Schlattmann: Rechts blinken und dann links abbiegen – das scheint sich immer mehr zur Handlungsmaxime der Berliner Politik zu entwickeln. So auch beim neuesten Schildbürgerstreich: Laut EEG-Entwurf des Bundeskabinetts sollen Betreiber von PV-Anlagen EEG-Umlagen für ihren selbst erzeugten und genutzten Strom entrichten.
Bolz: War da nicht was mit Energiewende? Egal, Hauptsache es wird Kohle abgegriffen, denn den Politdarstellern stehen die Schulden bis zum Hals. Da fallen mir Parallelen zum Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ auf. Dort wird sehr eindringlich eine Lebensdynamik beschrieben, wo der geistige Horizont des Rauschgiftsüchtigen stets nur bis zum nächsten Schuss reicht. Daraus entwickelt sich eine völlig ungehemmte Beschaffungsmentalität, die mit der Zeit nahtlos in eine Beschaffungskriminalität mündet.
Schlattmann: Ist das nicht ein wenig weit hergeholt? In unserem Fall geht es um eine Abgabe, die der Betreiber der Solaranlage für seinen selbst erzeugten und verbrauchten PV-Strom entrichten soll. Das Geld geht über den Umweg Energieversorger an andere PV-Anlagenbesitzer, die ihren Strom in das Netz einspeisen. Da bleibt es wenigstens im Kreislauf der Photovoltaikstromerzeuger.
Bolz: Abgesehen von den Steuern. Es ist abartig, die Leute erst zu Eigenstromproduktion und -verbrauch zu animieren und anschließend dafür zu bestrafen. Wenn ich heute Abend selbst gebrautes Bier trinken würde, müsste ich auch keine Strafabgabe an Brauereien zahlen. Staatliche Gängelung entwickelt sich immer mehr zur Katastrophe. So wollte die EU-Kommission letztes Jahr die Verwendung von eigenem Saatgut im privaten Garten kriminalisieren. Die Leute sollen nur noch offiziell zugelassenes und besteuertes Einheitssaatgut verwenden.
Schlattmann: Das spielt sicher in der gleichen Liga der Perversitäten und natürlich sind solche Eingriffe strikt abzulehnen. Doch obwohl das EU-Parlament diesen Vorstoß noch gekippt hat, bleibt ein schaler Nachgeschmack.
Bolz: Es geht noch besser: Im Staat Oregon wurde im Sommer 2012 ein Mann zu 30 Tagen Knast und 1500 Dollar Geldbuße verknackt, weil er Regenwasser für seinen Garten in drei „illegalen“ Behältern gesammelt hat. In Oregon gehört das Regenwasser dem Staat.
Schlattmann: Sieht man die Beispiele im Zusammenhang, dann bekommt die angekündigte Verfassungsklage von Verbraucherschützern und der Solarwirtschaft noch einen tieferen Sinn. Es geht um viel mehr als um Umweltschutz und die monetären Interessen einzelner Gruppen.
Bolz: Es gibt Entwicklungen, wo Widerstand zur Bürgerpflicht wird. Sprechen Sie, liebe SBZ-Leser, mit Ihren Abgeordneten. Sagen Sie ihnen, welcher Nonsens hier läuft. Und unterstützen Sie so das Aufbegehren des Bundesverbandes für Solarwirtschaft und der Verbraucherverbände via Klage beim Bundesverfassungsgericht. Schließlich sollte man sich nicht alles gefallen lassen, oder?