informationen zum Programm und zum Ablauf unter
Autor
Tamara Ruhberg ist Expertin für betriebliches Gesundheitsmanagement und betriebliche Gesundheitsförderung (Master of Arts in Prävention und Gesundheitsmanagement). t.ruhberg@live.de