Ein drohendes Vertragsverletzungsverfahren wegen Verletzung der europäischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zwang die Bundesregierung dazu, das Schornsteinfegerwesen zu liberalisieren. Das Gesetz zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens trat in Teilen bereits am 29. November 2008 in Kraft, im Übrigen wird es ab dem 1. Januar 2013 gelten. Mit dieser Übergangszeit und speziellen Regelungen soll den Schornsteinfegern eine angemessene Zeit für die Umstellung gegeben werden.
Die wichtigsten Veränderungen
Zukünftig wird die Vergabe der Kehrbezirke auf sieben Jahre befristet. Bewerberlisten werden zugunsten einer offenen Ausschreibung der Stellen abgeschafft. Jeder darf sich bewerben, der die handwerksrechtlichen Voraussetzungen zur selbstständigen Ausübung des Schornsteinfegerhandwerks besitzt. Gleichzeitig wird ein Großteil der bisher dem Kehrbezirksmonopol unterfallenden Aufgaben ab dem 1.1.2013 für den freien Wettbewerb geöffnet. Darunter fallen die Tätigkeiten nach der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen (1. BImSchV) ebenso wie diejenigen der Kehr- und Überprüfungsordnung (KÜO). Das bedeutet mehr Wettbewerb im Schornsteinfegermarkt der Zukunft. Gleichzeitig verringert sich das staatlich gewährleistete Gebührenaufkommen des Bezirksschornsteinfegermeisters, der zukünftig als „bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger“ bezeichnet wird. Ein auskömmliches Einkommen wird damit spätestens nach dem Ende der Übergangsfristen zum 31.12.2012 nicht mehr staatlichgarantiert.
Dieser zu Lasten der bisherigen Kehrbezirksinhaber geöffnete Wettbewerb bietet SHK-Betrieben neue Marktchancen. Er wird aber auch neue Wettbewerber auf den Plan rufen. Durch die Aufhebung des Nebentätigkeitsverbots entfällt die Beschränkung auf die klassischen Schornsteinfegertätigkeiten. Der Schornsteinfeger kann zusätzlich beispielsweise eine Energieberatung anbieten oder sein Angebot als Schornsteinfeger mit sonstigen Tätigkeiten „rund ums Haus“ ergänzen.
Tätigkeiten ohne Kehrbezirk
Auch wenn für den überwiegenden Teil der Markt-Liberalisierung der 1.1.2013 Stichtag ist, bereiten sich bereits heute viele Unternehmen aktiv vor. Sie suchen nach Möglichkeiten, Schornsteinfegertätigkeiten auch ohne eigenen Kehrbezirk zu vermarkten. Ein Beispiel hierzu ist einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren aus Aachen zu entnehmen (VG Aachen Az. 3 L 241/09). Dort hatte ein Schornsteinfegermeister die europäische Öffnungsklausel des § 2 Abs. 2 SchFHG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 SchFG als vermeintliches Schlupfloch entdeckt. Als Subunternehmer eines lettischen Kooperationspartners mit entsprechender Schornsteinfeger-Qualifikation bot er Schornsteinfegertätigkeiten an, ohne für einen Kehrbezirk bestellt zu sein. Die zuständige Behörde sah darin einen Verstoß gegen das bis zum 31.12.2012 weitergeltende Verbot solcher Tätigkeiten für deutsche Schornsteinfeger. Zwar hatte der lettische Betrieb die beabsichtigten (grenzüberschreitenden) Tätigkeiten einer zuständigen Handwerkskammer angezeigt. Es fehlte allerdings das Angebot mit eigenem Personal (als sogenannter EU/EWR-Betrieb), da der Schornsteinfeger nicht in Lettland angestellt war, sondern lediglich einen Kooperationsvertrag bzw. eine Subunternehmervereinbarung getroffen hatte. Hinzukommt nach Auffassung des VG Aachen, dass die Ausnahmeregelung für EU-Dienstleister nur für eine „vorübergehende und gelegentliche“ Ausübung der Schornsteinfegertätigkeiten in Deutschland vorgesehen sei. Für die dauerhafte Erbringung von Schornsteinfegertätigkeiten greife diese Regelung nicht.
Keine Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht
Nach der Eingabe zweier Verfassungsbeschwerden gegen die Übergangsregelungen stellten drei Richter des Bundesverfassungsgerichtes verfassungsrechtliche Zweifel daran fest, dass der Bund legitimiert ist, ein solches Gesetz zu erlassen. Vieles spreche dafür, dass die zu regelnde Materie in die Zuständigkeit der Länder falle. Gleichwohl sah das Bundesverfassungsgericht keinen Anlass, die eingereichten Beschwerden zur Entscheidung anzunehmen, da eine grundsätzliche Bedeutung der Fragestellung nicht gegeben sei. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dabei insbesondere davon leiten lassen, dass der Zugewinn an Wettbewerb im Gesamtmarkt höher zu bewerten sei, als Wettbewerbsnachteile für die Beschwerdeführer im Einzelnen.
In der Begründung seines Beschlusses vom 4.2.2010 erkennt das Bundesverfassungsgericht zwar an, dass durch die neuen Regelungen Wettbewerbsnachteile für Konkurrenten eines Bezirksschornsteinfegermeisters entstehen können. Es verkennt auch nicht die Tatsache, dass diese Nachteile aufgrund einer sogenannten „asymmetrischen“ Marktöffnung verstärkt werden: Einem Bezirksschornsteinfegermeister sind unter bestimmten Voraussetzungen Nebentätigkeiten in anderen Bereichen erlaubt (klassisches Beispiel Energieberatung). Auf der anderen Seite bleiben Konkurrenten bis Ende 2012 vom Schornsteinfeger-Markt ausgeschlossen.
Das Bundesverfassungsgericht ist aber der Auffassung, dass diese befristete Ungleichbehandlung hinzunehmen sei. Denn insgesamt überwiege der Zugewinn an Wettbewerbsfreiheit durch die Aufhebung des Monopols. Die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb würden während der Übergangsphase durch verschiedene Schranken abgemildert: So wird zum einen das Prinzip „Wer misst, wartet nicht und umgekehrt“ bis Ende 2012 fortgeschrieben. Damit sind dem Bezirksschornsteinfegermeister Wartungstätigkeiten im eigenen Kehrbezirk weiterhin verwehrt.
„Sonstiges“ nur eingeschränkt
Bei sonstigen Tätigkeiten, die gewerberechtlich auch vom Schornsteinfeger ausgeübt werden dürfen, ist der Bezirksschornsteinfeger in seinen Angeboten rechtlich beschränkt. So dürfen aus Gründen des Wettbewerbsschutzes die Kehrbuchdaten, und damit auch Adressen, nur zur Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben genutzt werden. Kundenanschreiben zur Bewerbung eines privatwirtschaftlichen Angebotes unter Nutzung des Briefkopfes eines Bezirksschornsteinfegermeisters sind vor diesem Hintergrund zumindest fragwürdig und wurden laut einer Pressemitteilung der Wettbewerbszentrale vom 18.1.2010 bereits erfolgreich abgemahnt. Allerdings steht eine gerichtliche Klärung noch aus, ob eine solche Verfahrensweise mit den rechtlichen Vorgaben und dem festgeschriebenen Neutralitätsgebot in Einklang steht.
Auch Kooperationen und die Annahme von Provisionen können kritisch zu bewerten sein, wie ein Beispiel aus Baden-Württemberg zeigt. Dort hatte ein Gasversorger den Bezirksschornsteinfegermeistern seiner Region Provisionen für die Werbung von Neukunden versprochen. Der baden-württembergische Verbaucherschutzminister Peter Hauk wurde hierzu in den Stuttgarter Nachrichten mit den Worten zitiert: „Solange das Schornsteinfegerwesen nicht privatisiert ist, sind derartige Beratungen nicht tolerierbar.“ Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wird zitiert, wonach ein Anfangsverdacht auf Vorteilsgewährung bzw. Vorteilsnahme in diesen Fällen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne. Für Bezirksschornsteinfeger gelte die besondere Verantwortung hoheitlich Tätiger, für die besonders strenge Strafvorschriften existierten. Das Angebot wurde nach massiver Kritik, auch aus den Reihen der Schornsteinfeger, rasch zurückgezogen.
Marktchancen fürs SHK-Handwerk
Jeder Betrieb muss sich, je nach Unternehmensschwerpunkt, schon heute die Frage stellen, welche sinnvollen Ergänzungen des eigenen Angebotsportfolios künftig möglich sind.
Die zuständigen Zentralverbände haben in einer Verbändevereinbarung Empfehlungen erarbeitet, welche Kenntnisse und Fertigkeiten für (Teil-)Eintragungen nach § 7a HwO mit dem jeweils anderen Gewerk erforderlich sind.
Als mögliche Teileintragungen für SHK-Betriebe sind folgende drei Bereiche des Schornsteinfeger-Handwerks vorgesehen:
1. Messen und Feststellen von Werten zum Immissionsschutz an Feuerstätten (umfasst im Wesentlichen die Durchführung der Messungen nach der 1. BImSchV, die richtige Dokumentation der Ergebnisse und die Kenntnis der erforderlichen Verwaltungsverfahren).
2. Mess- und Überprüfungstätigkeiten an Feuerstätten (umfasst sind u.a. die Überprüfungs- und Messtätigkeiten an Feuerstätten, das heißt Abgaswege- und CO-Messung, Abgasaustritt- /Sicherheitsprüfung mit dem Ziel der Feststellung der (brandschutztechnischen) Mängelfreiheit des Gebäudes.
3. Kehr-, Überprüfungs- und Messtätigkeiten an Feuerungs- und Lüftungsanlagen anlagen sowie ähnlichen Einrichtungen (umfasst sind sämtliche „freien“ Schornsteinfegertätigkeiten).
Die Verbändevereinbarung gibt lediglich Empfehlungen darüber ab, welche Kenntnisse und Fertigkeiten für eine entsprechende Eintragung vom Antragsteller gefordert werden. Für die hoheitlichen Tätigkeiten des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers (Feuerstättenschau und Bauabnahmen) ist allerdings weiterhin eine öffentliche Bestellung erforderlich. Das Verfahren hierzu regeln Durchführungsbestimmungen der Länder.
Fazit
Sicher wird es noch dauern, bis alle Beteiligten ihre künftigen Rollen im Markt gefunden haben. Schornsteinfeger und SHK-Betriebe werden sich in einigen Teilbereichen dem Wettbewerb ausgesetzt sehen, sollten sich aber mehr denn je um ein gutes Miteinander bemühen. Letztlich wird die Qualität entscheiden. Statt über fallende Schranken zu schimpfen, muss das SHK-Handwerk die Herausforderung annehmen und sich beim gemeinsamen Kunden mit der besseren Qualifikation darstellen.
Hintergrund
Verbändevereinbarung – was ist das?
Die Handwerksrolleneintragung ist Voraussetzung für den selbstständigen Betrieb des SHK-Handwerks. Die Regelvoraussetzung hierfür ist die Meisterprüfung im Installateur- und Heizungsbauer-Handwerk. Der Gesetzgeber hat allerdings auch Ausnahmen von dieser Regel zugelassen. So regelt er in § 7a der Handwerksordnung, dass derjenige, der bereits mit einem Gewerk in die Handwerksrolle eingetragen ist, die Ausübungsberechtigung in einem anderen Gewerk erhält, wenn er die hierfür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nachweist.
Diese Regelung ist auf Ausnahmefälle zugeschnitten. Wird dieser Ausnahmefall zum Regelfall, bietet es sich an, ein Standardverfahren zur Feststellung der erforderlichen Sachkunde zu etablieren. Hierfür eignet sich am ehesten eine sogenannte Verbändevereinbarung zwischen den betroffenen Verbänden. Ein solcher Standard verhindert einen „Wildwuchs“ an Sachkundenachweisen, der letztendlich zu einem Qualitätsverlust im Handwerk führen würde.
Schornsteinfegergesetz
Daten dürfen nicht verwendet werden
§12 Allgemeine Berufspflicht:
(2) Bezirksschornsteinfegermeister dürfen an Anlagen in ihrem Bezirk, an denen sie Tätigkeiten ausführen, die nach der Kehr- und Überprüfungsordnung oder der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen vorgeschrieben sind, keine gewerblichen Wartungsarbeiten ausführen, wenn diese einen Einfluss auf das Überprüfungs- oder Überwachungsergebnis haben können.
§ 19, Führung des Kehrbuchs
(5) Bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger und Bezirksschornsteinfegermeister dürfen die Daten nach Absatz 1 nur nutzen, soweit das zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. An öffentliche Stellen dürfen die Daten übermittelt werden, soweit das Landesrecht dies zulässt. An nicht öffentliche Stellen dürfen die Daten nur übermittelt werden, soweit
1. die Übermittlung nach dem Landesrecht zulässig ist und
2. der Dritte, an den die Daten übermittelt werden, ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der Daten und der Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an dem Unterbleiben der Übermittlung hat.
Installateurverzeichnis
Gasanlagen sind für Schornis tabu
Aufgrund des Gefährdungspotenzials, das von unqualifizierten Arbeiten an Gasanlagen ausgeht, hat der Gesetzgeber zusätzlich im Energierecht das Erfordernis der Eintragung in ein Installateurverzeichnis eines Netzbetreibers aufgestellt. Danach dürfen Arbeiten an Gasanlagen nur durch den Netzbetreiber selbst, oder durch ein in ein Installateurverzeichnis eingetragenes Installationsunternehmen, durchgeführt werden.
Betroffen ist hiervon die Gasanlage bis zur letzten Absperreinrichtung vor der Gasverbrauchsanlage (§ 3 Ziff. 15 EnWG in Verbindung mit § 13 Abs. 2 NDAV). Wartungstätigkeiten am Gasverbrauchsgerät selbst fallen nicht unter diese gesetzliche Eintragungspflicht. Da jedoch auch der Wartungsbereich sicherheitsrelevant ist, sieht die Verbändevereinbarung vor, dass Wartungs-Quereinsteiger aus dem Schornsteinfegerhandwerk sich mittels Teilnahme an einer TRGI-Schulung in diesem Bereich qualifizieren, ohne dass dies jedoch zu einer Eintragung in ein Installateurverzeichnis führen kann. Hierfür bleiben vollumfängliche Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich.
AKTION
Wartung – Aktivitäten verstärken!
Der neue Wettbewerb sollte für Betriebe des SHK-Handwerks Weckruf und Herausforderung zugleich sein. Zufriedene Wartungskunden werden ihren Auftragnehmer nicht zugunsten eines „fachfremden“ Unternehmens kündigen, wenn das zukünftige Leistungsportfolio attraktiv ist und den Kunden beispielsweise von seinen Nachweispflichten aus der 1. BImSchV gegenüber dem Bezirksschornsteinfegermeister befreit. Kunden sollten daher frühzeitig darauf aufmerksam gemacht werden, wenn das zukünftige Leistungsangebot erweitert wird. Nutzen Sie beispielsweise die von der SHK-Organisation in der Formularmustermappe bereitgestellten Muster-Wartungsverträge.
Auch in anderen Bereichen muss sich ein qualifizierter SHK-Betrieb nicht verstecken. Insbesondere mit den Angeboten der bundesweiten Kampagne „Wir checken für Deutschland“ hebt sich ein SHK-Betrieb vom Wettbewerb ab. Kunden sollte deutlich vor Augen geführt werden, welche Vorteile es hat, wenn der „standardisierte“ und damit „neutrale“ Heizungs-Check von einem Profi durchgeführt wird, der die erkannten Schwachstellen auch direkt beheben kann.
Mit dem Gas-ganz-sicher-Check steht den qualifizierten Betrieben der SHK-Organisation ein Angebot zur Verfügung, mit dem sie sich gegenüber einer vom Schornsteinfeger angebotenen Gas-Hausschau behaupten können.
Autor
Rechtsanwalt Carsten Müller-Oehring ist Referent für Grundsatzfragen und Recht im Zentralverband Sanitär Heizung Klima St. Augustin; E-Mail: c.mueller-oehring@zentralverband-shk.de; https://www.wasserwaermeluft.de/