Getreu dem Werbeslogan „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ überraschte die Landesregierung von Baden-Württemberg nicht nur die Bundesregierung: Am 10. Juli legten die Schwaben als erstes Land den Entwurf eines Wärmegesetzes vor. Ziel soll es sein, im Interesse des Klimaschutzes eine anteilige Nutzung erneuerbarer Wärmeenergie bei Wohngebäuden als Standard verbindlich einzuführen. Vorgesehen ist ab dem 1.4.2008 ein Pflichtanteil für erneuerbare Energien von mind. 20 % des jährlichen Wärmebedarfs von Neubauten. Bei Bestandsgebäuden soll ein Pflichtanteil von mind. 10 % ab dem 1.1.2010 gelten – vorausgesetzt, dass die Heizungsanlage ausgetauscht wird.
Mit Blick auf die Chancen für die SHK-Branche, können wir uns über den Vorstoß freuen. Leider enthält der Gesetzentwurf aber einige grobe Ungereimtheiten (siehe S. 12).
Warum eine solarthermische Anlage gerade eine Größe von 0,04 m2 Kollektorfläche pro m2 Wohnfläche haben muss, bleibt ein Mysterium. Und ob damit die Pflichtanteile von 20 % bzw. 10 % für erneuerbare Energien in der Praxis erreicht oder vielleicht sogar überschritten werden, lässt sich nicht vorhersagen. Denn dies ist abhängig von Faktoren wie der Lage des Gebäudes, vom Wärmebedarf und von der Art und Leistungsfähigkeit der Kollektoren. Unklar bleibt übrigens auch, warum die Wärmepumpe nur in Ein- und Zweifamilienhäusern eingesetzt werden darf.
Größtes Problem ist jedoch, dass die Pflicht zum Einsatz von erneuerbare Energien ausgehebelt werden könnte. Denn das Gesetz sieht auch eine sogenannte „ersatzweise Erfüllung“ vor. Diese gilt z. B. für Neubauten, die die Anforderungen der EnEV um mindestens 30 % unterschreiten. Da die EnEV aber nicht mehr Stand der Technik ist und zudem großen Rechenspielraum bietet, könnte die Ausnahme bald zur Regel werden.
Unklar ist, ob das Gesetz in dieser Form in Baden-Württemberg überhaupt in Kraft treten wird. Denn die Bundesregierung diskutiert schon seit längerer Zeit über Modelle für ein bundesweit einheitliches Wärmegesetz. Am 23./24.8. bei der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg könnte es nun endlich konkret werden. Denn auf der Tagesordnung steht das Energie- und Klimaprogramm, das alle umweltrelevanten Gesetze und Förderprogramme zusammenfasst. Laut Zeitplan soll der Gesamtentwurf noch im Dezember 2007 vom Kabinett beschlossen werden.
Geplant ist hierbei eine Verschärfung der energetischen Anforderungen der EnEV um ca. 30 % ab 2008. Außerdem will man mit dem neuen Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz den Anteil der Erneuerbaren am Wärmeverbrauch von derzeit ca. 6 % auf 14 % im Jahr 2020 erhöhen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum Baden-Württemberg mit seinem Wärmegesetz vorgeprescht ist. Steckt Parteipolitik dahinter? Will man sich als Bundesland profilieren? Interessant ist, dass zwei Tage nach der Ankündigung die Bundeskanzlerin, anlässlich des 20. Jubiläums des Umweltministeriums, in Stuttgart war und das Wärmegesetz aus dem Ländle ausdrücklich gelobt hat.
Umweltministerin Tanja Gönner soll auf die Frage, warum sie das geplante Bundesgesetz nicht abwarte, geäußert haben, dass in Baden-Württemberg, anders als im Berliner Umweltministerium, der Grundsatz gelte „Schaffe und nicht so viel schwätze.“ – Dem kann man sich anschließen. Allerdings kommt es bei einem so wichtigen Gesetzentwurf nicht nur auf die Geschwindigkeit an, sondern auch auf sorgfältiges und kompetentes Arbeiten. Dass die Politiker dies künftig besser beherzigen wünscht
Jürgen Wendnagel
SBZ-Redakteur