Termine, Zeitdruck, ständig neue Aufgaben und noch mehr Überstunden! Und das mal wieder, weil ein Kollege das Handtuch geworfen hat. Nicht nur für das Team, auch für Chefs ist das ein Ärgernis. Gerade für kleine Handwerksunternehmen und Familienbetriebe sind Kündigungen kritisch, da der (hoffentlich nur vorübergehende) Personalengpass nicht so einfach aufzufangen ist.
Bis ein Nachfolger gefunden ist, müssen die Kollegen für den Ausgeschiedenen einspringen und sind dadurch einer deutlichen Mehrbelastung ausgesetzt. Zudem erfährt das Gefüge im Team mitsamt den menschlichen Beziehungen einen Bruch, was weitere Kündigungen nach sich ziehen und den Personalengpass weiter verschärfen kann (Fluktuation fördert Fluktuation).
Eventuell vermissen Stammkunden den ausgeschiedenen Mitarbeiter und fragen sich, warum er wohl die Firma verlassen hat. Hat dieser aus Unzufriedenheit gekündigt, ist zu befürchten, dass er in seinem Umfeld negativ über seinen ehemaligen Arbeitgeber spricht. Und nicht zuletzt kostet die Suche nach dem geeigneten Nachfolger Zeit und Geld.
Keiner kündigt von heute auf morgen
Genauso wie ein Gewitter nur selten aus heiterem Himmel kommt, sondern erkennbar für alle heraufzieht, die das Wetter beobachten, bahnt sich auch der Entschluss eines Mitarbeiters, zu kündigen, langfristig an. In der Regel beruht die Entscheidung auf reiflichen Überlegungen, zumal man üblicherweise erst dann kündigt, wenn man eine andere Stelle fest in Aussicht hat. Häufig sendet der betreffende Mitarbeiter schon lange vorher Signale seiner Unzufriedenheit.
Daher ist es wichtig, dass der Chef solche Warnzeichen wahrnimmt und explizit oder implizit geäußerte Unzufriedenheit nicht ignoriert. Kritische Äußerungen sollte er ernst nehmen, damit der Gedanke an einen Arbeitsplatzwechsel erst gar nicht aufkommt. Wer ein offenes Ohr für seine Leute hat und sich mit ihren Anliegen befasst, dem wird nicht entgehen, wenn sie unzufrieden sind.
Auf Unmut einzelner Mitarbeiter oder ungute Stimmung im Team müssen Führungskräfte schnell und spürbar reagieren, um bestehende Arbeitsverhältnisse zu erhalten. Das heißt auch, dass sie als fluktuationsgefährdet erkannte Mitarbeiter direkt ansprechen, um die Motive zu erfahren und Lösungen zu finden.
Was Mitarbeiter zum Weggang treibt
Die Motive für die Kündigung eines Arbeitnehmers können ganz unterschiedlicher Natur sein: Grundsätzlich ist zwischen persönlichen und arbeitsrelevanten Gründen zu unterscheiden. Heirat oder Wohnungswechsel sind persönliche Motive und liegen nicht in der Hand des Arbeitgebers.
Betriebliche Faktoren wie Arbeitsbedingungen, Zusammenhalt im Team oder auch Mobbing, Gehalt, Führungsqualität oder Betriebsklima dagegen sind beeinflussbar. Hat der Chef ein Auge auf die Stimmung in seinem Team, erkennt er, wenn die Situation kritisch wird, und kann einschreiten.
Wenn aber die Kündigung auf dem Tisch liegt, ist es meist zu spät. Denn wer eine neue Stelle in Aussicht hat, ist meist nicht mehr bereit, seinen Entschluss rückgängig zu machen. Betriebliche Kündigungsgründe sind sehr vielfältig:
- Unzufriedenheit mit dem Gehalt
- mangelnde Entwicklungschancen
- ungerechte Aufgabenverteilung
- Unzufriedenheit mit der Führung
- ständiger Termindruck, Stress und Hektik
- unflexible Arbeitszeiten und Überstunden
- Überforderung oder Unterforderung
- zu wenig Raum für selbstständige Arbeit
- schlechtes Betriebsklima
- Probleme mit Kollegen
- veralteter Betrieb oder schwierige wirtschaftliche Situation des Betriebs
- Stellenangebot einer anderen Firma.
Was Mitarbeiter hält
Mitarbeiter verhalten sich wie Kunden: Sind sie zufrieden, bleiben sie loyal. Je höher die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz, desto geringer ist demnach die Fluktuationsgefahr – logisch. Dabei haben kleine und mittelständische Handwerksbetriebe keinesfalls schlechte Karten. Wer eine sogenannte Arbeitgebermarke (Employer Branding), also ein positives Firmenimage, aufgebaut hat, bindet seine Angestellten, weil sie sich mit der Firma identifizieren.
Neben einem modernen Arbeitsplatz mit zeitgemäßer Ausstattung wünschen sich Mitarbeiter vor allem eine gute Arbeitsatmosphäre und ein Team, in dem sie sich wohlfühlen und ihre Leistung anerkannt wird. Weitere Faktoren sind zeitgemäße Führung, flache Hierarchien, interessante Aufgaben und Gestaltungsfreiheit. Angestellte schätzen es sehr, wenn sie bei der Arbeitseinteilung mitreden dürfen.
Zu den wesentlichen Bindungsfaktoren gehören außerdem Aspekte wie Work-Life-Balance, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Fühlt sich der Einzelne an das Unternehmen gebunden, wirkt dies gruppendynamisch und strahlt auf das gesamte Team aus. Bei erstklassiger Betriebsatmosphäre wird nicht gleich gekündigt, nur weil es bei einer anderen Firma etwas mehr Geld gibt. Ein ausgeprägtes Wir-Gefühl ist ein hoher emotionaler Anreiz, dem Unternehmen treu zu bleiben, sodass das Thema Gehalt aus dem Fokus der Überlegungen rückt.
Die Ursachen erkennen und vorbeugen
Geschieht es oft, dass Mitarbeiter kündigen, ist dringend Selbstreflexion angesagt: Was sind die Ursachen der Fluktuation? Wie können wir vorbeugen? Welche Maßnahmen sind schnell umsetzbar? Im konkreten Fall kann dies bedeuten, dem Ausscheidenden ein Angebot zu machen, das ihn gegebenenfalls noch umstimmt.
Allerdings sollte kein Chef sich erpressen lassen und auf überzogene Forderungen eingehen. Denn dies funktioniert nur kurzfristig. Ist ein Mitarbeiter sicher, dass er gehen will, und legt seine Gründe dafür überzeugend dar, lässt man ihn ziehen. Wer allzu großzügige Zugeständnisse macht, um ihn zu halten, verliert an Autorität und riskiert, sich ausnutzen zu lassen. Denn wenn die Kollegen davon erfahren, werden sie auf Gleichbehandlung pochen.
Nur die Besten auswählen – trotz Fachkräftemangel
Chefs können schon früh gegensteuern: Größere Sorgfalt bei der Einstellung kann die Fluktuationsgefahr senken. Trotz Fachkräftemangel ist es nicht sinnvoll, jeden x-Beliebigen einzustellen. Versprechungen zu machen, um einen Bewerber zu überzeugen, ist riskant. Werden Erwartungen enttäuscht, steht die Kündigung ins Haus. Vor allem jüngere Mitarbeiter tun sich damit leichter als ältere, weil sie am Arbeitsmarkt größere Chancen haben oder ein Stellenwechsel für ihre Karriere nützlich ist.
Bei neu eingestellten Mitarbeitern ist das Fluktuationsrisiko besonders hoch, da sie sich dem Betrieb noch nicht verbunden fühlen, noch keine engeren persönlichen Beziehungen aufgebaut oder sich noch nicht vollständig ins Team eingefunden haben. Kritisch ist, wenn das Team den Neuen ablehnt oder es Eingliederungsschwierigkeiten gibt. Oft genannte Kündigungsgründe nach Neueinstellungen sind Unterforderung bzw. Überforderung oder nicht eingehaltene Zusagen, die im Einstellungsgespräch gemacht wurden. Typische Begründungen sind etwa: „Ich fühle mich unwichtig“, „Das Betriebsklima habe ich mir anders vorgestellt“, „Ich bin den Aufgaben doch nicht gewachsen“, „Ich habe mir die Zusammenarbeit anders vorgestellt“.
Wenn es zu spät ist: im Guten auseinandergehen
Hat ein Mitarbeiter gekündigt, ist das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet. Der Chef darf sich über die Kündigung enttäuscht zeigen, nicht aber ärgerlich reagieren. Manche Vorgesetzte empfinden die Kündigung als persönliche Kränkung und verhalten sich bis zum letzten Arbeitstag frostig zum Betreffenden.
Bei der Verabschiedung sollte man sich die Hand reichen, um sich mit gutem Gefühl zu trennen. Eine gute Trennung hat intern wie extern einen positiven Effekt auf die verbleibenden Kollegen und das Image, das der Gekündigte nach außen trägt. Die Arbeitskollegen fragen sich: Wie wird es mir gehen, wenn ich irgendwann kündige? Werde ich dann auch so unfair behandelt?
Es kommt vor, dass nach dem Weggang arbeitsbezogene Fragen aufkommen, die nur der ausgeschiedene Kollege beantworten kann. Ist der Abschied positiv verlaufen, wird er sich kooperativ verhalten. Daher sollten Führungskräfte beim Trennungsprozess bewusst darauf achten, dass das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters bis zum letzten Arbeitstag erhalten bleibt. Dann kann es sogar sein, dass sich ehemalige Mitarbeiter erneut bewerben und zurückkehren, weil sich die Bedingungen im Betrieb geändert haben und für sie wieder attraktiv geworden sind.
tipp
Die Top-Bindungsfaktoren
Diese Arbeitsbedingungen halten neben einem angemessenen Gehalt die Mitarbeiter in der Firma:
- gutes Betriebsklima, Wir-Gefühl
- moderer Arbeitsplatz mit zeitgemäßer Ausstattung
- flache Hierarchien
- interessante Aufgaben
- Gestaltungsfreiheit und Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungen
- Work-Life-Balance
- flexible Arbeitszeiten.
Autor
Rolf Leicher ist Dipl.-Betriebswirt, Fachautor und Referent. Er lebt in Heidelberg. Telefon (0 62 21) 80 48 82, Rolf.Leicher@T-Online.de