Für viele Berliner Handwerksbetriebe gestaltet sich die Personalbeschaffung von Fachkräften problematisch. Jeder vierte Betrieb berichtete unlängst in einer Umfrage davon, dass sich trotz starker Bemühungen kein geeignetes Personal finden lässt. Für 44 % der Betriebe ist ein erhöhter Aufwand erforderlich, freie Stellen passend zu besetzen. Als häufigster Grund für die Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte oder Auszubildende zu finden, wird von 76,6 % aller Betriebe die mangelnde Qualifikation der Bewerber genannt. Erschreckende Qualifikationsdefizite oder fehlende Ausbildungsreife sind das Haupthindernis bei der Suche nach qualifiziertem Personal. Innungsgeschäftsführer Dr. Klaus Rinkenburger ist besorgt: „Dies sind beunruhigende Zahlen. 2011 sind in Berlin/Brandenburg 1700 Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben. Wir haben eine Abbruchquote von 14 % und eine hohe Durchfallrate bei den Gesellenprüfungen.“
Netzwerk Berufspraxis
Die Innung SHK Berlin agiert sehr vielfältig, um zur Fachkräftesicherung im SHK-Handwerk beizutragen. Wesentlich ist hierbei, das Selbstbewusstsein der Betriebe zu stärken und dem SHK-Handwerk zu einem besseren Image zu verhelfen. Dazu führt die Innung seit letztem Jahr den stolzen Slogan „SHK – Das Umwelthandwerk“. Seit mehreren Jahren engagiert sich die Innung in einem „Netzwerk Berufspraxis“ zusammen mit 15 weiteren Innungen an 27 Berliner Sekundarschulen. Hier werden Schülern der 8. bis 10. Klassen nach dem Unterricht auf freiwilliger Basis das Erlebnis der Berufserprobung in den Ausbildungszentren des Handwerks angeboten. Insgesamt 32 Berufe können dabei vorgestellt werden. In einer ersten Orientierungsphase probieren die Schülerinnen und Schüler mindestens vier Gewerke in Schnupperstunden praktisch aus. In einer anschließenden Vertiefungsphase (Woche der Berufspraxis) wählen sie ein Berufsfeld aus und werden fünf Tage lang von Ausbildern in dem jeweiligen Ausbildungszentrum praktisch über Inhalte und Anforderungen informiert. Kontakte zu über 2000 Schülern pro Jahr kommen hierdurch zustande. Rund 400 haben inzwischen das SHK-Ausbildungszentrum besucht.
Aktion „Handwerk stiftet Zukunft“
Außerdem hat die Berliner Innung die Ausbildungsstiftung „Handwerk stiftet Zukunft“ gemeinsam mit anderen Berliner Innungen, Versorgern, Herstellern und Großhändlern aufgebaut. „Handwerk stiftet Zukunft“ verfolgt die Ziele: Imageverbesserung des Handwerks, Ausbau der Berufsorientierung, Verbesserung der Ausbildungsreife und kontinuierliche Ausbildungsbegleitung. Gemeinsam mit dem Dortmunder Pumpenhersteller Wilo hat die Stiftung ein Prüfungsvorbereitungsprojekt durchgeführt. 15 Auszubildende zum Anlagenmechaniker SHK, die bereits einmal oder sogar wiederholt durch ihre Gesellenprüfungen gefallen waren, wurden in mehrmonatigen praktischen Nachhilfekursen auf ihre Wiederholungsprüfungen vorbereitet und fachlich qualifiziert. 14 von ihnen haben am Ende ihre Gesellenprüfung bestanden und bleiben der SHK-Branche als Fachkräfte erhalten. Derzeit finanziert die Stiftung bereits im zweiten Jahr an zwei Berliner Oberstufenzentren mehrmonatige Nachhilfeförderkurse in Mathematik für Anlagenmechaniker SHK, Metallbauer und Gebäudereiniger im ersten Ausbildungsjahr. Mehrere Berufsschullehrer unterrichten an einem Tag der Woche zwei Stunden zusätzlich mathematische Grundkenntnisse, die für eine erfolgreiche Ausbildung relevant sind. Zuvor sind umfangreiche Mathetests durchgeführt worden, die den Leistungsstand und Förderbedarf eines jeden Azubi passgenau ermittelt haben.
Ausbildungsmanager der Innung
Mit Regina Ziems beschäftigt die Innung eigens eine Mitarbeiterin für die Vermittlung von Ausbildungsplätzen und die Beratung von Schülern, Lehrlingen und Betrieben und zu Fragen rund um die Bewerbung und bei Problemen während der Ausbildung. Diese Ausbildungsmanagerin kümmert sich auf Berufsmessen, Tagen der Technik oder auch dem Girls’ Day um die Werbung für eine Ausbildung in einem der vier SHK-Berufe. Mit diesem Schuljahr startet die Innung auch den Modellversuch „Außerschulischer Lernort“ mit der Janusz-Korczak-Schule im Berliner Bezirk Pankow. Hier werden alle 7. Klassen im Berliner SHK-Ausbildungszentrum durch ihre Lehrer und Ausbilder der Innung in Technik unterrichtet, um abschließend einen Werkzeugführerschein zu erwerben.
Speed Dating inklusive
Einen ungewöhnlichen Weg schlug die Innung im September 2011 ein: Zusammen mit der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit veranstaltete sie ein Speed Dating mit Arbeitssuchenden, Ausbildungsplatzsuchenden und Innungsbetrieben (SBZ berichtete). Ziel war es, im Schnellverfahren Kontakte und Vermittlungen herzustellen. Dazu wurden 200 Bewerber eingeladen. 27 Innungsbetriebe, die auf der Suche nach Auszubildenden, Fachkräften oder Helfern waren, hatten ihre Teilnahme angekündigt. Am Ende wurden fünf Ausbildungsverträge geschlossen und fünf Fachkräfte hatten einen neuen Arbeitsplatz.
Auf der gerade zu Ende gegangenen Baumesse in Berlin engagierte sich die Innung gemeinsam mit Handwerk stiftet Zukunft und rund 15 weiteren Partnern wie der Holzfachschule Bad Wildungen, der Beuth Hochschule für Technik Berlin sowie mehreren Innungen im KarriereCenter Bau. Schüler der oberen Jahrgänge konnten sich an praktischen Beispielen über die Vielfältigkeit der Ausbildungsberufe in Bauplanung, Bauhaupt- und Baunebengewerbe informieren. Unterstützt wurden sie dabei von Azubis, die die Rolle von Scouts übernahmen. Die Innung präsentierte das SHK-Handwerk mit einer Brennstoffzelle, Versuchen zum hydraulischen Abgleich und einer witterungsgeführten, computergesteuerten Heizungsregelung. Höhepunkt der Demonstrationen am Modell und bislang absolut einzigartig war ein Energiehaus, ausgestattet mit einem Solarkollektor, Pufferspeicher, begehbarer Badewanne, Heizkörper und Fußbodenheizung. An diesem Modell konnten die wichtigsten Versorgungseinheiten erklärt werden, die ein SHK-Fachhandwerker beherrschen muss. In einem späteren Schritt ist geplant, dieses Energiehaus noch auszubauen mit Dämmung, Messeinrichtungen, Be- und Entwässerung, um ein geschlossenes System zu simulieren für Versuchsaufbauten, die Schulen mit ihren Schülern im Berufskundeunterricht durchführen können.
Mit Messescouts auf Azubisuche
Dass frühzeitige Berufsorientierung und persönliche Ansprache der Königsweg ist, junge Menschen für eine Ausbildung im SHK-Handwerk zu gewinnen, bestätigen auch die beiden Anlagenmechaniker-Azubis Nebila Okbi (18) und Paul Semotam (20). Beide haben sich im KarriereCenter Bau auf der Bautec als Scouts engagiert und zahllosen Schülergruppen die Funktion der einzelnen technischen Aufbauten erklärt. Noch während der Schulzeit durchlief Nebila Okbi eine Woche der Berufspraxis, hatte einen Job-Coach und entschied sich nach einem Praktikum für die Ausbildung als Anlagenmechanikerin beim Berliner Innungsbetrieb Tschichholz. Paul Semotam ist familiär vorgeprägt. „Ich wollte immer etwas im Handwerk machen“. Der Besuch einer Berufsmesse gab den letzten Kick, nach dem Abitur tatsächlich etwas Praktisches zu lernen. Nun ist er beim Innungsbetrieb Tuskulum GmbH im ersten Lehrjahr und mit Begeisterung bei der Sache. Nebila und Paul bestätigen, dass viele in ihren Berufsschulklassen stofflich überfordert seien, das SHK-Handwerk gleichzeitig in der breiten Öffentlichkeit noch zu wenig mit den Themen Energie, Umwelt und Klimaschutz assoziiert werde. „Hier ist noch viel zu tun“, sagt Nebila. Gegen Ausbildungsabbrüche können die Ausbildungsbetriebe auch eine Menge tun, indem sie sich ihrer Azubis auch bei Sorgen annehmen.
Nur wenn alle beteiligten Akteure an einem Strang ziehen, wird der Fachkräftemangel noch einmal abgemildert. Schulen müssen ihre Schüler auf das Handwerk aufmerksam machen, Betriebe ihre Tore öffnen für praktische Einblicke, Innungen sich vernetzen und Projekte unterstützen, die gezielt junge Menschen frühzeitig an das Handwerk heranführen. Während der Ausbildung muss ein Klima des Vertrauens und der Offenheit herrschen. Denn das Problem hat viele Facetten: demografische Entwicklung, Ausbildungsreife und Schulniveau, Image des Handwerks und Ausbildungsqualität bzw. -kultur. Die Innung SHK Berlin geht mit gutem Beispiel voran und will weiter werben, unterstützen, initiieren und junge Menschen auch über die sozialen Netzwerke für eine Ausbildung im SHK-Handwerk begeistern.
Interview
Systematisch über Bedarf ausbilden
Auch Innungsbetriebe ergreifen die Initiative, engagieren sich in Berufsorientierungsprojekten und setzen ganz auf Ausbildung, um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten. Die Brasst Bau GmbH gehört mit 27 Azubis zu den großen Berliner Ausbildungsbetrieben. Mit Ausbildungsoffensiven und Schulpartnerschaften hat der Betrieb gute Erfahrungen gesammelt. Wir sprachen mit Geschäftsführer Peter Stange.
SBZ: Spüren Sie den Fachkräftemangel in Ihrem Betrieb?
Stange: Wir sind uns des Problems sehr bewusst. Aus unserer Sicht ist das einzig probate Mittel, immer systematisch über Bedarf auszubilden. Wir bilden derzeit 27 Azubis aus. Den fertigen Junggesellen bieten wir meist an, im Betrieb zu verbleiben. Wir fördern auch deren Meisterausbildung, motivieren zu einem Studium und lassen alle Wege zu uns zurück offen. Wir bilden derzeit sogar einen gehörlosen Azubi aus, dem wir extra einen Lehrer zur Seite stellen.
SBZ: Worin sehen Sie die Hauptursachen dafür, dass das SHK-Handwerk nicht genügend Fachkräfte findet?
Stange: Neben der ungünstigen demografischen Entwicklung liegt die wesentliche Ursache darin, dass die Anforderungen an unser Handwerk gestiegen sind. Die Qualifikation der Jugendlichen reicht nicht mehr für die Ansprüche der Hochtechnologien. Das ganze Feld der erneuerbaren Energien ist so komplex, dass es schwer ist, geeignete Bewerber zu finden, die dem gewachsen sind. Wir haben sogar gezielt in Polen gesucht. Unser polnischer Azubi im ersten Lehrjahr ist uns eine große Hilfe bei Aufträgen im grenznahen Gebiet: Er beherrscht die Sprache, kennt die Mentalität unserer Kunden und trifft den richtigen Ton. Technisch interessierte Jugendliche gibt es viele, sie müssen nur richtig angesprochen werden und da ist das SHK-Handwerk immer noch mit einem unvorteilhaften Image behaftet.
SBZ: Wie finden Sie geeignete Bewerber oder Azubis?
Stange: Unser Credo ist, frühe Berufsorientierung zu betreiben und uns für Bewerber viel Zeit zu nehmen. Der Azubi kommt nicht zum Betrieb, wir müssen auf ihn zugehen und ihn dabei so ansprechen, dass er erkennt, wie viel Potenzial das SHK-Handwerk heute hat. Vielen ist das ja gar nicht klar. Das zahlt sich aus. Wir haben im ersten Lehrjahr keine Ausbildungsabbrüche. 99 % unserer Azubis bestehen am Ende auch ihre Prüfung.
SBZ: Was unternehmen Sie, um Sanitär und Heizung in das Bewusstsein der jungen Menschen zu bringen?
Stange: Neben Ausbildungstagen bei uns im Betrieb oder Anzeigen haben wir vor allem eine Schulpartnerschaft aufgebaut zu einer Berliner Schule. Zweimal im Jahr veranstalten wir in der Schule Informationstage. Schülern werden mehrtägige Praktika angeboten. Da fahren sie auf Montage mit und bekommen gezeigt, wie vielfältig und modern unser Handwerk ist. Wir müssen schon die Kinder sensibilisieren und ständig in Kontakt bleiben.
Autor
Dr. Stephanie Irrgang, Innung SHK Berlin, Referentin Öffentlichkeitsarbeit, Siegmunds Hof 18, 10555 Berlin, Telefon (030) 39 92 69-18, Telefax (030) 39 92 69-99, s.irrgang@shk-berlin.de, https://www.shk-berlin.de/