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Lesermeinung

Offener Brief an Greta

Inhalt

Hat Greta das im Raum stehende Verbot für Ölheizungen im geplanten Klimaschutzpaket verursacht? Sind Verbote überhaupt eine Lösung, um dem Klimawandel wirksam entgegenzutreten, oder sollten mehr Kompromisse und Gemeinsamkeiten gesucht werden? Dieser Leser hat sich dazu Gedanken gemacht und einen offenen Brief an Greta und die Allianz der internationalen Klimabewegung verfasst (Symbolbild unten). Er findet, die Entwicklung der vergangenen Monate verläuft nicht ganz so ­rosig, vor allem nicht mit Bezug auf Deutschland. Was sagen Sie? Liegt der Leser richtig oder können Sie seine Argumente entkräften?

Liebe Greta,

seit einiger Zeit verfolge ich Deinen Weg an die Spitze der interkontinentalen Klimabewegung. Grundsätzlich ist bewundernswert, dass es eine junge Frau wie Du schafft, Hunderttausende Menschen in vielen Ländern zu mobilisieren. Dir ist es zu verdanken, dass der Klimawandel verstärkt Einzug gehalten hat in deren Bewusstsein. Dass Dir diese veränderte Wahrnehmung bei so vielen Menschen nicht genug sein kann, ist aufgrund Deiner fundamentalen – ja, beinahe fundamentalistischen – Mission logisch. Du möchtest, dass die Menschen nicht nur darüber reden, sondern auch handeln. So weit, so gut.

Leider bemächtigen sich auch viele andere der Dynamik und Deutungshoheit Deiner Klima-Streikbewegung. Es handelt sich um Personen, die einerseits Nutznießer unseres Gemeinwesens sind (z. B. Empfänger von Transferzahlungen, Kinder und Jugendliche), andererseits sind sie gar radikale Systemkritiker und Feinde der Sozialordnung. Hier verschwimmen die Grenzen, Deine teilweise positiven Ansätze werden ins Gegenteil verdreht. Hiervon muss sich Deine friedliche, weltumspannende Bewegung klar abgrenzen. Um nicht schon formal bei denjenigen durchzufallen und von ihnen abgelehnt zu werden, die zum Umdenken bewegt werden sollen.

Um es mal klar zu formulieren: Aus meiner Sicht kann es nur eine Klimaevolution geben, keine Klimarevolution. Dafür habe ich einige Thesen aufgestellt. Ich möchte das Dir gegenüber begründen. Und bitte: Ein Dialog ist keine Einbahnstraße – sonst nimmt ein Gespräch ja schnell totalitäre Züge an. Das willst Du ja sicher nicht!?

Es ist mit Sicherheit richtig, dass wir unter CO2-Gesichtspunkten über unsere Verhältnisse leben – wobei keiner sagen kann, wie viel CO2-Ausstoß eigentlich noch tragbar wäre. Was aber nicht heißen soll, dass wir so weitermachen könnten wie bisher. Jeder Mensch muss bei sich selbst schauen, wie er oder sie seine/ihre Lebensgewohnheiten ändert und CO2-verträglicher gestaltet. Dieser Prozess der Erkenntnis wurde eingeleitet und ist mit Sicherheit nicht mehr umkehrbar. Allerdings setze ich hier auf Freiwilligkeit und auf Anreize statt auf Verbote und Strafen. Weißt Du, Greta, Menschen sind nun mal so, dass sie stets danach streben, Verbote zu umgehen oder so weit zu dehnen, dass sie damit gut leben können. Es ist doch so, Gesetze oder Vorschriften kann man der Situation gemäß anpassen, aber Menschen als Teil einer Gemeinschaft wird man von außen oder von oben herab so nicht erreichen oder gar grundsätzlich ändern können – zumindest nicht in demokratischen Staatsformen. Hier liegt meines Erachtens die große Gefahr, dass Regierende, die im Grunde etwas Positives bezwecken, dennoch zu totalitären Mitteln greifen.

Es ist der richtige Weg, dass die deutsche Regierung Hilfen zum Austausch alter Heizungen zahlen will. Ein Verbot von Ölheizungen hingegen nicht. Das hat z. B. mit der Versorgungslage vor Ort zu tun. Nicht jeder Mensch kann oder möchte in Städten mit guter Energieversorgungs-Infrastruktur leben. Es gibt bei uns viele Gebiete (um nicht zu sagen: die meisten), die nicht mit Gas versorgt werden. In Bayern bspw. sind nur ein Drittel aller Heizungen ans Gasnetz angeschlossen. Rund zwei Drittel heizen mit Öl. Ein Verbot wäre hier eine starke Benachteiligung der Eigentümer. Ein Kompromiss wäre es dann, eben auch Ölheizungen im Austausch zu fördern, wenn diese Altanlagen durch neue ersetzt werden, die auch einen Anteil fälschlicherweise sogenannter „erneuerbarer Energien“ verwenden. So weit These Nr. 1.

Liebe Greta, Du hast bestimmt auch schon bemerkt, die gesamte CO2-Problematik ist in einem nahezu unüberschaubaren internationalen Geflecht verwoben. Hier setzt meine zweite These an. Nur wenn es uns gelingt, unseren Wohlstand zu sichern, in dem unsere eigene Volkswirtschaft nicht durch übertriebene Feinstaub- und CO2-Verbote kaputt gemacht bzw. von uns selbst zerstört wird, nur dann werden wir dazu beitragen können, den Wohlstand in der Welt zu erhöhen. Warum? Darum: Nur wer selber etwas hat, kann teilen. Nicht derjenige ist sozial, der anderen Besserstehenden etwas wegnimmt, um es wiederum anderen Schlechterstehenden umsonst zu geben, sondern derjenige ist sozial, der es erwirtschaftet hat. Natürlich haben einige weltumspannende Konzerne ihre Stellung ausgenutzt und ausbeuterisch überzogen. Das muss man korrigieren und neue Regeln aufstellen. Aber alles mit Maß und Ziel, mit Sinn und Verstand.

Ich werde konkreter. Auf der globalen Landkarte der Dieselfahrverbote findet man eigentlich nur einen klitzekleinen roten Punkt – Deutschland. Wem nutzten Fahrverbote demnach? Im Endeffekt keinem, aber es schadet der deutschen Wirtschaft gewaltig. Der weltweite CO2-Ausstoß beträgt ca. 800 Milliarden Tonnen (Boden, Vegetation und Ozeane). Davon sind nur ca. 30 Milliarden Tonnen auf den Menschen zurückzuführen, das entspricht knapp 4 %. Der Anteil Deutschlands daran beträgt ungefähr 2 %. Das bedeutet, selbst wenn es uns bis 2050 gelingen würde, CO2-neutral dazustehen, wir würden den weltweiten jährlichen CO2-Ausstoß um ganze 0,8 Promille reduzieren. Darüber lohnt es sich, einmal nachzudenken.

Anderes Beispiel: Die Bevölkerung des afrikanischen Kontinents wächst derzeit um circa 30 Millionen Menschen jährlich an. Das zwar mit leicht abnehmender Tendenz, aber dennoch nimmt sie pro Jahr um die Einwohnerzahl Polens zu. Die Überbevölkerung der Erde ist ein ernst zu nehmendes Problem. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Weltbevölkerung ungefähr verdoppelt. Mehr Menschen setzen auch mehr CO2 frei. Natürlich müssen wir den menschenverursachten CO2-Ausstoß senken. Doch dies wird ein Kampf gegen Windmühlen bleiben, wenn es nicht gelingt, die Überbevölkerung zu stoppen.

Liebe Greta, obwohl ich annehme, dass Du diesen Brief nie lesen wirst, war es mir dennoch ein Anliegen, diese Gedanken zu Papier zu bringen. Ich glaube, dass es mehr bringt, miteinander vernünftig zu sprechen, als mit flammendem Schwert über die Weltbühne zu schreiten und sich selbst zu inszenieren.

Alte Gewohnheiten ändern sich nicht von jetzt auf gleich. Es mag sein, dass die Zeit drängt. Aber Angst und das Schüren von Panik produzieren nur Widerstand und entfernen die Menschen von für die Mehrheit tragfähigen Lösungen.

Viele Grüße
Dein Wolfgang Schwarz
aus München

PS: Zum besseren Verständnis eine ­Zusammenfassung meiner Thesen:

1. Reduzierung des durch den Menschen verursachten CO2-Ausstoßes, ohne die Wirtschaft kaputt zu machen und das gesellschaftliche System zu ändern.

2. Deutliche Anreize setzen und langfristig kalkulierbare Förderungen anbieten. Verbote und Strafen vermeiden.

3. Verständnis für internationale und interkontinentale Zusammenhänge fördern. Kein Staat, kein Kontinent kann die Welt im Alleingang retten – wenn überhaupt.

4. Wirksame Maßnahmen ergreifen, um die zunehmende Übervölkerung der Erde einzudämmen.

5. Miteinander vernünftig sprechen und sich nicht moralisch über andere erheben.