SBZ: Das Bundeswirtschaftsministerium hat Anfang März den ersten Entwurf für die Reform des EEG vorgestellt. Darin wird der Photovoltaik ein Zubau von 2,5 bis 3,5 GW als Zielkorridor eingeräumt. Was halten Sie von diesem Deckel?
Körnig: Hier wird natürlich viel zu kurz gesprungen. Für eine erfolgreiche Energiewende und für weniger Energieimporte wäre ein deutlich kraftvollerer Solartechnikausbau angemessen und ohne relevante Mehrkosten realisierbar. Auch die Limitierung der Förderung auf insgesamt 52 GW wirkt als Investitionsbremse und ist zu streichen.
SBZ: Im vergangenen Jahr hat die Branche rund 3,3GW zugebaut, nicht einmal die Hälfte vom Vorjahr. Der Start 2014 war sehr ruhig, sodass sogar 2,5 GW fraglich erscheinen. Kann das reformierte EEG diese Abwärtsspirale gegebenenfalls auffangen?
Körnig: Einen weiteren Markteinbruch werden wir nur stoppen können, wenn der Gesetzentwurf jetzt schnell nachgebessert wird. Um den deutschen Photovoltaikmarkt im Multi-GW-Bereich zu halten, benötigen wir endlich wieder Investitionssicherheit für alle Marktsegmente.
SBZ: An welcher Stelle muss der Mechanismus der Degression nachgebessert werden, um einen schwachen Markt möglichst schnell wieder in Schwung zu bringen, also den Zubau anzukurbeln?
Körnig: Der atmende Deckel im EEG reagiert im Falle eines weiteren Marktrückgangs viel zu langatmig und träge. Um künftig eine Unterförderung zu vermeiden und schneller gegenzusteuern, muss insbesondere der Bezugszeitraum zur Bemessung künftiger Einspeisevergütungen unbedingt von zwölf auf drei Monate verkürzt werden. Andernfalls droht im Falle einer länger andauernden Stabilisierung der Systemkosten der deutsche Photovoltaikmarkt für Monate weitgehend zum Stillstand zu kommen. Wünschenswert wäre darüber hinaus unter anderem eine Absenkung der monatlichen Basisdegression.
SBZ: Im vergangenen Jahr war es der Eigenverbrauch, der den Markt für Photovoltaik in Deutschland belebte. Nun soll er mit einer anteiligen EEG-Umlage belastet werden. Wie bewerten Sie diese Idee?
Körnig: Das wäre absolut kontraproduktiv und würde den schnellsten Weg zur Wettbewerbsfähigkeit der Photovoltaik blockieren und außerdem die Entwicklung intelligenter dezentraler solarer System- und Speicherlösungen hemmen. Geradezu grotesk ist, dass gleichzeitig der Eigenverbrauch der Atom- und Kohlekraftwerke sowie des Braunkohletagebaus von der EEG-Umlage ausgenommen werden soll. Das zeigt, wo der Hase im Pfeffer liegt.
SBZ: Für private Haushalte soll eine Bagatellgrenze eingeführt werden, für Anlagen bis 10 kW Solarleistung. Ist die Branche damit aus dem Schneider?
Körnig: Keinesfalls. So erfreulich das anhaltend große Solarengagement der Eigenheimbesitzer ist: Gemeinsam realisieren sie gerade einmal rund ein Fünftel des politisch angestrebten jährlichen Mindestausbauziels. Auf neue Solaranlagen auf Gewerbe- und Industriehallen und in der Land- und Wohnungswirtschaft können wir nicht verzichten.
SBZ: Wie wichtig sind der gewerbliche und industrielle Eigenverbrauch für die Photovoltaik?
Körnig: Er ist ein unverzichtbarer Treiber der Photovoltaiknachfrage. Er erhöht die Flexibilität bei der Synchronisierung von Solarstromangebot und -nachfrage und macht die Energiewende insgesamt kostengünstiger. Solarstrom ist mittlerweile so preiswert geworden, dass er mit Gewerbestromtarifen konkurrieren kann.
SBZ: Wie wichtig sind die größeren Eigenverbrauchsanlagen zur Netzentlastung?
Körnig: Wir können deutlich mehr Photovoltaikleistung installieren, wenn die Netze wegen des Eigenverbrauchs nicht mehr für Einspeisemaxima ausgelegt werden müssen. Das reduziert die Netzkosten. Außerdem können Photovoltaikanlagen – insbesondere, wenn sie mit einem Stromspeicher kombiniert sind – vor allem die Netze im Niederspannungsbereich deutlich entlasten.
SBZ: Wird der gewerbliche Eigenverbrauch mit der EEG-Umlage überhaupt noch lukrativ sein?
Körnig: Amortisationszeiten von dann über 15 Jahren locken Unternehmer nicht mehr hinterm Ofen hervor. Solarer Eigenverbrauch rechnet sich dann nur noch in wenigen Ausnahmefällen bei sehr hohen Stromtarifen.
SBZ: Sind sinkende Strompreise mit einer anteiligen Umlage auf den Eigenverbrauch erreichbar? Das BMWi rechnet immerhin damit, dass dadurch rund 100 Millionen Euro eingespart werden können.
Körnig: Dabei wird übersehen, dass Solaranlagen, die nicht mehr gebaut werden, keine EEG-Umlage mehr abführen können. Die einzige Alternative zum Erreichen der Ausbauziele wäre dann die Rückkehr zur Volleinspeisung des produzierten Solarstroms ins öffentliche Netz bei deutlich höheren EEG-Vergütungssätzen. Das macht die Energiewende aber nicht billiger.
SBZ: Wie hoch steigt die EEG-Umlage künftig mit jedem neu installierten GW Photovoltaik?
Körnig: Photovoltaik ist so preisgünstig geworden, dass sich neue Solarstromanlagen kostenseitig kaum noch auswirken. Jedes neu installierte GW lässt die EEG-Umlage gerade noch um 0,019 Cent steigen.
SBZ: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel möchte die Kosten der Energiewende solidarisch verteilen. Welchen Weg schlagen Sie vor?
Körnig: Um die Akzeptanz der Energiewende zu sichern, muss das Verursacherprinzip wieder stärker Einzug halten. Statt Klimaschützer mit Abgaben zu belegen, sollten Unternehmen stärker zur Kasse gebeten werden, die ihren eigenen Stromverbrauch nicht umweltfreundlich decken und nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Gleichzeitig sollte die Abhängigkeit von Energieimporten im Wärme-, Strom- und Mobilitätssektor weiter reduziert, die Steuerbelastung in Grenzen gehalten und die bereits aufgelaufenen unvermeidbaren Anschubinvestitionen der Energiewende zeitlich etwas mehr gestreckt werden. Vor allem sollte die Politik aber unmissverständlich klarstellen: Ohne eine konsequente Energiewende werden die Kosten schließlich für alle sehr viel höher ausfallen! Die Akzeptanz der Energiewende wird zudem nur gesichert, wenn auch die Umstellung der restlichen 75% der Stromversorgung auf erneuerbare Energien unter aktiver Einbindung einer breiten Bürger- und Unternehmerschaft erfolgt.
SBZ: Vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.