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Auf dem Prüfstand

Zehn Thesen zum Strukturwandel

Die Fachschiene ist nicht länger der einzig wahre Vertriebsweg, dem man als Hersteller oder Händler verpflichtet sein muss. Aktuelle Interviews mit SHK-Handwerkern zeigen, dass zwei Drittel diesen Verlust von Bedeutung realisieren und den Verlust von Marge beklagen. Besonders unglücklich sind die befragten Handwerker, dass die Spiel­regeln der Fachschiene nicht mehr eingehalten werden. 75 % vermissen die schützende Wirkung der (starren) Strukturen.

These 1: Wir erwarten daher für die nächsten drei bis fünf Jahre darwinistische Branchenverhältnisse. Es werden jene überleben, die sich am schnellsten und besten auf die neuen Gegebenheiten anpassen.

Multi Channel und Demografie

Die Zahl der Beschäftigten im SHK Handwerk hat sich laut ZVSHK in den letzten zehn Jahren von 470000 auf 330000 reduziert. Wir glauben nicht, dass dieser Verlust von Montagekapazitäten durch schnellere Technik vollständig kompensiert werden konnte. Wir vermuten, dass das Absatzpotenzial der Branche durch den Personalabbau spürbar reduziert bzw. gedeckelt wurde. Zusätzlich ergaben Interviews mit SHK-Handwerkern ein „Abwürgen der Aufträge im Handwerk“, mit denen diese unter Vollauslastung die Kunden sanktionierten und kontrollierten. Das sind keine attraktiven Bedingungen, wenn man sich als Hersteller überdurchschnittlichem Wachstum verpflichtet fühlt.

Zudem wird der Branchenstandard, dass die Ausstellungen des Großhandels nur beraten, aber nicht verkaufen, als Vorteil für die Online-Shops erkannt. In der Fachschiene, erlebt der Kunde einen Hindernislauf ohnegleichen. Der eine kann beraten, darf aber nicht verkaufen. Der andere darf verkaufen, will aber lieber montieren als reden. Auch das Problem der zu hohen Bruttopreise wird eindeutig erkannt. Die aktuellen Bruttopreise sind der Branche hinderlich. Dem stimmen übrigens heute schon 82 % der befragten Handwerker zu.

These 2: Die Fachschiene ist in ihrem Absatzvolumen begrenzt, vernichtet bestehende Nachfrage, braucht zu viele Chancen für einen Abschluss und ist „optisch“ zu teuer, deshalb liefern die Hersteller über andere Kanäle an die Endverbraucher! Die Zeit ist reif für ­eine Öffnung der Ausstellung und eine Bruttopreisabsenkung.

Handelsmarke wird wichtiger

Tendenziell gilt: Je mehr eine Warengruppe im Internet verkauft wird, desto mehr sind die Handwerker bereit in dieser Warengruppe Handelsmarke einzusetzen. Handelsmarke ist für Händler und Handwerker eine wirksame Fluchtstrategie, wenn das Internet die Margen an den Marken reduziert. Eine sauber geführte Handwerkermarke des Zentralverbandes wäre aus Sicht der Handwerker ebenfalls eine ersehnte Alternative. Zwei Drittel der befragten Handwerker fänden eine solche Handwerkermarke attraktiv. Da das aber leicht gesagt als getan ist, werden viele Marken, die weder Premium- noch Handelsmarke sind, vom Markt verschwinden. Das (einzige) Argument der Marke, sie sei innovativer als die Handelsmarke, scheint im Handwerk auch nur relative Bedeutung zu haben. Das Votum der befragten Handwerker ist eindeutig. Lieber Bewährtes als Innovatives.

These 3: Die Händler reduzieren mit den Handelsmarken, die vom Handwerk gierig aufgegriffen werden, für die Marken den erreichbaren Markt, deshalb suchen sie sich andere Vertriebskanäle.

Margendruck und Badmanager

Das Internet reduziert für das Handwerk kontinuierlich die Marge an Produkten. Wenn das Handwerk den gleichen Profit wie früher machen will, muss es zur Kompensation deutlich höhere Stundenlöhne nehmen. Das Handwerk muss seine Kalkulationsgewohnheiten aufgeben und ein neues Preisfindungsmodell gegenüber dem Kunden etablieren. Bei dem Szenario, dass man in fünf Jahren noch 5 % Marge an der Ware und 90 Euro Stundenlohn haben wird, erschrecken allerdings viele Handwerkskollegen, weil sie sich die Qualität für eine 90-Euro-Stunde nicht zutrauen.

These 4: Entweder wird der Handwerker „90-Euro-fähig“ und ein Badmanager (vermutlich mit Unterstützung des Großhandels), oder er verliert Marge. Die Ware wird er auf jeden Fall knapp über netto/netto durchschieben.

Systemvielfalt kontra Preis

Wasser wird als das Lebensmittel des aktuellen Jahrhunderts entdeckt werden. Das zieht sehr viele Anbieter an und die Fachschiene wird mit Systemen und Komponenten überschüttet. Die Systemvielfalt im Bereich der Rohinstallation wird enorm sein. Gleichzeitig entzieht sich unsere Branche, die mittlerweile aus fast 80 % Renovierungsgeschäft besteht, wegen der individuellen Überraschungs­potenziale auf der Baustelle einer vollständigen Planung. Vereinfacht gesagt: Irgendwas fehlt immer. Das ist schön für den Handel, denn so wird die Rohinstallation vermutlich das wichtigste Sortiment. Allerdings brauchen Handwerker zur Absicherung ihres Haftungsrisikos „Systeme“, Händler werden wegen der Marge eher Komponenten bevorzugen.

These 5: Der Konflikt ist absehbar. Entweder setzen sich teure Systeme und Sicherheit durch, oder die preiswerten Komponenten und Risiko. Dazwischen wird es wohl keine sinnvolle Platzierung geben.

Standortorgie und Verfügbarkeit

Das SHK-Geschäft, insbesondere auf der Baustelle, ist nicht vollständig planbar. Die „letzte Meile“ ist meist unstrukturiert. Insofern sollten wir darauf hinweisen, dass beim Preisvergleich Onlineshop zu Fachschiene immer Äpfel mit Birnen verglichen werden. Die Shops liefern ohne Tauglichkeitskontrolle auf die Baustelle, die Fachschiene immer inklusive. Andererseits ist die Strukturschwäche auf der Baustelle ein wunderbarer Grund für die Organisation einer kurzfristigen, lokalen Versorgung. Im SHK-deutsch: Ausstellungen und Abhollager des Großhandels. Hier zeigen Daten aus unserer Marktforschung, dass die Standortdichte die Sinnhaftigkeitsgrenze erreicht hat. In den letzten zehn Jahren hat sich die Relation Monteure zu Abhollager von 550 zu 1 auf 330 zu 1 reduziert. Das rechnet sich bald nicht mehr.

These 6: Erst gibt es im Großhandel Verdrängungskrieg, dann Übernahmen.

Haftungsdruck auf Handwerk steigt

Das Handwerk steht unter Druck. Die Erwartungen der Kunden und der Gesetzgeber an die Exzellenz der handwerklichen Ausführung im SHK-Gewerk insbesondere im Bereich Wasser steigt. Will man sicher montieren, benötigt man Systeme. Systeme heißen aber Systeme, weil sie keine Individual- oder Einzellösung sind. Hilft der Handwerker sich und seinem Kunden, in dem er Komponenten auswechselt, wenn ein System nicht tauglich ist, tritt er in die Haftung ein. Wir sehen in dieser Entwicklung „System gegen Einzellösung“ einen schleichenden und gigantischen Haftungstransfer von den Herstellern auf das Handwerk.

These 7: Handwerker, die bei Wasserführung, -qualität, -aufbereitung und -entsorgung auf den Schutz der Systeme verzichten, erzeugen sich ein erhebliches Haftungsrisiko.

Einstufigkeit und Energieeffizienz

Wir erwarten aus drei Gründen, dass die Heizungsindustrie in den nächsten zehn Jahren einstufig wird. Sie wird direkt mit dem Endkunden kontrahieren und ausgewählte SHK-Handwerker als Lohnschrauber einsetzen.

Die Subventionen für Geräte werden gestrichen und auf niedriginvestive Maßnahmen verschoben, weil das Handwerk mit seinen Montagen die Effizienzperformance behindert. Die Heizungsindustrie ist mit der technischen und kaufmännischen Leistung eines durchschnittlichen Handwerksbetriebes nicht zufrieden. Aus diesem Grund etablieren die Hersteller gerade Partnersysteme in der Qualität von Casting-Shows. Sie schauen sich genau an, wie sie in den nächsten Jahren mit den einzelnen Handwerksbetrieben zusammenarbeiten wollen. Sie werden das Handwerk in drei Gruppen einteilen: Premiumpartner mit Zusammen­arbeit auf Augenhöhe, weisungsgebundene Ergänzungspartner und Nichtkunden. Die Einstufigkeit hat für die Hersteller eine dritte Attraktivität: Das cross-selling-Potenzial: Ein Kesselhersteller, der direkt mit dem Endkunden verhandelt, kann über erweiterte Garantiezusagen auch seine Heizkörper, seine Fussbodenheizung, seinen Verteiler, etc. verkaufen.

These 8: Die Heizungsindustrie bindet die Endkunden so an, wie es heute die Energie-, Gas- und Wasserversorger tun.

Krieg der Netzwerke

Das SHK-Geschäft hat in den letzten zehn Jahren extrem an Komplexität zugenommen. Im SHK-Handwerk erleben wir eine Reduktion und Konzentration der Wissensaufnahme auf die „wichtigsten“ Technikfelder, Produkte und Marken. Folge dieses Verhaltens sind im einzelnen Handwerksbetrieb Wissenslücken und „blinde Flecken“ und ein Schwund des „kleinsten, gemeinsamen Interessennenners“ im Querschnitt des Handwerks. Der einzelne Handwerksbetrieb macht gerade die Erfahrung, dass sein individuelles Wissensprofil durch ein höheres Maß an bilateraler Beziehung zur SHK-Industrie optimal unterstützt wird. Die Partnersysteme der Hersteller und Händler sind für den einzelnen Handwerks­betrieb effizienter und bedürfnisgenauer.

These 9: Vertikale Netzwerke kämpfen gegen andere vertikale Netzwerke um die Kunden und Aufträge.

Exzellenzdruck nimmt zu

Es sind nicht nur die Hersteller, die von Handwerker Exzellenz wollen. Auch die Kunden werden gerade wegen der Energiepreise sehr sensibel beim Thema „Anlageneffizienz“. Das wird dazu führen, dass Handwerker, deren Heizungsanlagen offensichtlich nicht optimal laufen, nicht mehr empfohlen werden. Und wer nicht empfohlen wird, bekommt keine Aufträge. Wir werden also erleben, dass sich jeder SHK-Handwerker, sofern er Heizungsanlagen baut, der Gretchenfrage stellen muss: Beherrsche ich die erneuerbaren Energiesysteme so gut, dass meine Heizungsanlagen eine empfehlungswürdige Qualität haben? Handwerker, die die Energieeffizienz von Heizungsanlagen nicht hinbekommen, werden in zehn Jahren keine Heizungsanlagen mehr bauen, weil sie nicht mehr beliefert und auch nicht mehr beauftragt werden.

These 10: 10000 SHK-Handwerker werden in den nächsten zehn Jahren die letzte Stufe der Zusammenarbeit erleben. Nach MUSS-, SOLL- und KANN-Partner, werden sie NICHT-Partner der Industrie werden!

Die Entwicklung scheint klar. Der Großhandel, insbesondere, wenn er sich dem Handwerk verpflichtet fühlt, wird alles tun, um das Handwerk „in Spiel zu halten“. Das wird nur erfolgreich funktionieren, wenn das Handwerk in eine neue Arbeitsteilung in der Fachschiene zustimmt. Die Zeit drängt, die anderen Vertriebskanäle geben den Takt vor!

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Autor

Querschiesser-Geschäftsführer Hans-Arno Kloep stellt diese Thesen im Rahmen der Tagung „Vertriebswege im Wandel der Deutschen SHK-Wirtschaft“ Ende November in Berlin vor; Querschiesser GmbH, 46509 Xanten, Tel. (0 28 01) 98 69 25, http://www.querschiesser.com