Marl ist eine Stadt im nördlichen Ruhrgebiet mit 85 000 Einwohnern. 2009 wurden die kommunalen Betriebe mehrerer Standorte in einem zentralen Betriebshof zusammengefasst. Auf dem Gelände einer ehemaligen Zeche mit 36 000 m² sind Wertstoffhof, städtischer Winterdienst, Müllabfuhr, Straßenreinigung, Straßenmeisterei und diverse Werkstätten untergebracht. Mittlerweile arbeiten hier 250 Mitarbeiter. Regelmäßig müssen Kehrmaschinen und andere Fahrzeuge sowie Behältnisse gereinigt und befüllt werden. Dafür Trinkwasser zu nehmen, wäre nach Auffassung der Verantwortlichen der Stadt Marl als Bauherren ein Frevel. Deshalb gaben sie die Regenwassernutzung in Auftrag.
Regenwasser – zu schade für den Abfluss
Sammelfläche für den Niederschlag ist das über dem Innenhof frei stehende Dach mit einer Größe von ca. 1500 m². Die Abläufe sind beheizt, sodass auch im Winter Schnee und Eis zu nutzbarem Wasser werden. Der unterirdische Speicher fasst 78 m³ und besteht aus vier Behältern, die als kommunizierende Gefäße untereinander verbunden sind. Von dort fördern große Unterwasser- bzw. Zubringerpumpen das schon im Speicherzulauf gefilterte Regenwasser automatisch in einen 200 l fassenden Kunststofftank im Gebäude. Kleinere, trocken aufgestellte Kreiselpumpen bewegen das Betriebswasser später weiter an die Verbrauchsstellen, unterstützt durch ein Druckausgleichsgefäß mit 100 l Volumen.
Dieses Entnahme- und Verteilsystem ist als komplett ausgestattete Regenwasserzentrale vorgefertigt und besteht aus elektronischer Steuerung, Doppelpumpendruckerhöhung, integriertem Vorlagebehälter und Zubringerpumpen. Die Steuerung funktioniert über Drucksensoren, deren Ein- und Ausschaltpunkte vor Ort projektspezifisch eingegeben werden.
Bedarfsorientierte Trinkwassernachspeisung
Die beiden Kreiselpumpen sitzen unter dem Kunststofftank bzw. Vorlagebehälter, erhalten so das Wasser stromsparend im Zulauf von oben. Sie laufen wechselseitig und bei Spitzenbedarf kaskadenartig. Diese Pumpen verfügen außerdem über einen integrierten Trockenlaufschutz. Mit einem optischen und akustischen Signal weist die Steuerung auf Fehlfunktionen hin und reagiert darauf. Der potenzialfreie Störmelder ermöglicht eine Fernanzeige der Störung, RS 232-Schnittstellen zur externen Datenübermittlung sind vorhanden. Die Steuerung überwacht ständig die Füllstände im Regenspeicher und im Vorlagebehälter. Bei Regenwassermangel im unterirdischen Speicher oder manueller Umschaltung wird automatisch und bedarfsgerecht Trinkwasser gemäß DIN EN 1717 in die Regenwasserzentrale nachgespeist. Auch wenn es wochenlang keinen Trinkwasserbedarf gibt, wird durch die Programmierung das Magnetventil der Nachspeisung periodisch kurz geöffnet, um Stagnation in der Trinkwasserzuleitung zu vermeiden.
Info
Gesetze und Normen
Bundesweit gültige gesetzliche Grundlage: Nach dem aktuellen Wasserhaushaltsgesetz WHG 2009, gültig seit 1. März 2010, hat die ortsnahe Bewirtschaftung von Regenwasser Priorität. Ziel von Gesetzgebung und Normen ist, dass künftig im Zuge der Oberflächenentwässerung der natürliche Wasserhaushalt weitgehend erhalten wird. Das Nutzen von Regenwasser als sogenanntes Betriebswasser anstelle von Trinkwasser schont Ressourcen – spart Trinkwasser, Energie und Kosten – im Sinne von Vermeidung. Wo aber Betriebswasser nicht gebraucht wird oder seine Verwendung nicht wirtschaftlich ist, soll der Niederschlag über Gründächer verdunstet, im Untergrund versickert oder ins Oberflächengewässer abgeleitet werden.
Regelwerke, Stand Juni 2016:
- Für die Grundstückentwässerung ist DIN 1986-100 die Ausgangsnorm. Die z. Zt. aktuelle Ausgabe ist von September 2016.
- Für Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser ist DWA-A 138, Stand April 2005, die zentrale technische Regel.
- Für die versickerungsfähigen Verkehrsflächen ist FGSV M VV R2, Ausgabe 2013, maßgeblich.
- Für Regenwassernutzungsanlagen gilt DIN 1989-1 von April 2002.