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Handwerkerleid

Der ganz normale tägliche Wahnsinn

Inhalt

Als Betrieb mit zwei Gesellen aus der Nähe von Hamburg legen wir seit über 15 Jahren unseren Schwerpunkt auf Heizungsinstallation und Bädersanierung in Ein- bis Zweifamilienhäusern. Ab und an vorkommende Reklamationen wie etwa die gesprungene Fliese, der Riss im Waschtisch oder zu hohe bzw. zu niedrige Heizleistung von Heizungsanlagen gehören zum Alltag einer Sanitär- und Heizungsfirma und werden ohne Aufwand beseitigt. Im Gegensatz dazu gibt es dann noch die Reklamationen, die wir als Handwerksbetrieb nicht prüfen können:

  • defekte Heizungspumpen
  • nicht schließende Heizkörperventile
  • nicht funktionierende Funkregelungen
  • defekte elektronische Regelungen
  • elektrisches Versagen von Hebepumpen usw.

Hier handelt es sich immer um Material, welches bei Einbau vom Monteur vor Ort nicht geprüft werden kann. Ist ein solches Teil defekt, reklamiert der Kunde – natürlich innerhalb der Gewährleistung von zwei bzw. fünf Jahren nach Einbau –, was soweit auch in Ordnung ist. Daraufhin folgt der Anruf beim Großhändler (dreistufiger Verkaufsweg!). Dieser schickt, wenn auch zögerlich, das entsprechende Austauschteil – natürlich gegen Berechnung. Wir schicken dann den Monteur zum Austausch des defekten Teils zum Kunden. Es fallen also erneut Kosten für Verwaltung, Montage und Kleinmaterial an. Andere, gewinnbringende Arbeiten müssen aufgeschoben werden.

Und nun beginnt der eigentliche Wahnsinn: Das von uns zur Abholung durch den Großhändler bereitgestellte defekte Material wird mit viel Glück innerhalb von zwei bis vier Wochen bei uns abgeholt. Laut Großhändler wird dieses und anderes defektes Material zunächst einmal gesammelt und dann aus Gründen der Kostenminimierung seitens des Großhändlers (unser Vertragspartner!) irgendwann einmal, wenn die Frachtkosten angemessen sind, an den Hersteller geschickt. So können schon mal zwei bis vier Monate ins Land gehen. Nachfragen beim Großhändler sind natürlich sinnlos, weil die pauschale Antwort immer lautet: „Wir haben das Material eingeschickt, die Antwort des Herstellers steht noch aus.“ Ob dem tatsächlich so ist, ist nicht nachweisbar. Kommt dann tatsächlich nach Monaten endlich eine Antwort, besteht diese natürlich aus der Ablehnung der Reklamation. Ablehnungsgründe sind beispielsweise:

  • In die Kondensatpumpe ist Warmwasser gelaufen und die Pumpe ist verschmutzt.
  • Heizungspumpe ist defekt, weil Schmutz eingedrungen ist.
  • O-Ring ist beschädigt, weil nicht entgratet bzw. mikrofeine Metallspäne wurden gefunden.
  • Bei der Funkregelung haben Regler und Basisstation nicht die gleiche Frequenz (wurden aber zusammen beim Großhändler gekauft!).

Hier wurde Ersatz entsprechend der Erstlieferung (Basisstation und sechs Funkregler) zugesagt, erhalten haben wir aber nur die Basisstation und fünf Funkregler. Einen Tag nach dem Einbau steht einer der neuen Funkregler erneut auf Störung. Jetzt geht der Wahnsinn weiter: Wir erhalten mal wieder ein Austauschteil und schreiben die Rechnung über den Austausch. Den Zahlungseingang zu unserer Rechnung dürfen wir aber getrost ad acta legen, denn lt. Großhändler muss die Reklamation ja erst einmal anerkannt werden und dies ist in etwa so wahrscheinlich wie Schnee in der Sahara. Bestenfalls erhalten wir bei zehn Reklamationen in der Hälfte der Fälle innerhalb von sechs bis 15 Monaten das Material aus Kulanz (!) gutgeschrieben. Auf unseren sonstigen Kosten (Montage, Verwaltung etc.) bleiben wir sitzen, vom Gewinnausfall ganz zu schweigen. Der Großhändler aber besteht selbstverständlich auf Ausgleich seiner Rechnung innerhalb von 30 Tagen!

Und hier unser absoluter Favorit der Ablehnungsgründe: Vor 15 Monaten kauften wir eine Pumpe, montierten sie und mussten sie nach 15 Monaten Laufzeit reklamieren. Ablauf wie vorher beschrieben (Abholung, Prüfung etc. – natürlich wieder im erwähnten Zeitrahmen) und dann, wie solls auch anders sein, Ablehnung mit der Begründung, die Pumpe sei bereits sechs Jahre alt! Seltsam nur, dass vor sechs Jahren noch gar keine Geschäftsbeziehung zum Hersteller bestand und wir diese Pumpe erst seit ca. drei Jahren einbauen. Ein Schelm, wer nun Böses denkt und anzweifelt, ob tatsächlich die von uns reklamierte Pumpe eingeschickt wurde . . .

Wunderbar, dass die Industrie fünf Jahre Garantie auf ihre Produkte gibt. Die Kosten dafür trägt aber der dumme Handwerker. Im Schnitt kostet uns jede Reklamation rund 750 Euro! Und als Krönung des Ganzen lassen wir uns als Handwerke auch noch vor den Karren der Industrie spannen, indem wir die Produkte bewerben und dem Endkunden verkaufen. Mit unseren Einkaufspreisen, die natürlich weit über den Herstellungskosten liegen, bezahlen wir die Garantie, die in den meisten Fällen auch noch abgelehnt wird, mit. Somit verdient die Industrie doppelt! Wen wundert es da, dass die Bürokomplexe der Hersteller eher wie Luxusresorts denn wie Bürogebäude anmuten, denn hoher Gewinn muss ja zwecks Steuerminimierung investiert werden!?

Werbegeschenke bzw. Promotionunterstützung wurden seitens der Industrie aus Kostengründen abgeschafft, regelmäßige Preiserhöhungen erfolgen dennoch pünktlich. Unterstützend steht der Industrie selbst der Gesetzgeber zur Seite. Der Großhändler ist zwar, je nach Beweislage, verpflichtet, das defekte Material zu ersetzen, die Kosten für die Reklamationsverwaltung und den Austausch dürfen jedoch wir Handwerker tragen.

Liebe Kollegen, unser Tipp: Macht eigene, entsprechende Verträge mit ausgesuchten Großhändlern, die sicherstellen, dass alle berechtigten Kosten unbürokratisch und kurzfristig übernommen werden. Hört auf, die Industrie mit eurem Gewährleistungsversprechen zu unterstützen, es ist schade um die Zeit und das Geld. Wenn ihr versucht die Industrie zu erreichen, bleibt Euch nur ein schmales Zeitfenster von 8.00 bis 12.00 und 14.00 bis 16.00 Uhr und freitags nach 12.00 schon gar nicht mehr – Zeiten also, in denen wir Handwerker uns normalerweise auf der Baustelle bzw. beim Kunden befinden! Wem das noch nicht reicht, der kann ja einmal versuchen über die Handwerkermarke Kontakt aufzunehmen – hier seid ihr dann endgültig im Zentrum der Bürokratie gelandet!

Hein Schnauzevoll

Region Hamburg

Anmerkung der Redaktion:

Name und Adresse sind der Redaktion bekannt. Der Kollege wollte aber aus Angst vor Repressalien nicht namentlich genannt werden. Wie haben Sie Reklamationsfälle geregelt? Schreiben Sie an die SBZ, wie die Prozesse geändert werden können bzw. sollen.

Mitwirken

Und Ihre Erfahrungen?

Wie denken Sie über die Garantieabwicklung? Was mussten Sie bereits erleben? Oder haben Sie eine Idee, wie man die Situation entschärfen kann? Schreiben Sie uns!

Thema Bilder: Leider können wir eingeschickte Bilder oft nicht veröffentlichen, weil die Datenmenge für den Druck viel zu gering ist. Wir benötigen dafür Fotos im jpg-Format mit mindestens 500 KB oder besser über 1 MB. Also bitte mit hoher Auflösung fotografieren und in Originalgröße mit einer kurzen Erklärung mailen an:

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